Aha, das schmeckt wohl den FTlern nicht, wenn man in ihre Akten sehen will: lt Handelsblatt
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Der Anwalt von Wirecard erklärt, warum der Zahlungsdienstleister im Prozess gegen die „Financial Times“ einen Gerichtstermin verschieben ließ.
Frankfurt/München Dass Wirecard im Verfahren gegen die „Financial Times“ (FT) einen Prozesstermin verschieben ließ, hat für Aufsehen gesorgt. Jetzt nennt der Zahlungsdienstleister die Gründe: mangelnde Akteneinsicht.
„Den für Januar 2020 anberaumten Verhandlungstermin hat das Landgericht München I am 20. Dezember 2019 auf unseren Antrag hin aufgehoben, weil bis zum Termin der mündlichen Verhandlung eine Einsicht in die Akte der parallel laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlung gegen Mitarbeiter der Financial Times Ltd. und weitere Einzelpersonen nicht möglich war“, teilte Anwalt Wolf-Rüdiger Bub dem Handelsblatt mit.
Die Kanzlei Bub, Memminger & Partner vertritt Wirecard im zivilrechtlichen Verfahren gegen die britische Wirtschaftszeitung und deren Reporter Dan McCrum. Der Zahlungsdienstleister hatte nun seinen Rechtsvertreter ermächtigt, sich zum derzeitigen Verfahrensstand zu äußern.
Im konkreten Fall wirft Wirecard der Wirtschaftszeitung „rechtswidrige Veröffentlichungen mit manipulativer Einflussnahme auf den Kapitalmarkt zum Nachteil der Wirecard AG und ihrer Aktionäre“ vor und hatte deswegen im vergangenen Jahr Anklage vor dem Münchener Landgericht erhoben. Auch die Münchener Staatsanwaltschaft ermittelt parallel in einem Strafverfahren. Aus diesem Ermittlungsverfahren hätten die Beklagten nun Unterlagen im Gerichtsprozess vorgelegt, heißt es in dem Statement von Bub, Memminger & Partner. Man habe deswegen ebenfalls Akteneinsicht beantragt, jedoch habe „eine beschuldigte und im Dienst der Financial Times stehende Person durch ihre anwaltliche Vertretung beantragt, das Akteneinsichtsgesuch von Wirecard zurückzuweisen“.
Eine Entscheidung des Gerichts dazu steht noch aus. Auch die laufende Bilanzsonderprüfung von KPMG und der noch ausstehende Prüfbericht seien „von erheblicher Bedeutung“, da sie „zur Beurteilung der sachlichen Berechtigung der erhobenen Vorwürfe“ beitragen könnten, erklärten die Wirecard-Anwälte.
Die FT hatte am Sonntag eine eigene Erklärung zu dem Münchner Verfahren veröffentlicht. Darin heißt es: „Die FT und ihre Journalisten haben eine in ihren Augen starke Klageerwiderung eingereicht.“
Wirecard beziehe sich mit seiner Klage gegen die FT auf eine EU-Richtlinie zur Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen. Diese enthalte jedoch konkrete Schutzbestimmungen für investigativ arbeitende Journalisten und für die Aktivitäten von Whistleblowern. Außerdem sei die Richtlinie zum Zeitpunkt der von der FT veröffentlichten Artikel noch gar nicht in deutsches Recht umgesetzt gewesen, so die Wirtschaftszeitung.
Umstrittene Handelsaktivitäten Ursache der Auseinandersetzung zwischen Wirecard und der FT sind eine Reihe von Artikeln aus dem vergangenen Jahr, in denen die Wirtschaftszeitung schwere Vorwürfe gegen Wirecard erhoben hatte. So hatte das Blatt am 30. Januar 2019 erstmals über Unregelmäßigkeiten und mögliche Kontomanipulationen in Singapur aus dem Frühjahr 2018 berichtet.
In mehreren Folgeartikeln war die Rede von Betrug, Dokumentenfälschung und von angeblichen Scheinumsätzen mit verschobenen Geldern, dem sogenannten Round-Tripping. Die Aktie des Zahlungsdienstleisters war daraufhin von 167,40 Euro bis auf 86 Euro gefallen. Insgesamt wurden in der Spitze bis zu zehn Milliarden Euro an Börsenwert vernichtet.
Wirecard versuchte daraufhin zu belegen, dass sich unmittelbar vor der Veröffentlichung der kritischen Berichte ungewöhnlich viele Shortseller, die auf fallende Kurse spekulieren, gegen Wirecard positioniert hätten. Die Börsenaufsicht Bafin verhängte in einem außergewöhnlichen Schritt ein zweimonatiges Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien.
Eine vom Konzern beauftragte Untersuchung durch die Anwaltskanzlei Rajah & Tann ergab laut Wirecard, dass im Geschäftsjahr 2017 lediglich Umsätze von 2,5 Millionen Euro in Singapur fälschlich verbucht wurde. Zudem soll 2018 ein Vermögensgegenstand von drei Millionen Euro für eine Woche falsch bilanziert worden sein.
Gleichzeitig hatte auch die Bafin Handelsaktivitäten rund um die Wirecard-Aktie untersucht. Da dabei in einigen Fällen der auffällige Aufbau von Leerverkaufspositionen festgestellt wurde, erstattete die Bonner Behörde im Sommer Anzeige gegen eine einstellige Zahl von Personen bei der Münchener Staatsanwaltschaft.
Die FT wiederum gab Anfang Oktober die Ergebnisse einer internen Untersuchung der Vorfälle durch die Kanzlei RPC bekannt. In dieser wurden keine Hinweise gefunden, dass Autoren der FT mit Spekulanten zusammengearbeitet haben. Kurze Zeit später veröffentlichte die Wirtschaftszeitung weitere Artikel, in denen Zahlungsströme in Dubai und Irland angezweifelt wurden. Zweifel an der Bilanzierung führten erneut zu einem Kursverlust. Nach Kritik von Investoren veranlasste Wirecard im Oktober einen Sonder-Audit durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG. Dessen Ergebnis soll Ende des ersten Quartals vorliegen. Der Konzern erhofft sich davon einen Beitrag zur Aufklärung der erhobenen Vorwürfe. |