Börsen-Zeitung, Ausgabe 168 vom 31.8.2001 - Neues vom Neuen Markt Blue C wehrt sich gegen Schwarzmalerei
"2002 wird die Gewinnzone erreicht" - Kräftiger Kurssturz - Gespräch mit Vorstandschef Karl Strasser
Von Inken Prodinger, Frankfurt
Es gebe wenig negative Visionen, sagte Blue-C-Vorstandschef Karl Strasser im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zur Situation des Internet-Consulting-Unternehmens. Der Börsenkurs sei derzeit so weit am Boden, dass es viel schlimmer eigentlich gar nicht mehr ginge. Der Kapitalmarkt hatte dazu offensichtlich eine andere Meinung, stürzte der Aktienkurs am Donnerstag im Xetra-Handel doch um 20,7 % auf 0,27 Euro ab.
Das Unternehmen hatte Halbjahreszahlen bekannt gegeben. Demnach kletterte der Umsatz um 3 % auf 2,69 Mill. Euro, während sich der Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf rund 11 (i. V. - 5,3) Mill. Euro mehr als verdoppelte. Entscheidend sei die Tatsache, dass die Erlöse in den relevanten Märkten Deutschland und Österreich um 38 % gestiegen seien, sagte Strasser. Seit dem Börsengang vor gut einem Jahr habe sich das österreichische Unternehmen nämlich von allen Standorten im nichtdeutschsprachigen Ausland getrennt, der Gesamtumsatz sei mit dem Vorjahr also nicht vergleichbar. Die Internationalisierung der Gesellschaft werde frühestens auch erst dann wieder in Angriff genommen, wenn die Profitabilität erreicht sei, sagte Strasser. Er halte trotz aller Unkenrufe an dem Ziel fest, die Gewinnschwelle im ersten Quartal 2002 zu überschreiten.
Zwar habe sich das negative Betriebsergebnis im Halbjahresvergleich ausgeweitet, im Quartalsvergleich sei der Trend aber positiv. So seien im ersten Quartal 2001 gut 8 Mill. Euro Verlust angefallen, während es im zweiten Quartal 3 Mill. Euro gewesen seien. In den kommenden Quartalen werde mit Erlösen von 1,7 bzw. 1,8 Mill. Euro gerechnet. Eine konkrete Ebit-Prognose wollte er dabei nicht abgeben. Die liquiden Mittel sanken im Halbjahresvergleich auf 6,6 (7,5) Mill. Euro. Die Aktionäre seien gemäß österreichischem Aktiengesetz zu einer außerordentlichen Hauptversammlung für den 16. November eingeladen, da die Verluste das Grundkapital um mehr als 50 % übersteigen. Strasser glaubt Blue C auch angesichts dieser Tatsachen auf dem richtigen Weg. Das Unternehmen stecke in umfassenden Restrukturierungen: man werde sich auf die Kernkompetenz Consulting konzentrieren und habe auch ein unrentables Büro in Köln geschlossen. "Wir drehen an der Kostenschraube." Ein Strategiewechsel bei Blue C war nötig geworden, nachdem das Business-Modell, mit dem die Gesellschaft das IPO wagte, offenbar nicht aufgegangen ist. Eine zu rasch vorangetriebene Internationalisierung und die Planverfehlung im Geschäftsfeld Incubation (Entwicklung eigener Geschäftsmodelle mit der Gründung von Tochtergesellschaften) hätten zu einem unbefriedigenden Geschäftsverlauf geführt. In der Folge trennte sich die Gesellschaft dann zunächst vom Finanzvorstand und anschließend auch vom Vorstandschef. "Es gab Unstimmigkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat über die Strategie", sagt Strasser, der zu jenem Zeitpunkt noch Technologievorstand war.
Die von Internet-Werten lange ignorierte Losung "Profitabilität vor Wachstum" stehe jetzt jedenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste. Strasser ist sich bewusst, dass am Kapitalmarkt inzwischen niemand mehr so richtig an das Überleben des Unternehmens glaube. Wenn aber erst wieder schwarze Zahlen geschrieben würden, werde ein Kursanstieg auch nicht mehr lange auf sich warten lassen, gab er sich als Vorstandschef naturgemäß kämpferisch.
Keine Sorge vor Delisting
Mit einem Delisting rechne er nicht. Zwar gehört das Unternehmen bei einem seit Monaten unter einem Euro pendelnden Kurs und einer derzeitigen Marktkapitalisierung von gut 4 Mill. Euro zu den aussichtsreichen Delisting-Kandidaten. Ob die Deutsche Börse aber ihre Ankündigung zum 1. Oktober auch tatsächlich umsetze, bleibe abzuwarten. Blue C fühle sich trotz der Abstrafungen an der Börse am Neuen Markt wohl und erwäge auch keinen freiwilligen Segmentwechsel. Nun, da das Unternehmen schon mal an der Börse ist, sei er froh, die Vorteile, die der Kapitalmarkt ja durchaus habe, nutzen zu können. Generell sei aber durchaus die Frage zu stellen, ob Consulting-Unternehmen überhaupt an die Börse gehen sollten. Es sei immerhin auffällig, dass die Großen der Branche nicht notiert seien. Als Fehler wollte er den Börsengang aber dann auch nicht verstanden wissen.
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