Bereitet die US-Regierung das Kriegsrecht vor? F. William Engdahl
Angesichts zunehmender Protestkundgebungen in über 150 amerikanischen Städten und der weiteren Ausbreitung der Wirtschaftskrise mehren sich die Anzeichen, dass die Bush-Regierung tatsächlich Maßnahmen plant, jegliche Proteste energisch zu unterdrücken. Das geschieht vor dem Hintergrund des einseitigen finanzpolitischen Vorgehens von US-Finanzminister Paulson und Präsident Bush, die mit dem TARP-Gesetzentwurf Paulson einen Freibrief in Höhe 700 Milliarden Dollar ausstellen wollen, mit dem er seine Freunde von der Wall Street herauspauken will. Mittlerweile wurde auch bekannt, dass Paulson ein 700 Millionen Dollar schweres Paket an Aktienoptionen seiner früheren Firma hält, »Goldman Sachs«. Der beispiellose Schritt, mit dem er und »Federal-Reserve«-Chef Bernanke »Goldman Sachs« erlaubten, sich in eine normale Bankholding-Gesellschaft umzuwandeln, um dadurch Zugang zu Krediten der »Federal Reserve« zu erhalten, ist ein weiteres Indiz für das gegenwärtig herrschende Klima in Washington, für das der Ausdruck »Korruption« noch viel zu schwach wäre. Es ist wie im Alten Rom: Nero spielt die Geige, während Rom brennt. Die Armee soll im Oktober im eigenen Land eingesetzt werden
Nach den Plänen der US-Armee soll ab Oktober zum ersten Mal eine aktive Einheit in den Vereinigten Staaten selbst eingesetzt werden, um als »Bereitschaft« der Bundesbehörden für den »Notfall« zu dienen. Die Kampfgruppe der 1. Brigade der 3. Infanteriedivision war während der letzten fünf Jahre insgesamt 35 Monate im Irak eingesetzt; jetzt trainieren diese Soldaten für den Einsatz im eigenen Land. Diese Kampfeinheit wird bald der Kontrolle der US-Armee Nord unterstellt und damit zum Northern Command (NORTHCOM) der US-Armee gehören. Wie die Army Times berichtet, wird damit das erste Mal eine aktive Einheit direkt NORTHCOM unterstellt. Nach Ansicht diese Zeitung wird die Armee möglicherweise herangezogen, um bei der Bewältigung »ziviler Unruhen und Massenaufständen« zu helfen. Die Soldaten lernen den Gebrauch und Einsatz sogenannter nicht-tödlicherr Waffen, die gegen aufsässige oder gefährliche Personen innerhalb einer Menschenmenge verwendet werden sollen.
Der Einsatz von Armeeeinheiten zur Durchsetzung von Recht und Ordnung ist in den USA verboten, seit der Kongress 1878 das Posse-Comitatus-Gesetz erlassen hat. Dieses Gesetz wurde erlassen, um die Armee als interne Ordnungsmacht auszuschalten. Posse Comitatus heißt übersetzt »die Macht des Landes« und erinnert an die Vollmachten eines Sheriffs im alten Westen; damals konnte der Sherriff bei Bedarf eine Gruppe befähigter Männer einberufen, die vorübergehend die Aufgaben der Ordnungskräfte übernehmen und so den Frieden im Lande sichern konnten. Nach dem Bürgerkrieg war die Armee verbreitet in den Südstaaten eingesetzt worden, um die bürgerliche Ordnung zu wahren, um die Politik der Rekonstruktion durchzusetzen, und um alle schlummernden Rebellionsgelüste im Keim zu ersticken. Die US-Armee übernahm somit traditionelle Polizeiaufgaben und war an der Durchsetzung der Politik in der unruhigen Zeit der Rekonstruktion beteiligt. Dass damals Bundestruppen mit der Begründung, die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten zu müssen, bei politischen Veranstaltungen und sogar in den Wahllokalen eingesetzt wurden, hatte im US-Kongress immer größere Sorgen ausgelöst, denn die Abgeordneten waren der Ansicht, die Armee werde dadurch politisiert und würde sich ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich der Landesverteidigung, entfremden. Das Posse-Comitatus-Gesetz wurde verabschiedet, um die Armee von der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung fernzuhalten und wieder ausschließlich für die Verteidigung der Grenzen der Vereinigten Staaten einzusetzen. Unter Missachtung des Posse-Comitatus-Gesetzes von 1878 verlegt die Regierung Bush jetzt Truppen aus dem Irak zu den Einheiten in den USA, die der Kontrolle von Menschenmengen dienen sollen – ein unheilvolles Zeichen dafür, was noch kommen kann, wenn sich die Wirtschaftskrise weiter verschärft.
Heimatschutz?
Da sich gegenwärtig die Wirtschaftskrise in den USA mit zunehmendem Tempo verschärft, droht zehntausenden illegaler Einwanderer aus Mexiko und anderen Ländern zum ersten Mal seit Jahren ein hartes Durchgreifen der Polizei. Die Bundesbehörden haben vergangene Woche bei Razzien gegen Einwanderer in Illinois, Indiana, Colorado und Kalifornien mindestens 200 Personen verhaftet. Die meisten Verhaftungen gab es in der Region Chicago und im Norden des US-Bundesstaats Indiana. In dieser Gegend haben seit dem 12. September vier Sondereinheiten der ICE, der Einwanderungs- und Zollbehörde der USA, in 19 Städten 144 Personen festgenommen und eingesperrt. Weitere 95 Zuwanderer wurden bei Razzien in 14 Städten Colorados verhaftet. In Kalifornien wurden 21 illegale Einwanderer ohne Papiere verhaftet, die in einer China-Restaurant-Kette arbeiteten. Nach Angaben des Pew Hispanic Centers wurde im Laufe des letzten Jahres beinahe jeder zehnte Zuwanderer aus Lateinamerika von der Polizei oder den Behörden angehalten und/oder über ihren Status als Einwanderer vernommen. Im vergangenen Jahr verhafteten ICE-Beamte über 35.000 illegale Einwanderer – mehr als doppelt so viele wie 2006.
Das Vorgehen von Minister Paulson und Fed-Chef Bernanke, das ich in meinen beiden vorangegangenen Beiträgen auf dieser Seite – Finanz-Tsunami: Wird Washington die Wall Street verstaatlichen? sowie Weitere Hintergründe zu Henry Paulsons versuchtem Finanzputsch – beschrieben habe, sind der unverhohlene Versuch, die amerikanischen Steuerzahler für das kriminelle Vorgehen der Großbanken und Finanzhäuser zur Kasse zu bitten. Die Banken hatten sich bewusst auf billionenschwere kriminelle Geschäfte mit der Verbriefung von faulen Hypothekenkrediten eingelassen, die der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan in den höchsten Tönen gelobt hatte. Während sich in der Bevölkerung jetzt Unmut breit macht und man trotz der Manipulation der kontrollierten US-Medien langsam merkt, dass amerikanische Bürger von ihren gewählten Vertretern massiv betrogen werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es im Verlauf des Wahlkampfes zu spontanen öffentlichen Protestaktionen – friedlich oder nicht – kommen wird. Einige politische Beobachter spekulieren bereits darüber, dass solche Proteste, die bewusst durch den Einsatz gewaltbereiter professioneller »agents provocateurs« eskaliert werden können, der jetzigen Regierung den Vorwand liefern könnte, das Kriegsrecht auszurufen und die Wahlen im November überhaupt auszusetzen.
Das Wahljahr 2008 ist in jeder Hinsicht das ungewöhnlichste Wahljahr der amerikanischen Geschichte. Bleiben Sie deshalb dran, meine Damen und Herren …
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