Vor dem Solarbankrott?
Die rückwirkende Kürzung der Einspeisevergütung bringt zehntausende spanische Solarbauern in Bedrängnis Solarpark in der Provinz La Rioja in Spanien.
Es sollte eine Zukunftsinvestition sein, doch nun fragt sich José María Sánchez, ob er im spanischen Solarboom den Grundstein für den Ruin gelegt hat. Der Weinbauer in der Provinz La Rioja hielt es für eine gute Idee, statt in Trauben in die Solarenergie zu investieren. Wenn er heute zwischen den Gestellen mit den glänzenden Modulen durch die karstige nordspanische Landschaft schreitet, verflucht er die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), für die er kürzlich noch in einem Gemeinderat der Weinregion saß.
Seinen echten Namen will er nicht nennen, er befürchtet Ärger mit den Genossen. »Mehr Ärger kann ich nicht gebrauchen«, sagt der bärtige Mittfünfziger. Er hatte Freunde angesichts sinkender Preise für die Trauben dazu bewegt, gemeinsam in einen »Huerta Solar« zu investieren. So nennt man Solarparks im freien Gelände, von denen im Solarboom bis 2008 etwa 50 000 Stück wie Pilze aus dem Boden schossen. Seine Freunde machen ihn nun dafür verantwortlich, keiner strahlenden Zukunft entgegen zu sehen, sondern der Gefahr, auch Haus und Hof zu verlieren.
Verantwortlich dafür ist der kopernikanische Schwenk in der Solarförderung, die Sánchez seiner Partei nicht verzeiht. Während er sich einen Piérola einschenkt, denn von Rotwein der Rioja versteht er etwas, spricht er über ein besonderes Weihnachtsgeschenk. Am 23. Dezember hatte die PSOE-Regierung das »Königliche Dekret 14/2010« erlassen, womit in der Wirtschaftskrise auch die Axt an die Solarstromförderung gesetzt wurde. »Uns war zunächst nicht klar, was das für uns bedeutet«, sagt er. Erst nach den festlichen Tagen dämmerte den Solarbauern der Rioja, dass auch ihre Ernte betroffen ist, sollte das Dekret das Parlament passieren. Denn die Sparmaßnahmen betreffen vor allem Altanlagen.
Weil sich Madrid über das rechtlich fragwürdige Vorgehen bewusst war, wurde getrickst. Die Vergütung wurde zwar beibehalten, doch die Betriebsstunden für die Jahre 2011 bis 2013 auf 1250 Stunden im Jahr limitiert. »Ab September wird unsere Anlage Verluste einfahren«, ist Sánchez überzeugt. Deshalb fuhr er Ende Januar mit den Teilhabern seines Solarparks nach Madrid, um mit etwa 2000 Leidensgenossen gegen eine Maßnahme seiner Regierung zu demonstrieren. »Man kann die Menschen nicht animieren, in erneuerbare Energien zu investieren und sie dann in den Ruin treiben«, sagt Sánchez. Er rechnet vor, dass die Kürzung etwa 30 Prozent beträgt und ihre Anlage damit nicht mehr rentabel ist.
Denn meist wurden die Anlagen über Kredite finanziert. Banken vergaben sie problemlos, weil der Staat über 25 Jahre in dem Sonnenland eine Vergütung garantierte, die noch höher als in Deutschland war. Eine Blase wurde geschaffen, denn auch weniger optimale Anlagen waren somit rentabel. Kredite bis zu 700 000 Euro wurden vergeben, für die nun das Eigentum der Bauern als Sicherheit dient. Die Kredite müssen aber auch bezahlt werden, wenn im Herbst der Strom nur noch zum Normaltarif eingespeist wird und damit weit unter den Erzeugerpreisen liegt.
Bei den Regional- und Kommunalwahlen am 22. Mai erhielt die PSOE überall katastrophale Ergebnisse. Auch Sánchez hat sie nicht mehr gewählt. Er hofft, dass die spanische Regierung bald stürzt. Der Weinbauer setzt auf die Volkspartei (PP), welche die rückwirkende Kürzung für verfassungswidrig hält. Sánchez sitzt nun in einem Boot mit den Ultrakonservativen und Fondsmanagern. Denn auch Großinvestoren haben Spanien verklagt, weil es gegen ein Abkommen zum Schutz von Investoren im Infrastruktur- und Energiebereich verstoßen habe. Die Klage vor dem Schiedsgericht könnte das Land teuer zu stehen kommen. Gesprochen wird »über dreistellige Millionenbeträge, wahrscheinlich sogar in Milliardenhöhe.«
Bauern wie Sánchez ging es meist darum, ihre schmale Agrarpension aufzubessern, die 518 Euro monatlich beträgt. Die Kredite für die Solaranlage sollten in 10 bis 15 Jahren abgezahlt sein. Statt im Alter weiter im Weinberg zu schuften, sollte die Solarernte einen würdigen Lebensabend garantieren. Dieser Traum hat sich für viele in einen Albtraum verwandelt. Rund 50 000 Betroffene, so schätzt die Vereinigung von Bauern und Viehzüchter (COAG), kommen nach Verabschiedung des Gesetzes in arge Bedrängnis, weil sie in sauberen Strom investiert haben. |