Ich will hier mal den Versuch unternehmen, das Kuspotenzial von Datagroup zu quantifizieren, um meinen persönlichen Investment-Case darzustellen.
EBITDA
Datagroup hat für das laufende Geschäftsjahr 2014/15 eine EBITDA-Guidance von >15 Mio. EUR ausgegeben. In der Vergangenheit hat Datagroup seine Guidance regelmäßig übertroffen, was die konservative Planung und Glaubwürdigkeit der Prognosen unterstreicht. Ich will im folgenden versuchen, das Earnings-Potenzial auf dieser Basis zu schätzen.
EBIT (adjustiert um PPA)
Datagroup hat in den vergangenen Jahren regelmäßig wiederkehrende Abschreibungen in Höhe von 2,5 bis 3 Mio. EUR gehabt. Hinzu kamen zuletzt Restrukturierungsaufwendungen für mittlerweile geschlossene Geschäftsbereiche, die sich aus der Transformation des Unternehmens vom niedrigmargigen Systemhaus zum hochmargigen Cloudanbieter ergaben. Diese Neuausrichtung des Geschäftsmodells ist mittlerweile abgeschlossen, so dass in Zukunft ähnliche Aufwendungen nicht absehbar sind. Zu den fortwährenden Abschreibungen kommen regelmäßig PPA-Abschreibungen, die allerdings nicht cash wirksam sind und daher bei der Schätzung des Earnings-Potenzials auch nicht berücksichtigt werden sollten.
Für das laufende Geschäftsjahr gehe ich von cash-wirksamen Abschreibungen in Höhe von 2,8 Mio. EUR aus, was in etwa dem Mittel der letzten Jahre entspricht. Neben der historischen Betrachtung ist diese Schätzung auch konsistent mit den tatsächlichen Q1 Zahlen, in denen Abschreibungen in Höhe von 1,4 Mio. EUR vorgenommen wurden. Davon dürfte (wie zuvor) etwa die Hälfte auf PPA-Abschreibungen entfallen, so dass die cash-wirksamen Abschreibungen aufs Geswamtjahr hochgerechnet 4 * 1,4 / 2 = 2,8 Mio. EUR betragen sollten, wie weiter oben geschätzt.
Wenn man konservativ annimmt, das die EBITDA Guidance nur am unteren Rand getroffen wird, ergibt sich somit ein um PPA bereinigtes EBIT von 15 Mio. - 2,8 Mio. = 12,2 Mio. EUR.
EBT (adjustiert um PPA)
Der Zinsaufwand betrug im letzten Jahr 2,5 Mio. EUR. Dieses Jahr sollte dies geringer ausfallen, da die Verschuldung zurückgefahren wurde und zudem bestehende Kreditlinien aufgrund der allgemeinen Zinssituation billiger geworden sein sollten. Gehen wir aber mal konservativ davon aus, dass keine solche Senkung der Zinskosten möglich war. Dann ergibt sich ein um PPA bereinigtes EBT von 12,2 Mio. - 2,5 Mio. = 9,7 Mio. EUR.
Net earninings (adjustiert um PPA mit normalisierter Steurquote)
Zur Berechnung des Earnings-Potenzials müssen vom EBT die Steuern abgezogen werden. Im letzten Jahr hatte Datagroup eine extrem hohe Steuerquote. Diese schwankt bei Datagroup jedoch von Jahr zu Jahr gewaltig (nicht zuletzt aufgrund der asymmetrischen Steuereffekte von Übernahmen). Zur Berechnung des Earnings-Potenzials gehe ich von einer normalisierten Steuerquote von 30% aus, was zwar unter der Quote des letzten Jahres liegt, aber über dem historischen Durchschnitt Datagroups. Ich kann nicht abschätzen, welche Steuerquote 2014/15 tatsächlich anfallen wird. Allerdings halte ich perspektivisch die Annahme einer Steuerquote von 30% für eine konservative Schätzung, da langfristig durch steuermindernde PPA-Abschreibungen eine effektiv etwas niedrigere Steuerquote als 30% erreichbar sein könnte. Auf Basis des oben berechneten normalisierten EBTs ergibt sich bei 30% Steuern somit ein 2014/15er Earnings-Potenzial in Höhe von 9,7 Mio. * (1 - 0,3) = 6,8 Mio. EUR netto.
EPS und KGV (auf Basis des Earnings-Potenzials)
Teilt man dieses Nettoergebnis durch die Anzahl der Aktien, ergibt sich für 2014/15 ein um PPA bereinigtes Earnings-Potenzial von 6,8 / 7,572 = 0,90 EUR pro Aktie. Bei einem aktuellen Kurs von 11,50 EUR entspricht das einem KGV von lediglich 11,5 / 0,9 = 12,8!
Diese Berechnung des normalisierten Earnings-Potenzials auf Basis der 2015er Guidance zeigt aus meiner Sicht, dass die Datagroup Aktie trotz des starken Kursanstiegs in den letzten 12 Monaten immer noch sehr günstig ist. Das normalisierte KGV von 12,8 sollte insbesondere vor dem Hintergrund der positiven qualitativen Faktoren gesehen werden, die für starkes Earnings-Wachstum in den nächsten Jahren sprechen.
Qualitative Faktoren
§Anders als andere Cloudanbieter wie Cancom oder Bechtle ist Datagroup bereits zu 75% ein Serviceanbieter. Andere Betreiber stecken immer noch mit dem größten Teil ihrer Umsätze im margenschwachen Systemhausgeschäft und profitieren daher relativ in geringerem Maße vom Wachstum im Cloudbereich: das Systemhausgeschäft verwässert das Wachstum. Aus diesem Grund sollte Datagroup aus meiner Sicht ein höheres Multiple zugestanden werden als vielen seiner Konkurrenten. Tatsächlich ist jedoch momentan das Gegenteil der Fall, was signifikantes Aufholpotenzial beim Datagroupkurs nahelegt. (Man beachte hierbei: Cancom weist sein EPS grundsätzlich um PPAs adjustiert aus, während Datagroup diese Korrektur nicht vornimmt. Dies verzerrt den direkten Vergleich zu Lasten von Datagroup, weshalb ich zur besseren Vergleichbarkeit oben die Bereinigung vorgenommen habe.)
§Der Cloudmarkt für Mitteldständler wird in den nächsten 5 Jahren enorme Wachstumsraten aufweisen, da Mittelständler gerade erst begonnen haben, ihre IT Abteilungen outzusourcen. Hier ist also noch ein riesiges Marktpotenzial da, das im Laufe der nächsten Jahre peu a peu erschlossen werden wird. In 10 Jahren werden die meisten Mittelständler IT wohl größtenteils als Service beziehen, da die interne Betreeung der IT für solche Unternehmen einfach deutlich teuerer und ineffizienter ist.
§Der Wettbewerb von großen US-Cloudanbietern ist zwar stark (und wird zunehmen), allerdings ist dies für die Kundenzielgruppe von Datagroup in der Praxis oft keine allzu große Sorge. Mittelständler wollen (a) einen Partner auf Augenhöhe, der sie ernst nimmt und (b) in Deutschland gehostete Leistungen aufgrund der NSA Historie. Hier hat Datagroup jeweils einen deutlichen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu Multinationals, jedenfalls bei der relevanten Zielgruppe (für Großunternehmen sieht das anders aus).
§Zwar gibt es für Datagroup in seinen Zielmärkten ernstzunehmenden Wettbewerb von Firmen wie Cancom, QSC, Bechtle und anderen. Allerdings hat sich Datagroup hier eine gute Position erarbeitet durch die systematische Industrialisierung des Prozesses, ISO-Zertifizierung und das kundenfreundliche CORBOX System, das in einfachen Modulen geordert werden kann. Außerdem wächst der Markt so stark, dass es momentan für die wenigen Erstklasseanbieter wie Cancom oder Datagroup keinen Grund gibt, signifikante Margennachlässe zu gewähren.
§Datagroup selbst rechnet mit einer perspektivisch wachsenden Marge. Dies liegt vor allem daran, dass die Skalenerträge im Moment noch signifikant sind, da das Cloudbusiness von einer sehr kleinen Basis aus wächst. Durch die Industrialisierung des Outsourcings sind hier perspektivisch deutliche Senkungen der Durchschnittskosten wahrscheinlich. Beim Preis wird sicher bald die Fahnenstange erreicht sein und die Konkurrenz zunehmen. Allerdings ist das Neukundengeschäft noch so umfangreich, dass on balance für die nächsten Jahre signifkantes Ertragswachstum absehbar ist.
§Die Skalenerträge und auch die Kundenbindung durch mehrjährige Verträge wird perspektivisch für Wechselkosten und Eintrittsbarrieren in den Markt sorgen. Der Cloud-Kuchen im Mittelstand wird in den nächsten 5-7 Jahren verteilt werden. Wer jetzt nicht dabei ist Erstverträge zu gewinnen, wird in ein paar Jahren mit Firmen wie Cancom oder Datagroup nicht mehr konkurrieren können. Denn diese Firmen werden dann einen bedeutenden Größen- und Effizienzvorteil haben und Kunden haben bei Cloudservices historisch eine recht geringe Wechselbereitschaft gezeigt, wenn sie erstmal einen Anbieter gewählt haben.
§Diese Faktoren werden zu einer weiteren Konzentration des Marktes führen, da kleinere Anbieter weder die höhere Qualität noch die niedrigeren Kosten der Marktführer wettmachen können. Datagroup sollte bei dieser Konsolidierung, wie in der Vergangenheit, eine aktive Rolle spielen. Dies erlaubt Umsatzsteigerung und den günstigen Kauf neuer Kundenbeziehungen per Übernahme, die dann mit CORBOX ausgestattet werden können. Hier besteht signifikantes Upselling-Potenzial, da perspektivisch weitere Bereiche der Corporate IT ausgelagert werden können, wenn die Kunden mit den bereits in Anspruch genommenen CORBOX-Modulen zufrieden sind.
Hauptrisiko aus meiner Sicht ist perspektivisch zunehmender Preiswettbewerb. Dies wird irgendwann kommen. Aus meiner Sicht sind wir von diesem Punkt aber noch viele, viele Jahre entfernt, da in den nächsten Jahren zunächst sehr viele Neukunden auf den Markt strömen und das Angebot an Fachkräften limitiert ist. Wenn der stärkere Preiswettbewerb dann irgendwann einsetzt, werden Kunden aus bestehenden Service Verträgen herausgelockt werden müssen. Dies ist etwas, das Kunden bei mission critical applications wie IT hassen. Never change a winning team ist da klar der Ansatz der meisten Unternehmen: Warum zwei euro fünfzig sparen, wenn dadurch ein Risiko entsteht, dass es zu Disruptionen in der IT kommen könnte? Ein reibungsloser IT-Betrieb ohne Umstellungsrisiken ist einfach zu wichtig. Die Wechselkosten können da signifikant sein, was den Margendruck auch in Zukunft im Rahmen halten sollte, wenn erstmal der Kuchen verteilt ist. Es spricht aus meiner Sicht daher einiges dafür, dass Cloud-Outsourcing auch langfristig ein profitables Geschäft bleiben wird (auch wenn ich die 30%-Margenannahmen von Cancom als langfristig zu optimistisch einschätzezum Glück prognostiziert Datagroup hier deutlich konservativer mit einem langfristigen Margenziel von 10% für das Unternehmen und 15% für Private Cloud).
Zusammenfassung
Aufgrund des angestrebten starken Ertragswachstums in den nächsten Jahren ist ein bereinigtes KGV von unter 13 (gemessen am 2014/15er Earnings-Potenzial) aus meiner Sicht sehr günstig. Der momentane Rücksetzer im Kurs könnte sich daher als ein guter Einstiegszeitpunkt in einen unterbewerteten Wachstumswert mit positiver Dynamik erweisen. Für den Moment beträgt meine persönliche Einschätzung des fairen Wertes auf Basis eines KGVs von 18 auf das Earnings-Potenzial EUR 16,20 (Upside: 40%). Sollte sich in den kommenden Jahren das angestrebte Wachstum per Unternehmensstrategie Datagroup Vision 2020 auch nur annähernd materialisieren, wären hier perspektivisch sogar noch höhere Kurse denkbar.
Potenzielle Risiken bestehen insbesondere im Hinblick auf eine Intensivierung des Preiswettbewerbs um Neukunden. Allerdings erscheinen mir diese Risiken angesichts der starken Nachfragedynamik momentan sehr begrenzt, da die Nachfrage das Angebot in den nächsten Jahren deutlich übersteigen sollte. In späteren Jahren ist meiner Meinung nach zu erwarten, dass Wechselkosten eine dauerhaft profitable Marge ermöglichen. Datagroup sollte zudem aufgrund seiner guten Positionierung in den nächsten Jahren deutlich Marktanteile in diesem zersplitterten Markt gewinnen können (sowohl organisch als auch durch Zukäufe).
PS: Man sollte bei der Betrachtung von Datagroups Zahlen beachten, dass Neukundengeschäft im Cloudbereich zunächst zu Anlaufkosten führt, danach aber wiederkehrende Erträge mit relativ geringen Grenzkosten entstehen (Mehrjahresverträge). Mit anderen Worten: in Jahren starken Neukundenwachstums kann es durchaus sein, dass die Gewinne zunächst nicht ebenso stark mitwachsen, da diese nachgelagert anfallen. Aus diesem Grund rechne ich auch nicht damit, dass die Anfang des Jahres vermeldeten signifikanten Neukundengewinnungen bereits in diesem Geschäftsjahr zu einer spürbaren Gewinn-Verbesserung oberhalb der EBITDA-Guidance führen werden. Diese Neukunden werden nach meiner Vermutung erst ab 2015/16 und in den Folgejahren signifikant die Gewinne erhöhen, dann aber nachhaltig.
PPS: Man beachte, dass meine KGV-Berechnung oben auf Basis des Earnings-Potenzials erfolgte. Ich prognostiziere NICHT ein ausgewiesenes EPS von 90 cent für dieses Jahr. Dieses sollte aufgrund von PPA-Abschreibungen und möglicherweise noch adverser Steuereffekte geringer ausfallen. Meine konservative Schätzung für das ausgewiesene EPS auf Basis der obigen Berechnungen ist für dieses Jahr EUR 0,55 (ausgehend von PPA-Abschreibungen in Höhe von 2,8 Mio. und einer sehr vorsichtigen Annahme eines Steuersatzes von 40%). Dies würde momentan ein KGV von 21 bedeuten. Allerdings, wie zuvor beschrieben, verzerren PPA-Abschreibungen und temporär hohe Steuerquoten die tatsächliche Fähigkeit des Unternehmens, signifikante Free Cash Flows zu generieren. Daher die Berechnung des Earnings-Potenzials weiter oben als realistischere Basis für die Valuierung. |