Hier ist was - zwar nichts von Marx, sondern von Engels. Zum Thema: Schnaps und Kirche.
Und wenn, wie damals, den Wuppertaler Arbeitern keine andre Wahl blieb als die zwischen dem irdischen Schnaps der Kneipen und dem himmlischen Schnaps der pietistischen Pfaffen - was Wunder, daß sie den ersteren vorzogen, so schlecht er war.
Und er war sehr schlecht. Wie er aus dem Kühlapparat kam, ohne weitere Reinigung, mit all seinem Gehalt an Fuselöl, wurde er verschickt und frisch getrunken. Alle aus Weintrebern, Runkelrüben, Korn oder Kartoffeln destillierten Branntweine enthalten dieses Fuselöl, ein Gemisch von höheren Alkoholen, d.h. von dem gewöhnlichen Alkohol analog zusammengesetzten, jedoch mehr Kohlenstoff und Wasserstoff enthaltenden Flüssigkeiten (u.a. primärer Propylalkohol, Isobutylalkohol, bei weitem vorwiegend aber Amylalkohol). Alle diese Alkohole sind schädlicher als der gewöhnliche Weingeist (Äthylalkohol), und die Dosis, in der sie giftig wirken, ist viel geringer als bei diesem. Professor Binz in Bonn hat neuerdings durch zahlreiche Versuche nachgewiesen, daß die berauschenden Wirkungen unsrer geistigen Getränke, ebensosehr wie deren unangenehme Nachwirkungen im wohllöblichen Katzenjammer respektive in ernsthafteren Krankheits- und Vergiftungserscheinungen, weit weniger dem gewöhnlichen Weingeist oder Äthylalkohol als vielmehr den höheren Alkoholen, also dem Fuselöl, zuzuschreiben sind. Nicht allein aber wirken sie berauschender und zerstörender, sie bestimmen auch den Charakter des Rausches. Jedermann weiß aus eigner Anschauung, wo nicht Erfahrung, wie verschieden Weinrausch (ja selbst die Räusche der verschiedenen Weinsorten), Bierrausch, Schnapsrausch in ihrer Wirkung auf das Gehirn sind. Je mehr Fuselöl im Getränk und je ungesunder dies Fuselöl in seiner Zusammensetzung, desto wüster und wilder wird der Rausch. Junger, ungereinigter Kartoffelschnaps enthält aber bekanntlich von allen gebrannten Getränken das meiste und das am ungünstigsten zusammengesetzte Fuselöl. Die Wirkung ungewöhnlich starker Quantitäten dieses Getränks auf eine so erregbare, leidenschaftliche Bevölkerung wie die des Bergischen Landes war denn auch ganz dementsprechend. Der Charakter des Rausches hatte sich total verändert. Jede Lustbarkeit, die früher mit gemütlicher Anheiterung und nur selten mit Exzessen endigte, bei welchen letzteren dann freilich der Kneif (das Messer, englisch knife) nicht selten seine Rolle spielte, jede solche Lustbarkeit artete nun aus in ein wüstes Gelage und endigte mit unfehlbarer Keilerei, wobei Messerverwundungen nie fehlten und die tödlichen Messerstiche immer häufiger wurden. Die Pfaffen schoben das auf die zunehmende Gottlosigkeit, die Juristen und andren Philister auf die Kneipenbälle. Die wahre Ursache war die plötzliche Überflutung mit preußischem Fuselöl, das eben seine normale physiologische Wirkung ausübte und Hunderte armer Teufel in die Festungsbaugefangenschaft ablieferte.
Diese akute Wirkung des wohlfeilen Schnapses dauerte jahrelang, bis sie allmählich sich mehr oder weniger verlor. Aber die Einwirkung auf die Sitten verschwand nicht ganz; der Branntwein blieb für die Arbeiterklasse ein Lebensbedürfnis in höherem Grade als vorher, und die Qualität, wenn sie sich auch etwas besserte, blieb weit unter der des früheren alten Kornbranntweins.
Und wie im Bergischen, so ging es anderswo. Zu keiner Zeit waren die Wehklagen des Philisteriums über Zunahme des übermäßigen Branntweintrinkens unter den Arbeitern allgemeiner, einstimmiger und lauter als von 1825 bis 1835. Es ist sogar fraglich, ob nicht die Dumpfheit, in der speziell die norddeutschen Arbeiter die Ereignisse von 1830 über sich ergehen ließen, ohne davon berührt zu werden, großenteils dem Schnaps zu danken ist, der sie damals mehr als je beherrschte. Ernstliche und besonders erfolg- |42| reiche Aufstände kamen nur in Weinländern oder in solchen deutschen Staaten vor, die sich durch Zölle vor preußischem Schnaps mehr oder weniger geschützt hatten. Es wäre nicht das einzige Mal, daß der Schnaps den preußischen Staat gerettet hätte. |