WirtschaftsWoche - Unternehmen Ein neues Monopoly Montag 3. Juli 2006, 07:05 Uhr Finanzinvestoren greifen nach der Deutschen Telekom und anderen Telefonriesen. Der gesamte Markt steht vor einem gewaltigen Umbruch.
Die Herren vereinbarten absolute Diskretion. Kein Begrüßungsfoto, kein Abschlusskommuniqué – am liebsten hätte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück das Treffen mit Merrill-Lynch-Chef Stan O’Neal ganz verschwiegen. Der oberste Investmentbanker, immer auf der Suche nach lukrativen Deals, hatte sich am 22. Juni mit Steinbrück verabredet, um über die bevorstehenden Privatisierungen bei „Flughäfen, Bundesautobahnen, Deutschen Bahn und etc.“ zu reden, wie es im Ministerium hieß.
Hinter „etc.“ versteckte sich das eigentliche Objekt der Begierde: die Deutsche Telekom (NYSE: DTE - Nachrichten) Anzeige Anzeigen - Ihre Meinung . Der Staatsanteil von rund 30 Prozent ist immer noch der wertvollste Schatz im Beteiligungsportfolio des Bundes. Der Verkauf aller verbliebenen T-Aktien soll mindestens 20 Milliarden Euro in die klammen Staatskassen spülen. Ende April hatte die US-Beteiligungsgesellschaft Blackstone für 2,7 Milliarden Euro 4,5 Prozent der Deutschen Telekom erworben. Nun wollen auch andere Private-Equity-Gesellschaften mit der Bundesregierung ins Geschäft kommen. Die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Investmentbanker wie O’Neal kann da nur hilfreich sein.
Die „Heuschrecken“ – wie Ex-SPD-Chef Franz Müntefering die Private-Equity-Gesellschaften genannt hat – liegen schon auf der Lauer. Blackstone-Chef Stephen Schwarzman plant den Deal seines Lebens und lässt eine Komplettübernahme von seinen Telekom-Experten durchspielen, wie die Wirtschaftswoche aus Insiderkreisen erfuhr (WirtschaftsWoche 26/2006). Beim derzeitigen Kurs von 12,30 Euro ist die Deutsche Telekom gerade mal 55 Milliarden Euro wert und damit ein echter Übernahmekandidat.
Das Dementi aus New York folgte prompt. Doch eine Entscheidung fällt erst Anfang nächsten Jahres: Ende April 2007 läuft die mit der staatlichen KfW Bankengruppe vereinbarte Haltefrist aus. Wenn die T-Aktie bis dahin nicht signifikant zulegt, wäre ein Übernahmeangebot sehr verlockend. Rund 60 Milliarden Euro, schätzen Insider, müsste Blackstone alleine oder zusammen mit anderen Investoren aufbringen, um die volle Kontrolle über die Telekom zu erlangen.
Für Schwarzman wäre das ein guter Deal. Eine Zerschlagung der Deutschen Telekom würde zwar ein politisches Erdbeben auslösen, schließlich wäre mit dem Abbau oder der Verlagerung tausender Jobs zu rechnen. Technisch wäre die Zerlegung allerdings relativ einfach. Die drei Sparten T-Com, T-Mobile und T-Systems sind deutlich mehr wert als der Gesamtkonzern. Allein der sofortige Weiterverkauf des US-Geschäfts von T-Mobile würde 30 bis 35 Milliarden Euro und damit gut die Hälfte des Kaufpreises bringen. Die nur in Deutschland starke Geschäftskundensparte T-Systems könnte bei einem IT-Riesen unterschlüpfen. Und auch für eine gestutzte Rest-Telekom würde sich auf Grund der starken Präsenz in Deutschland und Südosteuropa ein Abnehmer finden.
Telefonkonzerne stehen auf der Wunschliste der Firmenjäger ganz oben. Egal, wer auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt zum Verkauf angeboten wird, die Heuschrecken bieten fast immer mit. Mit dem dänischen Telekomkonzern TDC ging bereits der erste Ex-Monopolist an die angelsächsischen Gesellschaften Apax, Blackstone, KKR, Permira und Providence. Gemeinsam hatten die fünf mit 12,7 Milliarden Euro das beste Angebot abgegeben. Und die irische Eircom ist inzwischen in der Hand des australischen Finanzinvestors Babcock & Brown.
Weitere Übernahmen werden folgen. Beim unmittelbar bevorstehenden Verkauf von Portugal Telecom bereiten Permira, Providence, Blackstone und KKR erneut die Gründung eines Konsortiums (dieses Mal erweitert um Cinven und Texas Pacific) vor, um mit einem 14-Milliarden-Euro-Gebot die Konkurrenz auszustechen.
Selbst Megadeals werden den Finanzinvestoren schon zugetraut. An der Londoner Börse wurde schon spekuliert, dass Finanzinvestoren den Kursabsturz von Vodafone (London: VOD.L - Nachrichten) (Börsenwert: 100 Milliarden Euro) zu einer Übernahme nutzen könnten. Eine Zerschlagung des Telefonriesen verspricht schnelles Geld. Die weltweit verstreuten Mobilfunkbeteiligungen sind inzwischen deutlich mehr wert als der Gesamtkonzern. Mit entsprechenden Abnahmezusagen strategischer Investoren könnten Private-Equity-Gesellschaften sogar solch einen Deal stemmen.
Die Heuschrecken schwimmen derzeit in Geld. Mit Fonds von teilweise über zehn Milliarden Euro wissen die Investoren derzeit kaum, wohin mit dem Geld. „Eine regelrechte Geldwoge treibt die Finanzinvestoren vor sich her“, sagt Stephan Goetz, Telekomexperte und Mitgründer der Unternehmensberatung Goetzpartners. Gleichzeitig lockt eine extrem niedrige Börsenbewertung. „Weil die traditionellen Telekomunternehmen in ihrem Kerngeschäft unter Druck stehen, sind die Einstiegspreise derzeit niedrig“, sagt Thomas Krenz, Deutschlandchef der britischen Beteiligungsgesellschaft Permira.
Die Finanzinvestoren dringen mit ihren Unternehmenskäufen derzeit in völlig neue Dimensionen vor. Im Extremfall können die Fonds in jede Übernahme eine Milliarde Euro eigenes Geld stecken. Zusammen mit rund vier Milliarden Euro Fremdkapital können einzelne sogar schon Übernahmen von bis zu fünf Milliarden Euro stemmen – im Team wie beispielsweise bei der dänischen TDC (Kopenhagen: TDC.CO - Nachrichten) entsprechend mehr.
Auch die Banken spielen mit und sind gerne bereit, die Private-Equity-Ausflüge in die Telekomwelt zu finanzieren. Schließlich lassen sich die Darlehen nicht nur mit stabilem Geldfluss, sondern auch mit greifbaren Werten wie Infrastruktur absichern. Das ermöglicht gute Konditionen. „Finanzinvestoren bekommen inzwischen von den Banken sogar mehr Geld und günstigere Konditionen als große Telekomunternehmen“, sagt Unternehmensberater Goetz.
Konzernchefs wie der neue Swisscom (Virt-X: SCMN.VX - Nachrichten) -Vorstandsvorsitzende Carsten Schloter erwarten deshalb, dass die Private-Equity-Gesellschaften eine Hauptrolle bei der kompletten Neuordnung des europäischen Telekom-marktes spielen. Was viele Konkurrenten bisher im Ausland erworben haben, sei nur „Flickwerk“, das die künftige Expansion eher behindere. Er erwartet ein neues Telekom-Monopoly: „Viele haben schon gespielt, zahlreiche Häuschen zwischen Badstraße und Schlossallee sind vergeben. Aber keiner ist so richtig froh damit“, sagt Schloter. „Mehr Werte lassen sich schaffen, wenn die Häuschen etwas anders verteilt würden.“
Europas Telekomkonzerne werden von einem Trend erschüttert, der vor wenigen Jahren nicht absehbar war. Durch den technologischen Umbruch zu Übertragungsnetzen auf der Basis des Internets wachsen die bislang getrennt betriebenen Fest- und Mobilfunknetze so stark zusammen, dass die dahinterliegende Infrastruktur völlig verschwindet – mit weit reichenden Folgen für die Expansionsstrategie. Erfolgreich kann nur sein, wer Festnetz, Mobilfunk und schnelles Internet als Paket offerieren kann und solche Produkte auch in Auslandsmärkte exportiert. „Wer dadurch Skalenvorteile generiert, gewinnt“, sagt Schloter.
Die Deutsche Telekom gehört zu den Konzernen, die solche Skalenvorteile kaum heben können. Mehr als andere Konzerne hat die Telekom mit einem „Flickwerk“ zu kämpfen, bei dem wenig zusammenpasst. Mal tritt sie – etwa in Frankreich und Spanien – nur mit der Festnetzsparte T-Com an. Woanders – etwa in Großbritannien, Österreich, Tschechien und den Niederlanden – ist T-Mobile als reiner Mobilfunker unterwegs. Lediglich in Ungarn, Kroatien, der Slowakei und Mazedonien tritt die Deutsche Telekom als integrierter Telekom-Konzern auf, der – wie in Deutschland – die Marktmacht eines Ex-Monopolisten über alle Produkte ausspielen kann.
Entsprechend schwierig gestalten sich Großfusionen mit anderen Ex-Monopolisten. Ob France Télécom oder Telefónica – in wichtigen Märkten überlappen sich die Auslandsbeteiligungen. Selbst kleinere Übernahmen wie Telekom Austria lassen sich schwer stemmen, weil Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke den südlichen Nachbarn selbst zerschlagen müsste. Da T-Mobile in Österreich gut vertreten ist und gerade erst den Konkurrenten Telering geschluckt hat, wird nur noch ein starkes Festnetzgeschäft gesucht. Der starke Mobilfunkarm der Österreicher müsste direkt weitergereicht werden. Solch aufwendige Umbauarbeiten sollte Ricke lieber den Private-Equity-Gesellschaften überlassen.
Tatsächlich lassen sich Rationalisierungsreserven in Milliardenhöhe heben, wenn die Festnetz- und Mobilfunksparte ihre Infrastrukturen zusammenlegen. Die neuen Netze auf Internetbasis können künftig so zentral und mit so wenig Aufwand gesteuert werden, dass fast alle Technik-Niederlassungen vor Ort überflüssig wer- den. EU-Kommissarin Viviane Reding will die ehemaligen Monopolisten sogar zwingen, den Netzbetrieb in eigenständige Gesellschaften auszugliedern. Zudem will sie die Regulierung der Branche EU-weit vereinheitlichen. Es wäre dann einfacher, für mehr Wettbewerb unter den Telefongesellschaften zu sorgen. Auch wenn noch gar nicht sicher ist, ob und wann Reding ihre gewagten Vorschläge durchsetzen kann – allein ihr Vorstoß zum jetzigen Zeitpunkt belegt, dass in die Neuordnung der Telekombranche Bewegung kommt.
Noch ist das europäische Telekomgeschäft geprägt von nationalen Egoismen und Ressentiments. Viele Landesgesellschaften operieren trotz aller Integrationsprogramme weit gehend autonom. Von langer Hand geplante Großfusionen wie zwischen den ehemaligen Monopolisten Swisscom und Telekom Austria scheitern selbst bei vergleichsweise engen kulturellen Beziehungen an politischen Widerständen. Nur die schwedische Telia und die finnische Sonera haben nach langem Hin und Her einen grenzüberschreitenden Zusammenschluss geschafft.
„Der europäische Telekommunikationsmarkt ist extrem fragmentiert“, sagt Torsten Krumm, Telekomexperte und Partner bei der britischen Beteiligungsgesellschaft Apax. Aber das wird nicht so bleiben. Krumm hält national orientierte Telekomgesellschaften oder Unternehmen ohne eigene Infrastruktur langfristig nicht für überlebensfähig. Als potenzielle Übernahmekandidaten gelten in der Branche etwa Telecom Italia und die niederländische KPN (Amsterdam: KPN.AS - Nachrichten) , vielleicht sogar die britische BT.
Grund genug für Apax, noch stärker mitzumischen. „Wir sehen uns als Konsolidator im Markt“, sagt Krumm. Auf regionaler Ebene hat das schon geklappt. Apax hat in Deutschland unter anderem die ehemals von den Stadtwerken dominierten Citynetzbetreiber Versatel und Tropolys zum inzwischen drittgrößten Festnetzanbieter zusammengeführt. Jetzt sollen größere Deals folgen. „Wir wollen weiter zukaufen“, sagt Krumm. Mit Rückendeckung von Apax bietet Versatel beim Verkauf des Deutschland-Geschäfts des Internet-Anbieters AOL mit.
Ähnlich geht Apax zusammen mit dem amerikanischen Finanzinvestor Texas Pacific Group bereits in Griechenland vor. Dort haben die beiden Fonds gemeinsam die Nummer drei und vier im Mobilfunkmarkt – Tim Hellas und Q-Telecommunications – gekauft und zusammengelegt.
Wenn sich Finanzinvestoren engagieren, führen sie Unternehmen zusammen, heben Effizienzreserven, optimieren die Finanzstruktur und trennen sich von überflüssigen Randaktivitäten. Damit übernehmen sie Aufräumarbeiten, mit denen die traditionellen Platzhirsche wie die Deutsche Telekom überfordert wären. So wird spekuliert, dass demnächst die deutsche TDC-Tochter Talkline zum Verkauf steht. Wenn die Heuschrecken bei den Unternehmen durchgekehrt haben, so der Plan, übergeben sie die fit gemachten Unternehmen entweder der Börse oder einem der ganz Großen im internationalen Wettbewerb.
Ähnliche Ausstiegspläne hegen offenbar auch die Investoren von TDC. Als Käufer kommen vor allem die großen internationalen Telekomspieler infrage. Sobald die Platzhirsche ihre Schulden abgebaut und finanziell wieder erstarkt sind, dürften sie auch international wieder zukaufen. Paul Jowett, Partner der auf Private-Equity-Unternehmen spezialisierten Beratungsgesellschaft L.E.K. in München: „Dann werden die imperialen Träume der Telekomriesen irgendwann doch noch Wirklichkeit.“
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