Berater der US-Regierung fordern Härte gegen Schurken Von Hubert Wetzel, Washington
Ratgeber haben Konjunktur. Sie erklären, wie man Geld verdient, wie man Kinder erzieht, wie man in zehn Tagen zwanzig Kilo abnimmt. Der neueste Ratgeber auf dem Markt: "An End to Evil. How to Win the War on Terror".
Auf 284 Seiten erklären Richard Perle und David Frum, wie Amerika dem Bösen in der Welt den Garaus machen und den Krieg gegen den Terror gewinnen kann. Die Autorennamen garantieren Aufmerksamkeit. Richard Perle ist einer der Vordenker der "neokonservativen" Hardliner und gilt als einflussreicher Berater von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Wenn Perle etwas schreibt, darf man annehmen, dass wichtige Mitglieder der US-Regierung zumindest ähnlich denken. David Frum schrieb früher Reden für Präsident George W. Bush. Er soll den Begriff "Achse des Bösen" erfunden haben, mit dem Bush im Januar 2002 Irak, Iran und Nordkorea titulierte. Beide arbeiten beim American Enterprise Institute (AEI), der wichtigsten neokonservativen Denkfabrik.
Das Buch hat vor allem einen Adressaten. Es will der US-Regierung nach dem Irak-Krieg die weiteren Schritte im Kampf gegen Terroristen und Massenvernichtungswaffen vorgeben. Die Liste der Schurken ist lang: Iran, Syrien, Saudi-Arabien, Nordkorea, Libyen, Frankreich. Sie alle muss Washington nach Perles und Frums Ansicht mit mehr oder weniger groben Mitteln auf Linie zwingen, um den Anti-Terror-Krieg zu gewinnen. Kompromisse lehnen sie ab. "Es gibt für die Amerikaner keinen Mittelweg. Entweder Sieg oder Holocaust."
Riesiges Reservoir explosiver Wut
Die Wurzeln allen Übels sehen die Autoren im Nahen Osten. "Religiöse Extremisten und säkulare Militante, Sunniten und Schiiten, Kommunisten und Faschisten, diese Kategorien gehen ineinander über. Alle strömen aus dem gleichen riesigen Reservoir explosiver Wut. Alle haben das gleiche Ziel: die Vereinigten Staaten", sagen die beiden Experten.
Nach dieser scharfen Diagnose folgt die bittere Medizin: Für Perle und Frum kann Irak nur der Anfang gewesen sein. Weitere Regimewechsel müssen folgen, durch indirekten Druck der USA oder durch direkte Intervention. So soll Washington eine Revolte in Iran fördern. "Das Regime muss weg", fordern sie unumwunden. Syrien soll unter Druck gesetzt werden, bis es eine "westliche Reorientierung" von Staat und Gesellschaft einleitet. Wenn Saudi-Arabien nicht bedingungslos im Anti-Terror-Kampf kooperiere, sollten die USA die Sezession der ölreichen östlichen Gebiete unterstützen.
Nordkorea wollen die Autoren ähnlich hart anfassen: Sie fordern eine Luft- und Seeblockade, bis Pjöngjang alle Atomwaffenprogramme einstellt. Begleitend dazu sollten die USA Präventivangriffe auf Nuklearanlagen in dem Land vorbereiten.
Mildes Urteil über Deutschland
Auch Frankreich haben Perle und Frum ins Visier genommen. Im Anti-Terror-Kampf wollen sie das Land als "Gegner" behandeln, und nicht mehr als Verbündeten. Der Grund dafür hat mit Terrorismus freilich wenig zu tun: Die Autoren werfen Paris vor, die EU als "Gegengewicht" zu den USA aufbauen zu wollen. Dies müsse Washington durch die Isolierung Frankreichs verhindern. "Wir müssen die europäischen Regierungen zwingen, sich zwischen Paris und Washington zu entscheiden." Für Europa wäre das ein Alptraum: Die Unterstützung Amerikas für ein geeintes Europa war eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche EU-Integration. Perle und Frum wollen diese Unterstützung nun beenden.
Deutschland wird hingegen milde beurteilt. Perle und Frum sehen Berlins Widerstand gegen den Irak-Krieg als Ausreißer. Die Bundesregierung sei lediglich Frankreich gefolgt, schreiben sie. Sobald Kanzler Gerhard Schröder aus dem Amt sei, werde Deutschland wieder der verlässliche transatlantische Partner sein.
Das Buch dürfte für Empörung im Ausland sorgen. Wichtiger wird jedoch die Wirkung in Washington sein. Die Neocons, die den Irak-Krieg befürworteten, haben zuletzt deutlich an Einfluss verloren, auch wenn Perle und Frum die Probleme in Irak dem Außenministerium und der CIA in die Schuhe zu schieben versuchen. Wütend sehen sie zu, wie Bush vor der Wahl auf einen multilateraleren, realistischeren und moderateren Kurs eingeschwenkt ist, mit Libyen und Nordkorea verhandelt und um europäische Hilfe in Irak wirbt. Das Buch ist daher vor allem ein Zeichen dafür, dass die Neocons noch nicht am Ende sind.
Aus der FTD vom 13.1.2004
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