Für viele Analysten haben die Aktienbullen der chinesischen Märkte weiterhin ausreichend Kraft. Bei einer schwächelnden Wirtschaft stehe die Regierung mit zusätzlichen Hilfen bereit.
Die einen erwarten weitere Zuwächse, andere warnen vor Übertreibungen. Chinas Börsen in Hongkong, Shanghai und Shenzhen haben im laufenden und vergangenen Jahr eine eindrucksvolle Rallye hingelegt. Seit Januar liegen der Hang Seng China Enterprise Index und Shanghai Composite Index mit rund 20 und 27 Prozent im Plus. "Einzelne chinesische Werte haben sich innerhalb kürzester Zeit verdoppelt", bemerkt Walter Vorhauser, der von einer starken Nachfrage nach in Hongkong gelisteten Aktien berichtet. "Umsätze in dieser Höhe hatten wir seit drei Jahren nicht mehr." Mittlerweile sind die chinesischen Börsen dem Händler von Oddo Seydler zufolge allerdings in der Kürze der Zeit zu weit gelaufen. Deshalb sei eine Beruhigungsphase durchaus angebracht. Nach einer voraussichtlich kleineren Konsolidierung erkennt Vorhauser aber weiteres Potenzial für den Hang Seng bis in die Region ehemaliger Höchststände oberhalb von 30.000 Punkten.
Auf der Suche nach Ertrag Helfen könnte der Zulauf von chinesischen Bürgern vom Festland, die seit November an der Hong Kong Stock Exchange aktiv werden dürften. Das setze allerdings ein gefülltes Depot in Höhe von mindestens 500.000 Yuan voraus, das sind umgerechnet gut 75.000 Euro. "In der vergangenen Woche wurde erstmals die erlaubte tägliche Handelsquote von 10,5 Milliarden Yuan, was etwa 1,6 Milliarden US-Dollar entspricht, voll ausgeschöpft", weiß Stefan Scharffetter von der Baader Bank. Den Chinesen fehlten schlichtweg die Anlagealternativen. Bei sinkenden Immobilienpreisen und einer Inflation oberhalb des Zinssatzes suche die Bevölkerung nach Investitionen mit Aussicht auf höhere Renditen.
H-Shares hinken hinterher Das erklärt nach Meinung von Scharffetter auch die gegenwärtig bessere Bewertung von so genannten A-Aktien, die an den Börsen in Shanghai und Shenzhen gelistet sind, gegenüber den in Hongkong notierten H-Aktien derselben Firma. China befinde sich im Spekulationsfieber. Ob Hausfrau, Student oder Teenager, beinahe jeder Chinese kaufe Aktien, mit dabei rund 6 Prozent Analphabeten. "Die haben von der Börse nur durch Hören und Sagen erfahren." Nun schwappe die Spekulationswelle auf den Aktienmarkt der chinesischen Sonderverwaltungszone über.
Wie der "Neue Markt" Viele Investitionen werden auf Pump finanziert, wie Scharffetters Kollege Roland Stadler ergänzt."Wertpapierkredite haben sich in China innerhalb eines Jahres verdoppelt." Relativ zum Börsenwert sei die Fremdfinanzierung von Aktienkäufen inzwischen doppelt so hoch wie in New York. Bei Stadler werden angesichts der gegenwärtigen Hausse in China Erinnerungen an den "Neuen Markt" der Neunzigerjahre wach.
Branchenübergreifender Boom Anders als damals profitierten derzeit viele Sparten von der Hausse. Der Aktienkurs von Chemie-Unternehmen wie Sinopec Shanghai Petrochemical A0M4Y5) hat sich beispielsweise im Jahresverlauf von 0,23 auf derzeit 0,47 Euro verdoppelt. "So richtig nach oben geschossen ist der Kurs erst seit Mitte Februar."
Einen vergleichbar steilen Aufstieg von 0,12 auf 0,25 Euro hat der Wert des Metallbauers Shanghai Prime Machinery (WKN A0M4YY) gemacht. Hingegen müsse sich Quingling Motors (WKN A0M4YS) mit einem vergleichsweise moderaten Sprung von 40 Prozent begnügen, während der Wert des Automobil- und Batterieproduzenten BYD (WKN A0M4W9) auf ein Plus von 60 Prozent seit dem Jahreswechsel komme.
"Selbst Ölkonzerne haben einen guten Schnitt gemacht", berichtet Vorhauser. Ein Anstieg von rund 23 auf 47 Euro hat der Sinopec-Aktie (WKN 887169) eine Verdoppelung gebracht. Cnooc (WKN 631636) müsse sich hingegen mit einer Zugabe von 45 Prozent von rund 110 auf 160 Euro zufrieden geben.
Tencent stellt Konkurrenz in den Schatten Über 100 Prozent teurer geworden ist die Aktie von Tencent (WKN A1138D) seit dem Dezembertief. Mit 21,50 Euro markierte sie laut Vorhauser am Montag ein neues Allzeithoch. "Tencent CEO Pony Ma hat die Gelegenheit genutzt und sich von 20 Millionen Anteilen im Wert von rund 415 Millionen Dollar getrennt." Das habe den Kurs der Aktie unter Druck gesetzt.
Der Online-Spezialist mit dem Facebook-ähnlichen Netzwerk Qzone, und dem mit Whatsapp konkurrierenden Kurznachrichtendienst Wechat befinde sich auf der Überholspur. "Wechat wird in ganz Asien genutzt und selbst in den USA gibt es drei Millionen Menschen, die den Service wählen." In Punkto Marktkapitalisierung habe Tencent mit 200 Milliarden US-Dollar andere Online-Schwergewichte wie Amazon (WKN 906866) mit 178 Milliarden, Ebay (WKN 916529) mit 70 Milliarden und Yahoo (WKN 900103) mit 42 Milliarden US-Dollar längst übertrumpft. Facebook kostet derzeit etwa 230 Milliarden US-Dollar an der Börse.
Banken drückt der Konjunktur-Schuh Mit den chinesischen Finanzhäusern geht es ebenfalls aufwärts. Aktien von Großbanken wie der Commercial Industrial Bank of China (WKN A0M4YB) und der Bank of China (WKN A0M4WZ) haben sich in den vergangenen zwölf Monaten in etwa verdoppelt. Vor dem Hintergrund eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstums verlangsame sich aber das Gewinnwachstum von Chinas fünf größten Banken. Eine Herausforderung sei der Anstieg von faulen Krediten auf über 1 Prozent.
Von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG
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