Haben Sie noch starke Nerven? Glauben Sie noch an einen Börsenaufschwung? Ja, ja, ich weiß, im Moment scheint alles gegen einen solchen zu sprechen. Doch glauben Sie mir: Wer jetzt entnervt sein Aktiendepot kündigt, wird bald allen Grund haben, sich tüchtig zu ärgern.
Die wirtschaftliche Lage in den USA ist nämlich nicht so schlimm wie sie im ersten Moment aussieht. Wir müssen uns zwar in den nächsten Jahren auf wesentlich schwächere Wachstumsraten einstellen - sie könnten so im Bereich zwischen 1,5 und 2,5 Prozent liegen - doch dies ist für eine gesunde Wirtschaft immer noch ausreichend. Von einer Rezession - so häufig das Wort auch in der Presse zitiert wird, weil es beim Leser Ängste weckt und die Auflage steigert - möchte und kann ich nicht sprechen. Doch wie verhalte ich mich als Anleger in einer solchen Phase richtig?
Neben fundamentalen Faktoren spricht vor allem die Psychologie für die Börse. Seit Jahr und Tag streiten sich nämlich die Börsentheoretiker darüber, ob es letztendlich die Nachrichten aus Wirtschaft und Politik sind, die den Verlauf der Aktienkurse bestimmen, oder ob es gerade die fallenden beziehungsweise steigenden Kurse sind, die die Aufnahmebereitschaft der Börsianer fokussieren und so auch die Interpretation der Nachrichten bestimmen.
Im ersten Moment scheint ja alles für die erste Theorie zu sprechen, doch glauben Sie mir, vieles spricht auch für die zweite Annahme.
In einer Baisse-Phase überwiegt die pessimistische Stimmung an der Börse. Selbst gute Nachrichten werden mit dem lapidaren Kommentar: »Naja, es hätte auch besser sein können.« abgetan.
Und weil die Stimmung schlecht ist, werden schlechte Nachrichten besonders groß herausgestellt. Bestes Beispiel sind die bekannten Boulevard-Blätter, die es stets mit unglaublicher Präzision schaffen, die Börse im Hoch zu bejubeln und im Tief zu verteufeln. Am Ende einer Baisse-Phase ist jedoch stets ein allmählicher Stimmungswechsel festzustellen: Ganz offensichtlich schlechte Nachrichten werden hoffnungsvoll mit dem Absatz: »Oh Gott, ich dachte schon, es wird noch schlimmer!« kommentiert. Dieser Stimmungswandel vollzieht sich sehr langsam. Doch immer mehr Baisse-Verfechter schwenken schließlich zur Hausse-Partei über. Sehr schön hat dies André Kostolany in seinen Büchern beschrieben, die ich hiermit jedem Börsianer als Pflichtlektüre empfehle.
Genau in einer solchen Umbruchsphase stecken wir derzeit. Die Baisse-Partei wird immer kleiner, doch noch stürzen sich die Tageszeitungen begierig auf die schlechten Nachrichten. Dabei hat die Vergangenheit uns gelehrt, dass man in solchen Phasen Aktien kaufen und nicht verkaufen muss.
Ich weiß, dass dies sehr schwierig ist, weil es vom Anleger eine gehörige Portion Mut verlangt. Aber es ist der einzige Weg, der zu dauerhaftem Erfolg führt. Daher mein Appell an Sie: Schauen Sie nicht jeden Tag auf das Auf und Ab an der Börse!
Viele der so genannten tagesaktuellen Börsenkommentierungen in Print und TV, die ohnehin häufig eher einer Sportsendung gleichen (»Und jetzt steigt der Dax um 5 Punkte - was für eine Rallye!«), verwirren mehr, als dass sie Aufklärung schaffen.
Behalten Sie die Nerven, schauen Sie auf die übergeordneten Bewegungen, auf den langsamen Stimmungswechsel - auf das Schwinden der Baisse-Partei!
Ihr
Bernd Förtsch |