Arbeiten in Asien

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eröffnet am: 14.06.03 14:50 von: Nassie Anzahl Beiträge: 1
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16074 Postings, 8192 Tage NassieArbeiten in Asien

Ein Job für Vagabunden

Hongkong, Korea, Vietnam – in den Tigerstaaten verlaufen Karrieren rasant.

von Christine Demmer

(SZ vom 14.6.2003) Die sprichwörtliche deutsche Tüchtigkeit hallte Chinesen, Koreanern und Vietnamesen jahrhundertelang in den Ohren. Von den Entdeckungsreisenden des 19. Jahrhunderts bis zu den Einkäufern der Moderne – alle sangen das Hohe Lied des deutschen Arbeiters. Heute werfen die Gastgeber nur einen Blick auf ihr eigenes Bruttosozialprodukt und lächeln. Die Menschen in Asien sind höflich.


Gerald Lessle gehört ganz gewiss nicht zu den Managern, die ihren Mitarbeitern in Asien von den Tugenden der heimischen Belegschaft vorschwärmen. Könnte er auch gar nicht, denn er hat sie nie selbst kennen gelernt.


Abitur 1987, zwei Jahre Bundeswehr, Studium der Wirtschaftswissenschaften in Giessen und Stuttgart-Hohenheim, zwischendrin ein Praktikum in Malaysia, und danach stand für Lessle fest: Er muss nach Asien. „Hier geht noch richtig die Post ab“, sagt der 34-Jährige, „die Entwicklung der einzelnen Länder, sei es im sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Bereich, geht so rasant voran, dass ich unbedingt daran Teil haben wollte.“

Er bewarb sich bei einer der führenden Marken im Bereich Damenunterwäsche – und flog nach kurzer Einarbeitungszeit 1996 nach Hongkong. „Natürlich mit dem festen Vorsatz, nach zwei Jahren wieder zurück zu sein.“ Die ersten Monate vergingen wie im Flug, und schon wurde Lessle nach China versetzt, um dort beim Aufbau der Verkaufsorganisation zu helfen. „Das war für mich als Frischling eine Herausforderung“, sagt der Diplom-Kaufmann. „Der Markt war da, sogar ziemlich groß, und wuchs enorm schnell. Ich war ziemlich allein auf mich gestellt.“ Nach einem Jahr ging’s weiter, diesmal nach Vietnam, zu einem der größten Produktionswerke, wo Lessle vier Jahre verbrachte.

Im März 2002 kehrte er an seine Ausgangsstation Hongkong zurück. Seither arbeitet er dort als Vice Director und betreut die Länder China, Korea, Vietnam und die Philippinen. Wollte er nicht allenfalls zwei Jahre in Asien bleiben? „Klar, die Rückkehr-Option versuche ich mir offen zu halten. Aber nach sieben Jahren Asien sinken die Chancen der Vermittelbarkeit und der Reintegration. Und ob ich das letztlich überhaupt möchte, ist eine ganz andere Frage.“

Weg vom Komma

Auch heute noch, nach einem Viertelleben auf der anderen Seite des Globus, schüttelt Lessle den Kopf, wenn er sieht, wie schwach deutsche Unternehmen in China und den Tigerstaaten vertreten sind, jedenfalls im internationalen Vergleich. „Hier freut man sich nicht über Wachstumsraten im Kommabereich, sondern unterhält sich über zweistellige Zahlen“, beschreibt der Manager die Aufbruchstimmung in Südostasien – trotz der Wirtschaftskrise, die nach Japan nun auch die Tigerstaaten erfasst hat.

Dabei sei es gleichermaßen amüsant wie erschreckend zu sehen, wie wenig Ahnung Freunde und Bekannte aus Deutschland vom Leben und der Wirtschaft des fernen Osten hätten. „Hier beschränkt sich der Freundeskreis selten nur auf Deutsche“, sagt Lessle. „Man hat bald einen globalen Kreis, der den Horizont sehr erweitert.“ Und irgendwann fange man an, nicht mehr an die Rückkehr nach München oder Berlin zu denken. Man denke in Sprachräumen, Wirtschaftsregionen und Kontinenten.

Dorf in der Stadt

Wohnsituation und Lebenshaltung in asiatischen Großstädten wie Hongkong und Seoul sind mit denen in Deutschland nicht zu vergleichen. Lessle: „Wer die lokale Schiene fährt, kann ziemlich günstig leben. Wer deutsches Niveau oder deutsche Lebensmittel sucht, muss dafür tief in die Tasche greifen: Eine 60-Quadratmeter-Wohnung kostet um die 2000 US-Dollar.“

Entscheidend für die Einkommensbilanz ist – und das gilt nicht nur für Asien, sondern nahezu weltweit – ob man einen Ex-Patriate-Vertrag mit der deutschen Firma abschließt oder sich als lokaler Mitarbeiter von der jeweiligen Landesgesellschaft anstellen lässt.

In letzterem Fall muss man sich vor allem nach den Konditionen für die Krankenversicherung erkundigen. Die private Krankenversicherung kann recht teuer werden; auf der anderen Seite erreichen die asiatischen Gesundheitswesen, gemessen an ihren Leistungen, beileibe nicht das deutsche Niveau. Viele Firmen erleichtern ihren ausländischen Mitarbeitern die Entscheidung. „Das soziale Paket wird in Asien oft vom Unternehmen übernommen“, sagt Lessle. „Die Personalabteilungen vor Ort unterstützen einen auch dabei, was man wann und wie bei welchen Behörden machen muss.“

Bei allem anderen hilft das private Netzwerk gern aus. „Informationen über Weissbier und Brezen gehen so schnell herum, dass man in einer 22-Millionen-Stadt wie Seoul den Eindruck gewinnt, man lebe auf dem Dorf.“ Gerald Lessle, so scheint es, hat sich an die Tugenden Asiens gewöhnt.


 

 

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