Vom Razr zum Lozr
Alles schien bei Motorola in bester Ordnung: Mit dem Modell Razr hatte das Unternehmen einen wahren Verkaufsschlager im Sortiment. Doch warum verließ dann ausgerechnet der Vater des Erfolgs, Ronald Garriques, den Konzern? Der ehemalige Chef der Mobilsparte hat offenbar die Zeichen der Zeit ignoriert – und das holt Motorola nun ein. DÜSSELDORF. Ronald Garriques hat gerade noch den Absprung geschafft: Der Ex-Chef der Handysparte von Motorola ergatterte bei Dell einen lukrativen Vertrag, bevor das Desaster offensichtlich wurde. Garriques hatte, getragen von der unglaublichen Erfolgswelle des „Razr“-Telefons, versäumt rechtzeitig bei Motorola für Ersatz zu sorgen und wichtige Trends zu Lifestyle-Smartphones wie Blackberry oder iPhone unterschätzt.
Die Quittung folgte auf dem Fuße: der zweite Quartalsverlust in Folge, Motorolas Nettoumsatz brach um 19 Prozent ein. Zum zweiten Mal seit 2004 ging der zweite Platz der Weltrangliste für Handyhersteller an Samsung verloren. Dabei hat der als Sanierer gerufene CEO Ed Zander eigentlich einen veritablen Job gemacht: Nach der Pleite mit dem Satelliten-Telefon Iridium räumte er auf, modernisierte die Produktpalette und brachte durch den Börsengang der Chipsparte Milliarden in die Kassen.
Dann verwechselte er offenbar doch „Profitabilität“ mit „Ausquetschen“. In dem Bestreben die Rendite auf immer neue Höhen zu hieven wurde die Produktion teilweise ausgegliedert und auf eine industrielle Plattform-Strategie – analog zur Autoindustrie – umgestellt. Aber Plattformen haben oft den Nachteil der Unflexibilität. Seitdem sieht alles immer irgendwie nach „Razr“ aus. Eine heiße Wette. Denn die Konkurrenz schlägt ihre Produktpalette mittlerweile doppelt so schnell um wie Motorola.
Als Motorola 2006 auch noch die Autoelektronik verkaufte, wurde schlagartig klar, wie die dramatisch die gestiegene Abhängigkeit vom Telefon unterschätzt wurde. Motorola ist wieder so stark von Zyklen abhängig wie vor dem Verkauf der Halbleiterfertigung – und zu allem Überfluss sogar noch von praktisch einem Produkt.
Diese Struktur steht im völligen Gegensatz zu Nokia: die frühere Gummistiefelfirma ist auch vom Handy abhängig. Nokia hat aber die breiteste Produktpalette der Branche vom Billighandy für den indischen Teebauern bis zum Highend-Phone für Wall Street Yuppies.
Hat Motorola das verstanden? Die Neuorganisation in kundenzentrierte Sparten scheint in diese Richtung zu weisen. Nur die Ernennung von Stu Reed als neuem Chef der Mobiltelefonsparte spricht eine andere Sprache. Reed ist ein Zahlenmensch. Er hat erfolgreich das Beschaffungswesen bei Motorola saniert, davor war er 20 Jahre bei IBM. Motorola braucht aber keinen Kostenfuchs, sondern einen Steve Jobs. Es müssen neue, pfiffige und konkurrenzfähige Produkte her. Und zwar zügig.
Reed hat keine Zeit, sich einzuarbeiten. Er muss sofort loslegen. Ob er das kann, werden die nächsten Monate zeigen. Sonst werden Motorolas enorme Liquiditätsreserven von knapp elf Milliarden Dollar neue Großspekulanten auf den Plan rufen, die das Geld lieber an die Aktionäre ausgeschüttet wissen. Zuletzt war das Carl Icahn, der seine ganz eigenen Vorstellungen für Motorola hat rufen. Wenn Firmenchef Zander der Versuchung erliegt, kurzfristig lieber Rendite und Aktienkurs über Entlassungen und Sparwellen hochzutreiben, statt strategisch zu investieren, dann wird sich wenig ändern. Außer, das er wieder einmal viel Zeit mit der Abwehr von ungeliebten Investoren verschwenden muss.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 24. Juli 2007, 12:00 Uhr
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