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Betandwin: Wir wetten lieber auf den Weltmeister
Die Einschätzung einer Aktie mit einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von mehr als 300 ist eine Glaubensfrage: Glaubt man, dass das Unternehmen sich in der nächsten Zeit so rasant entwickeln kann, dass es den aktuellen Kurs rechtfertigen kann – oder glaubt man es nicht. Wenn – wie im Fall Betandwin – das KGV auch auf Grundlage der Analystenschätzungen für das laufende Jahr über 50 liegt, muss man schon an ein Wunder glauben, um den aktuellen Aktienkurs für realistisch zu halten.
Wunder sind normal
Bei Betandwin sind Wunder freilich normal: Das Unternehmen hat im Vorjahr alle wichtigen Kennzahlen verdreifacht – nur den Aktienkurs nicht, der hat sich versechsfacht –, es hat dadurch den Turnaround geschafft und schwarze Zahlen geschrieben. Und es verspricht heuer nochmals alles zu verdoppeln – jedenfalls Kunden, Wetten und Wettumsätze. Die Erträge sind nicht zu prognostizieren, die hängen zu sehr vom Ausgang der Spiele ab, auf die gewettet wird.
In drei Wochen beginnt in Deutschland die Fussball-Weltmeisterschaft, der wichtigste Umsatzbringer für einen Wettkonzern. Und da es schon im ersten Quartal gelungen ist, das angestrebte Ziel der Verdoppelung zu erreichen (wenn auch vor allem durch die im Vorjahr erfolgte Übernahme des Online-Poker-Anbieters Ongame), ist es nicht unplausibel, dass die Verdoppelung auch im entscheidenden zweiten und dritten Quartal gelingt (im Vergleichzeitraum des Vorjahres gab es ja kein vergleichbares Grossereignis).
Spannend wird's freilich danach: Auch für 2007 erwarten die Analysten noch Umsatzsteigerungen von zumindest 20 Prozent – und 2007 gibt es keinen grossen Wett-Anlass, der den Wegfall der Fussball-WM ausgleichen kann.
Dafür wollen die Betandwin-Bosse aber bereits heuer vorsorgen: Der Drive der Kicker soll genutzt werden, um in Südamerika und Asien den Markteintritt zu schaffen. Und mit entsprechend verbreiterter Basis soll auch künftiges Wachstum erleichtert werden.
Dafür nimmt Betandwin wieder Verluste in Kauf: „Unsere Priorität ist globales Wachstum", sagte Co-CEO Norbert Teufelberger anlässlich der Präsentation der jüngsten Quartalszahlen, „nicht unbedingt Gewinne." Entsprechend dürften die Analystenschätzungen für den Gewinn je Aktie Makulatur sein – der sollte nämlich von 26 Cent im Vorjahr schon heuer auf fast zwei Euro und 2007 auf 3,60 Euro steigen. Ein dreistelliges KGV – wenn überhaupt – dürfte also der ständige Wegbegleiter des Wettanbieters bleiben.
Hohe Marketing-Ausgaben
Denn Expansion kostet Geld. Egal ob zugekauft (Ongame mit einem Brutto-Ertrag von zuletzt 95 Millionen Euro kostete gut 500 Millionen Euro, die zum Teil per Kapitalerhöhung finanziert wurden) oder organisch erworben: Marketing-Ausgaben waren im Vorjahr mit 59 Millionen Euro der grösste Einzelposten in der Gewinn- und Verlustrechnung nach den Wettgewinnauszahlungen (immerhin 991 Millionen). Und Marketing-Investitionen entwickeln sich zuweilen selbst zur Sportwette: Der Traditionsklub 1860 München, mit dem Betandwin einen Sponsorvertrag abgeschlossen hat, verpasste den Wiederaufstieg in die Bundesliga, dafür hat der AC Milan – ebenfalls ein Betandwin-Klub – Chancen, auf dem grünen Tisch Meister Juventus Turin zu beerben, der – haha! – in einen Wettskandal verwickelt ist.
Vergleichsweise weniger bedeutend sind demgegenüber rechtlicheRahmenbedingungen – etwa die Diskussion in den USA, Internet-Wetten zu erlauben. Trotz des bestehenden Verbots sollen bereits jetzt ein Drittel der Internet-Wetter aus den USA stammen.
Riskante Wette
Die Bewertung einer Aktie mit einem KGV von 300 ist Glaubenssache, haben wir eingangs gemeint. Nun: Es fällt uns schwer zu glauben, dass Betandwin die Vorgaben für 2007 einhalten kann – der Erfolg der Fussball-WM ist längst eingepreist. Wir halten einen Einstieg bei Betandwin daher für eine hochriskante Wette (die freilich trotzdem aufgehen kann) und würden aus Risikoaversion lieber auf den neuen Weltmeister setzen als auf einen Wettanbieter. Brasilien ist ein heisser Tipp.
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