Manche Informationen sind schwerer zu erhalten als andere. Besonders bei Produktionen lassen sich die Firmen nur ungern in die Karten schauen. Aber es gelingt dann und wann über Umwege trotzdem an die Daten zu gelangen. So auch bei Ford.
Das Modell Work XL wird von Ford als Produktionsfirma für Streetscooter gebaut. Dabei liefert Ford nur das Fahrgestell und baut alle Teile zusammen. Das Wichtigste daran ist, dass das Ford in ihrer eigenen Fabrik baut - ohne dass es einer neuen Fabrik oder eines großen Umbaus bedarf. Gleiches wird für die Modelle mit Brennstoffzelle der Fall sein. Und obwohl vorerst nur 100 Stück in Auftrag gegeben worden sind, so ist schon bekannt gegeben worden, dass 500 weitere folgen werden. Alles jedoch keine Verkaufsexemplare, sondern nur für den Eigenbedarf der Post.
Hier ist jedoch schon der Faktor "Erweiterung der Produktnische" enthalten, der weltweit die einzigen - jawohl die einzigen - Fahrzeuge dieses Typs hervorbringt. Andere Typen haben zwar auch Elektromotoren und/oder Brennstoffzellen, aber eben nicht in Verbindung mit der Leichtbauweise, die um so effektiver ist, je größer der Energiebedarf beim Transport ist. Für die USA bedeutet das zum Beispiel, dass die Anbindung der urbanen und ländlichen Gegenden an die letzte Meile in/um/an die Großstädte besonders nachgefragt ist. Für Ford bedeutet das, dass eine zusätzliche Produktion in den USA immer durch die vorhandenen Fabriken sofort beginnen kann, wie bei allen anderen Umstellungen in den eigenen Produktpaletten. Gleichzeitig ist schon jetzt der Bedarf der Post zumindest im Expressbereich - wie in Deutschland - vorhanden und eine kleine Baureihe bereits lohnend.
Gelingt es Ford jedoch auch die Produktion der reinen Elektroworks in eigenen Fabriken - ohne Umbau usw. - einzurichten, so wäre eine strategische Beteiligung für Ford gerade wegen des Eigenbedarfes der Post weltweit eine lohnende Investition. Auch wenn Ford dazu nur eine 49%ige Minderbeteiligung eingehen würde, wäre das voll vertretbar, da die Post alle Entwicklungsvorgaben selbst bestimmt und in Deutschland vornimmt, um die sich Ford nicht zu kümmern braucht. Hier würden die Amis nur von der Produktion profitieren, die wegen des Eigenbedarfes diesen Anteil als risikolos ansehen kann. Zusätzliche Kapazitäten kann Ford als Autobauer jederzeit für den Fremdverkauf nutzen. Geht man davon aus, dass die Post derzeit einen Umsatz von ca. 0,3 Milliarden für den Eigenbedarf pro Jahr hat, so würden 49% von Streetscooter irgendwo zwischen 1,5 und 2,2 Milliarden kosten. Das bedeutet, dass man für eine Beteiligung sowohl den Großkunden als auch die Produktpalette nebst Weiterentwicklungen bekommt. Also ein Komplettpaket.
Ob und wie groß die Nachfrage weltweit nach den Modellen ist, kann ich nicht sagen, aber fest steht, dass Ford über die vorhandenen eigenen Vertriebskanäle die Autos an die Kunden bringen kann. Natürlich ist der Kaufpreis nicht billig, aber nachhaltig wirtschaftlich, zumal der Eigenbedarf der Post weiter ansteigen wird. Gerade die Anpassungsfähigkeit eines echten Automobilbauers, der zwischen den einzelnen Produktpaletten wechseln kann, würde die Aufstellung von Streetscooter verbessern. Da sich die Post durch die Absicht vollständig auf saubere Mobilität umzusteigen von der Verfügbarkeit ausreichender Elektroautos abhängig gemacht hat, ist schon jetzt eine vollständige Veräußerung von Streetscooter nicht mehr möglich, weil nur die Post sich selbst in ihrer eigenen Marktlücke ausreichend versorgen kann, ohne ständig befürchten zu müssen, dass Fremdhersteller die Produktion wegen nicht ausreichender Nachfrage einstellen.
Da die Marktführerschaft der Post in ihrer Produktnische auch in den USA* besteht, dürfte zumindest eine Nachfrage bestehen, die eine kleine aber ständige Produktion rechtfertigt, die über den Bedarf der Post hinausgeht. Und wegen der weltweiten Aufstellung von Ford können Produktionskapazitäten eben auch weltweit verschoben werden. Die Kosten für die Neuerrichtung von Fabriken sind eben sehr hoch und lohnen sich nur bei entsprechend hoher Nachfrage.
Alles Gute
Der Chartlord
*Da Streetscooter weltweit die einzige Firma ist, die Modelle in Leichtbauweise herstellt, sind die derzeit in Deutschland hergestellten Works die tatsächliche Marktführerschaft in diesem Segment. |