Athen fordert vom EFSF 1,2 Milliarden zurück
Kipping: Alexis Tsipras hat eine Herkulesaufgabe übernommen / Wagenknecht kritisiert »böses Spiel« von Merkel / Schulz fordert EU-Hilfen für Griechenland / EU-Parlamentspräsident verweist auf soziale Lage: »Hier kann nicht mehr weiter gekürzt werden«
Update 14.15 Uhr: Die griechische Regierung fordert vom so genannten Euro-Rettungsschirm EFSF Geld zurück. Laut Informationen der griechischen Zeitung »Kathimerini« macht Athen geltend, zu viel für die Bankenrettung vorgesehenes Geld an den Euro-Krisenfonds in Luxemburg zurückgezahlt zu haben. Es gehörte zu der Grundsatzvereinbarung der Eurogruppe vom 20. Februar, dass die nicht benutzten Hilfen für die Sanierung und Abwicklung von Krisenbanken von 10,9 Milliarden Euro an den EFSF zurückgegeben werden. Dies geschah auch tatsächlich. Nachträglich stellten die griechischen Behörden jedoch fest, dass sie 1,2 Milliarden Euro hätten abziehen müssen, weil Hilfen insbesondere für kleinere Banken geflossen waren. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem habe den EFSF gebeten, den Sachverhalt zu prüfen, teilte ein Sprecher der europäischen Finanzinstitution am Dienstag mit. Nach dem Willen des Niederländers solle das Thema auch im Vorbereitungsgremium der Euro-Finanzminister bald behandelt werden. Dort sind die Staatssekretäre der 19 Euroländer vertreten.
Update 12.15 Uhr: Vor wenigen Minuten hat die Linkenvorsitzende Katja Kipping den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tripras getroffen. »Als Fazit bleibt: Alexis Tsipras hat eine Herkulesaufgabe übernommen. Die Vorgängerregierungen haben Korruption gefördert und Reichtumspflege betrieben. Die Troika-Auflagen haben die soziale und wirtschaftliche Not verstärkt. Aus Angst davor, dass auch in anderen Ländern die Stimmen nach einem Kurswechsel immer lauter werden, erpressen die europäische Eliten nun Griechenland ökonomisch«, schreibt Kipping auf ihrer Facebookseite. In dieser schwierigen Situation handelte Alexis Tsipras höchst verantwortungsvoll sowohl gegenüber der Eurozone wie gegenüber der eigenen Bevölkerung. SYRIZA und DIE LINKE stimmten in dem Ziel überein, das ganz Europa einen Kurswechsel brauche. »Weg von Sozialkürzungen, hin zu Reichtumsbesteuerung und Steuergerechtigkeit. Wir müssen in ganz Europa den Zeitgeist diesbezüglich verändern.«
Update 10.05 Uhr: Die Linkenvorsitzende Katja Kipping hat für mehr Verständnis für die Situation in Griechenland geworben. Die Menschen dort hätten »unter enormen sozialen Problemen zu leiden«, sagte Kipping am Dienstag in der ARD. Darauf versuche die Regierung in Athen zu reagieren. Tsipras und seine Koalition hätten eine Herkulesaufgabe vor sich. Mit Blick auf das Treffen von Kanzlerin Merkel und dem griechischen Premier Tsipras am Montag hoffe sie, »dass es im Ergebnis dieses Gespräches mehr Verständnis für die Situation in Griechenland gibt. Ich glaube, eine gewisse sprachliche Abrüstung war sehr hilfreich.« Das Ringen um die Zukunft Europas »sollte man nicht wie einen Boxkampf inszenieren, wo einer am Ende k.o. gehen muss«.
Update 9.55 Uhr: Die griechische Regierung will ihre Liste mit den geplanten Reformen bis Montag der Eurogruppe schicken. Dies sagte am Dienstag Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis im Fernsehsender Mega. Ministerpräsident Alexis Tsipras habe in Berlin nach seinen Worten »die Umrisse der Reformpläne präsentiert«. Dabei habe es mehrere Punkte gegeben, in denen sich Berlin und Athen einig gewesen seien. Sakellaridis sagte weiter, es handele sich bei den avisierten Reformen nicht um neue Kürzungen oder »Sparmaßnahmen«, sondern um strukturelle Veränderungen.
Update 9 Uhr: Die Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat der Bundesregierung vorgeworfen, »ein böses Spiel« mit Griechenland zu treiben. Der Premier der SYRIZA-geführten Regierung in Athen, Alexis Tsipras, solle »seine Wahlversprechen aufgeben, die brutalen Kürzungsdiktate der verhassten Troika umsetzen und das griechische Tafelsilber verramschen«, kritisierte Wagenknecht »die unveränderte Position der Bundesregierung«. Neu sei lediglich, dass Kanzlerin Angela Merkel »eine gute Miene zu diesem bösen Spiel macht, Verständnis für die armen Griechen heuchelt« und erneut das Scheitern Europas an die Wand male. Von realer Kompromissbereitschaft könne in Berlin »dagegen keine Rede sein«. Die Linkenpolitikerin zählte die Bundesregierung »zu den radikalsten Einpeitschern der Erpressungspolitik gegenüber Griechenland«. Merkel wolle die Schulden »als Hebel« nutzen, »um einen Ausverkauf öffentlichen Eigentums zugunsten deutscher Konzerne zu organisieren. Große Banken und Oligarchen sollen sich weiter bereichern dürfen, während die Mittelschicht und die Verbraucher geschröpft werden, die Beschäftigten für weniger Geld länger arbeiten müssen, gewerkschaftliche und soziale Rechte geschleift werden und die Demokratie über Deregulierungsabkommen wie TTIP vollends zerstört wird«. Die Aufgabe der Linken sei es, »diesen Merkel-Plan zu durchkreuzen«.
Update 7 Uhr: Linksfraktionschef Gregor Gysi hat vor einem Treffen mit dem SYRIZA-Vorsitzenden und griechischen Premier Alexis Tsipras Spielraum für Investitionen in Griechenland gefordert. »Bisher haben wir das Geld immer den Banken zur Verfügung gestellt, dann haben sich die Großgläubiger darüber ihre Forderungen befriedigt«, sagte Gysi. »Ich hätte die Banken pleite gehen lassen und lieber den Kontoinhabern bis zu einer bestimmten Größenordnung alles erstattet - den Bürgerinnen und Bürgern und den kleinen und mittleren Unternehmen. Und die Großgläubiger hätten dann eben mal dran glauben müssen. Sie haben ja auch so viel spekuliert. Das Geld ist ja nie an die Griechinnen und Griechen geflossen. Geld muss fließen für Investitionen - und zwar in die Bildung, in die Schiffsindustrie und in den Tourismus. Dann hat Griechenland höhere Einnahmen und kann alles zurückbezahlen.«
Update 6.50 Uhr: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat EU-Hilfen für ein Wachstumsprogramm in Griechenland gefordert. »Griechenland braucht dringend Investitionen und Wachstum, um Verbesserungen für die Menschen zu erreichen«, sagte Schulz der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post«. Die soziale Lage in dem Land sei für viele Menschen dramatisch, ein Drittel lebe an oder unter der Armutsgrenze. »Hier kann nicht mehr weiter eingespart oder gekürzt werden«, betonte Schulz. »Um vor allem die katastrophal hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sollten die EU zügig Gelder aus der Europäischen Beschäftigungsinitiative für junge Menschen bereitstellen.« Auch aus den EU-Strukturfonds oder dem von Jean-Claude Juncker aufgelegten 315 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm könnten Gelder schnell und gezielt mobilisiert werden, meinte Schulz. Dies gelte »gerade für die Bereiche wie Infrastruktur, Tourismus oder erneuerbare Energie«. Schulz mahnte zugleich, Griechenland müsse »alles dafür tun, um unversteuert ins Ausland geschaffte Steuergelder in Milliardenhöhe aufzuspüren« und »umfangreiche Reformen« leisten.
Tsipras trifft Politiker von Linkspartei und Grünen
Berlin. Mehrere Stunden lang haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der griechische Regierungschef Alexis Tsipras am Montagabend zu Gesprächen zurückgezogen. Von »guter und konstruktiver Atmosphäre« war danach die Rede. Themen seien die Situation Griechenlands, die Arbeitsweise der EU sowie die künftige bilaterale Zusammenarbeit gewesen. Am Dienstag trifft sich Tsipras nun mit Vertretern der Oppositionsparteien. Am Vormittag will er zunächst mit der Parteichefin der Linken, Katja Kipping, und dem Vorsitzenden der Linken-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, zusammenkommen. Am Nachmittag ist unter anderem eine Begegnung mit den beiden Parteivorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir und Simone Peter, sowie der stellvertretenden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Ska Keller, geplant. Themen der Gespräche dürften Griechenlands Finanzlage und der Reformweg des hochverschuldeten Landes sein.
Tsipras: »Wir wollen eine Entwicklungsagenda« Griechenlands Premier bekräftigt Forderung nach Wiedergutmachung: vor allem eine moralische Frage / Bericht über Reformpläne von SYRIZA: Steuererhöhungen und Rente mit 67? - Der Newsblog vom Montag zum Nachlesen
Das Gespräch zwischen Tsipras und Merkel war mit Spannung erwartet worden, allerdings waren schon zuvor Erwartungen gedämpft worden, dass es konkrete Ergebnisse geben könne. Die Unterredung hatte gegen 19 Uhr begonnen und endete kurz vor Mitternacht. Bei einer Pressekonferenz am Montagabend hatte Tsipras erklärt, dass Athen zwar alle Vereinbarungen einhalten wolle - auch jene, die der SYRIZA-geführten Regierung nicht gefallen. Er forderte aber andere Prioritäten. »Wir brauchen einen neuen politischen Mix.« Die Prioritäten der Regierung in Athen lägen auf sozialen Zusammenhalt, sagte Tsipras mit Blick auf die Diskussionen über die Bedingungen des verlängerten Kreditprogramms.
Zuvor hatte Tsipras an fünf Jahre »Rettungsprogramm« erinnert. Dieses sei für Griechenland keine Erfolgsgeschichte gewesen, sondern habe schreckliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft sowie enorme soziale Verwerfungen hervorgebracht. Tsipras erklärte, es gebe dafür auch interne Ursachen. Die SYRIZA-geführte Regierung strebe einen neuen politischen Mix an, um diese von den Vorgänger-Koalitionen hinterlassenen Übel zu beseitigen. Dazu wolle man Reformen umsetzen, die auf Steuergerechtigkeit sowie die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Korruption zielten. Er bat die Kanzlerin zugleich um justizielle Hilfe der Bundesregierung bei der Bekämpfung von Korruption.
Zu den bilateralen Beziehungen mit Deutschland sagte Tsipras, es sich wichtig nicht übereinander, sondern miteinander zu sprechen. Es gebe keine Alternative zum Dialog, so der Premier. Das Treffe mit Merkel solle dazu dienen, eine gemeinsame Basis zu finden. Dazu gehöre die Anerkenntnis, dass man politische Prioritäten ändern könne. Fiskalische Anpassungen seien für SYRIZA nur bei gleichzeitiger sozialer Gerechtigkeit denkbar. Tsipras forderte dazu auf, von Stereotypen wegzukommen, die in beiden Ländern über die jeweils andere Seite herrschten. »Weder sind die Griechen Faulenzer, noch sind die Deutschen Schuld an den Missständen in Griechenland«, so Tsipras.
Tsipras hatte nach dem ersten Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Nachmittag auch die Forderung nach Wiedergutmachung für die erlittenen NS-Verbrechen bekräftigt. Es handele sich hierbei nicht in erster Linie um eine materielle Frage, sagte Tsipras am Montagabend in Berlin - sondern um ein Thema, das Griechenland aus moralischen Gründen wichtig ist. Der SYRIZA-Chef machte klar, dass seine Regierung die Verpflichtungen aus den Verträgen mit den europäischen Gläubigern respektiert, auch wenn der Inhalt dieser Vereinbarungen nicht gefalle.
Merkel drängte Griechenland erneut, Reformen umzusetzen. Sie verwies zugleich darauf, dass es nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein könne, die von der Athener Regierung geplanten Maßnahmen zu bewerten. Dies sei Sache der Institutionen aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Die Kanzlerin sagte, es sei auch im Interesse der Bundesregierung, dass das Wirtschaftswachstum in Griechenland wieder anziehe. Auch sei ihr an der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sehr gelegen. Die Beziehungen zu Griechenland seien ein Baustein des großen Friedenswerkes Europa, so Merkel. Forderungen nach weiteren Entschädigungen für Nazi-Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs wies sie strikt zurück. Agenturen/nd http://www.neues-deutschland.de/artikel/...-2-milliarden-zurueck.html
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