Aus der FTD vom 19.2.2003 Opposition schimpft Schröder einen Umfaller Von Gerrit Wiesmann, Claus Hulverscheidt und Karin Nink, Berlin
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat den Vorwurf einer außenpolitischen Kehrtwende zurückgewiesen. Die Passage über die Anwendung von Gewalt als letztes Mittel gegen Irak in der EU-Erklärung vom Montag bezeichnete Schröder als "abstrakte Aussage".
nicht das Originalfoto dieses Artikels! Gerhard Schroeder Der Umfaller Auf dem EU-Sondergipfel am Montagabend hatte der Kanzler trotz seiner Ablehnung eines Irak-Kriegs eine EU-Erklärung unterstützt, die sich zur Anwendung von Gewalt "nur als letztes Mittel" bekennt. "Die deutsche Position hat sich in keiner Weise verändert", sagte Schröder gestern. Außenminister Joschka Fischer erklärte: "Wir bleiben unserer Friedenspolitik verpflichtet."
Obwohl die Bundesregierung bereits Anfang vergangener Woche eine gleich lautende Feststellung in der deutsch-französisch-russischen Erklärung zur Irak-Krise unterstützt hatte, sorgte die deutsche Unterstützung für die neue EU-Erklärung am Dienstag für Wirbel. CDU-Chefin Angela Merkel sagte, Schröder sei von den EU-Partnern zu einem Kurswechsel gezwungen worden. CSU-Chef Edmund Stoiber nannte Schröder einen "Umfaller".
Erler sieht deutsche Position gestärkt
Die SPD-Fraktion steht nach Angaben ihres stellvertretenden Vorsitzenden Gernot Erler aber weiterhin geschlossen hinter dem Anti-Kriegs-Kurs des Kanzlers. Es bleibe auch nach der EU-Erklärung bei einem kategorischen Nein zum Krieg, sagte er am Dienstag am Rande einer Fraktionssitzung, bei der Schröder die Abgeordneten über die Ergebnisse des Gipfels informierte. Nach Ansicht Erlers wurde die Haltung des Kanzlers sogar gestärkt: Weder Berlin noch Paris würden eine zweite Uno-Resolution unterstützen, die als Kriegsmandat verstanden werden könne.
Angela Merkel CDU-Chefin Merkel forderte allerdings die Regierung auf, ihr Verhalten im Uno-Sicherheitsrat zu ändern. Schröders Äußerung von Goslar, Deutschland werde einer den Krieg legitimierenden Resolution niemals zustimmen, gelte nicht mehr. Merkel bekräftigte ihre innerhalb der Union umstrittene Haltung, wonach sich Deutschland bei einem Uno-Mandat militärisch an einem Krieg beteiligen solle. Dies hatte Stoiber im Bundestagswahlkampf noch eindeutig abgelehnt.
Glos fordert Erklärung im Bundestag
Dennoch verlangte nun auch der bayerische Ministerpräsident von Schröder, seine Wahlkampfaussagen zu revidieren. Der Kanzler habe mit der EU-Erklärung auch in der Außenpolitik jede Glaubwürdigkeit verspielt. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, verlangte noch für diese Woche eine Bundestagsdebatte über die Ergebnisse des EU-Gipfels. Schröder müsse seinen "Schwenk" dem Parlament und vor allem den eigenen Reihen erklären. Offensichtlich habe die Regierung aber Angst vor einer Debatte, weil dann der nächste "Wahlbetrug" offenkundig würde.
In der SPD-Fraktion hat Schröder nach Auskunft von Teilnehmern die Passage zur Gewalt als "abstrakte" Aussage beschrieben. Die Regierung sei nicht von ihrer Ablehnung eines Kriegs abgerückt, werde diese Position auch in allen internationalen Gremien durchhalten. Mit der Hilfe Deutschlands sei beim Sondergipfel vereinbart worden, dass die Arbeit der Uno-Waffeninspektoren nicht zeitlich befristet werde, habe Schröder gesagt. Angesichts der unterschiedlichen Standpunkte innerhalb der EU sei klar gewesen, dass die deutsche Position nicht in "Reinkultur" übernommen werden konnte.
Kriegsgegner sind zufrieden
Auch dezidierte Kriegsgegner in der rot-grünen Koalition gaben sich damit zufrieden. Grünen-Fraktionsvize Hans Christian Ströbele nannte die Feststellung über den Gebrauch von Gewalt "gerade noch eben tolerabel". Der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer sagte der FTD: "Niemand in dieser Regierung hat jemals gesagt, dass wir Krieg prinzipiell als allerletztes Mittel ausschließen würden." Rücke man von der "abstrakten Aussage" zur Gewalt ab, entdecke man aber bei einer "konkreten Bewertung" der Abrüstung in Irak: "Es gibt keinen Grund für Krieg."
Ob die EU-Erklärung zu einer gemeinsamen Bewertung Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Spaniens im Uno-Sicherheitsrat führen könnte, wollte kein SPD-Politiker vorhersagen. Schröder sagte, man müsse "mal abwarten", wie die Debatte nach dem nächsten Bericht der Uno-Waffenkontrolleure laufen werde. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sagte: "Es wird immer Aktionen geben, an denen sich nicht alle beteiligen wollen oder können."
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