Sitzen Sie, lieber Leser? Falls nicht, dann sollten Sie sich setzen. Im Notfall täuschen Sie in der überfüllten U-Bahn einfach einen Kreislaufkollaps vor, damit Ihnen der nächstbeste Fahrgast den Sitzplatz überlässt. Denn was jetzt kommt, ist kein Tippfehler: 254 Prozent. Das ist die Performance, die C.A.T. Oil YTD aufs Börseparkett zauberte, wiewohl die Katze eigentlich erst im September so richtig aus dem Sack gelassen wurde. Die Folge: Es hagelte Analystenherabstufungen ohne Ende – erst kürzlich von der Erste Group, bereits Anfang Oktober von der Deutschen Bank, die ihre Verkaufsempfehlung mit dem "nicht erklärbaren Kurssprung von 78 Prozent im September" begründeten. Klar, angesichts dieses Höhenflugs zieht man schon intuitiv eine Augenbraue hoch, aber alles ist bekanntlich auch immer eine Frage der Perspektive: Zunächst liegt der Kurs von aktuell 7,3 € seit Anfang 2008 noch immer über 60 Prozent unter Wasser. Zudem ist er noch meilenweit vom IPO-Kurs 2006 entfernt – lag er anno dazumal doch bei 15. Und gemessen am engen Kreis der Peers, bestehend aus Eurasia Drilling und Integra, wird das Staunen erst recht relativ: Letztere haben YTD auf Euro-Basis nämlich satte 353 – inklusive Dividende sogar 385 – bzw. immerhin 241 Prozent hingelegt. Die Frage: Wie erklärbar ist der Kurssprung demnach tatsächlich?
Die Katze zeigt ihre Krallen.
Als C.A.T. Ende August die zweite Quartalsbilanz publizierte, wurde definitiv der Grundstein für die Rally gelegt – die Highlights: Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorquartal um über 18 und das EBITDA dank einer Reihe an kostensenkenden Maßnahmen um fast 80 (!) Prozent auf 14,3 Millionen €. Im Halbjahresvergleich konnte infolge die EBITDA-Marge um 140 Basispunkte auf 19 Prozent erhöht werden. Unglücklicherweise schmolzen EBIT genauso wie EBIT-Marge wegen eines Anstiegs der Abschreibungen von 10,8 auf 13,5 Millionen wie das Eis in der Sonne. Die diesbezüglich gute Nachricht: CEO Manfred Kastner strich das Investitionsbudget auf das unbedingt erforderliche Maß zusammen (im Halbjahresvergleich 2008/2009: 19,8 zu 6,4 Millionen €), was sich zukünftig positiv auf den Abschreibungsposten auswirken sollte.
Apropos Investitionen: Die Bilanzvorlage ist nicht zuletzt auch deshalb beeindruckend, weil gerade die Energiegiganten Russlands, mit denen C.A.T. 99 Prozent des Umsatzes macht, ihre Kapitalausgaben ebenfalls dramatisch senkten. Laut Schätzungen des Researchhauses KITFinance dürften sie heuer im Vergleich zu 2008 im Schnitt um 20 Prozent zurückgehen. Bestes Beispiel: Der staatliche russische Ölkonzern Rosneft, der mit einem Anteil von 36 Prozent 2008 größter C.A.T-Umsatzbringer war, stutzte im ersten Halbjahr seine Kapitalausgaben krisenbedingt um zehn Prozent. Lukoil und Gazpromneft, ebenfalls Teil des Kundenstamms, traten sogar um ca. 50 Prozent auf die Investitionsbremse. Gut, dass sich der Preis für russisches Benchmark-Öl seit dem Februar-Tief von ca. 38 auf über 77 $ je Fass verdoppelte, denn das hat nicht nur der Aktie psychologisch gut getan, sondern deutet auf die Wende in Sachen Capex hin.
Die richtigen Kunden.
Erste Bestätigung kommt von zwei Fronten: Bereits Ende September belief sich das C.A.T.-Auftragsbuch 2009 auf 228 Millionen € – was die Schätzungen um 6,5 Prozent übertrifft und immerhin bereits 83 Prozent des 2008er-Niveaus entspricht. Zudem legte TNK-BP als erster russischer Ölkonzern jüngst seine dritte Quartalsbilanz vor. Abgesehen davon, dass an ihr generell nicht viel auszusetzen war, mutet eines für die C.A.T-Zukunft positiv an: TNK-BP – als zweitgrößter Umsatzbringer – erhöhte die organischen Investitionen im dritten Vierteljahr um 50 Prozent von 556 auf 831 Millionen €. Inwieweit sich die steigenden Capex-Budgets bereits auf das dritte Quartalsergebnis von C.A.T. Oil – die Zahlen gibt’s am 30. November – auswirken werden, ist zwar fraglich, aber generell sieht es nicht schlecht aus: Sofern die operative Stärke – allen voran das effiziente Kostenmanagement – beibehalten werden konnte, spricht mit Ausnahme des nach wie vor negativen Basiseffekts beim Rubel, der wegen der krisenbedingten Schwäche das Zahlenwerk massiv belastet, alles für ein starkes Ergebnis. Und auch mittelfristig stehen die Sterne gut: Sollte sich an der Erholung nicht dramatisch etwas ändern, dürfte Öl diesseits der 60-Dollar-Marke bleiben, der Rubel seine Aufwärtsbewegung zum Euro fortsetzen und damit die C.A.T. Oil-Aktie unterstützen.
Fazit.
Die C.A.T.-Rally hatte nicht nur einen Grund, sondern gleich mehrere. Neben der bereits erwähnten fundamentalen Basis sind die Titel zudem nach wie vor unterbewertet: Im Vergleich mit den Mitgliedern des Bloomberg Leaders Oil & Gas Service Index hat C.A.T. gemessen am Verhältnis zwischen Unternehmenswert (EV) zu geschätztem Umsatz 2010 ein Potenzial von fast 14 Prozent. Wer bereits investiert ist, sollte in jedem Fall ein Stop-Loss bei ca. 5,6 € setzen. Wer es nicht ist, kann einsteigen – muss sich aber bewusst sein: Der größte Risikofaktor ist Russland und Premier Putin alles, nur nicht berechenbar. |