An den Börsen wird die Luft dünner
Von Ulf Sommer
An den Börsen geht die schwankungsarme Zeit stetig steigender Kurse zu Ende. Seit dem Hoch Ende Februar büßte der Index rund 200 Punkte ein. Grund für die plötzliche Schwäche ist die sinkende Gewinndynamik der Konzerne. Dadurch werden Aktien weniger attraktiv.
DÜSSELDORF. Im laufenden Jahr werden die 30 Dax-Unternehmen ihr Ergebnis nach Einschätzung des Finanzdatenspezialisten JCF nur noch um zwölf Prozent erhöhen. Im vergangenen Jahr betrug die Steigerung noch 20 Prozent. 2004 und 2005 gab es die seltene Situation, dass die Firmengewinne um 110 Prozent stiegen, die Kurse aber „nur“ um 40 Prozent. Dadurch verbilligten sich die Aktien. Doch seit Beginn dieses Jahres droht sich die Relation umzukehren. Die Kurse stiegen schon um sechs Prozent – das ist bereits die Hälfte der prognostizierten Gewinnsteigerungen der Konzerne im gesamten Jahr.
Für Finanzmarktexperten bieten sich nun zwei Szenarien für die Börsen an. Entweder halten die Kurse Schritt mit der sinkenden Gewinndynamik und legen im Jahresverlauf kaum noch zu.
Oder die Bewertung der Aktien steigt. Letzteres ist gut möglich, denn Aktien sind dank der exorbitanten Firmengewinne in den vergangenen Jahren preiswert.
Durchschnittlich bezahlen Investoren die 30 Dax-Titel mit dem Zwölffachen des erwarteten Gewinns (KGV). Üblich ist das 14- bis 15fache. „Die KGV-Bewertung zeigt weiterhin eine deutliche Unterbewertung an“, sagt Christian Kahler von der DZ-Bank. Er sieht den Dax deshalb wie die meisten anderen Investmenthäuser weiter steigen – allerdings nur noch sehr moderat.
Die Experten der DZ-Bank wie die der Deutschen Bank sehen den Deutschen Aktienindex (Dax) bis Jahresende bei 6 100 Punkten. Pessimistischer ist die BayernLB mit 5 900 Zählern, optimistischer M. M. Warburg mit 6 300 Zählern. Zumindest als Jahreshoch rechnet damit auch die Commerzbank. Gegenüber dem aktuellen Niveau wäre das ein Plus zwischen drei und zehn Prozent. Seit Jahresbeginn legte der Dax bereits um sechs Prozent zu.
Für deutsche Aktien spricht, dass die Blue Chips auch nach dem langen Börsenaufschwung in den vergangenen drei Jahren niedrig bewertet sind. Grund dafür ist die enorme Gewinndynamik der Unternehmen. Schwächt sich diese aber ab, wie Analysten prognostizieren, dann sorgen steigende Kurse für höhere Bewertungen. Das macht Aktien unattraktiver und die Börsen schwankungsanfälliger.
Um 75 Prozent hatten die Konzerne im Dax 2004 ihre Gewinne gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Ein Jahr später waren es 20 Prozent, und 2006 dürften es zwölf Prozent sein. Das sind die Durchschnittsprognosen aller großen Investmentbanken, die der Finanzdatenspezialist JCF errechnet hat. Der Trend ist eindeutig: Die Dynamik lässt nach.
Das bleibt für den Dax nicht ohne Folgen. Denn die Bewertung der Aktien bemisst sich am Nettogewinn der Unternehmen in Relation zum Aktienkurs, dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). 2004 und 2005 gab es die seltene Situation, dass die Gewinne um 110 Prozent, die Kurse aber „nur“ um 40 Prozent stiegen. Dadurch verbilligte sich der Dax.
Doch die Situation ist in diesem Jahr anders. Entweder steigen die Kurse langsamer als in der Vergangenheit, oder die Bewertung legt zu. Letzteres ist gut möglich, denn Aktien sind preiswert. Durchschnittlich bezahlen Investoren die 30 Dax-Titel mit dem Zwölffachen des erwarteten Gewinns. Historisch üblich ist das 14- bis 15fache. Der Abschlag beträgt also bis zu 20 Prozent. Zwischen 6 500 und 6 800 Punkten wäre der Dax „fair“ bewertet.
„Trotz der jüngsten Rally sind derzeit die Chancen größer als die Risiken“, glaubt daher Carsten Klude von der Privatbank M.M. Warburg. Und Christian Kahler von der DZ-Bank meint, dass die „niedrige Bewertung“ zu viel Pessimismus hinsichtlich der Konjunkturentwicklung reflektiere. Doch niemand kann sagen, ob und wann die Märkte zu ihrer „fairen“ Bewertung zurückkehren.
Bleiben die Unternehmensgewinne. Frühere Konjunkturzyklen zeigen, dass sich der nun schon fast drei Jahre währende Gewinnzyklus zu Ende neigt. DZ-Bank-Stratege Kahler rechnet damit frühestens im Sommer. Auf Basis empirischer Vergleiche sei damit zu rechnen, dass es zu einer Seitwärtsbewegung bei den Unternehmensgewinnen kommt, die sich über einige Quartale hinziehe. Weil die Bewertung diesmal aber niedriger als in Vergleichszeiträumen ist, rechnet Kahler auch bei einem Rückgang der Firmengewinne nicht mit einer längeren Konsolidierung oder gar Korrektur am Aktienmarkt. Vielmehr werde der Dax weiter, aber nur noch moderat steigen.
Quelle: Handelsblatt |