07. Januar 2009 Nichts hilft einem müden Aktienkurs mehr, als ein kräftiger Stellenabbau. Diese zynisch erscheinende Börsenweisheit scheint sich im Fall des amerikanischen Aluminiumkonzerns Alcoa wieder einmal zu bewahrheiten. Allerdings stimmt diese Beobachtung nur auf den ersten Blick.
13.500 Stellen will der deutsche Konzernchef Klaus Kleinfeld - eine Zeitlang Vorstandsvorsitzender von Siemens - bis Jahresende streichen. Das entspricht 13 Prozent aller Arbeitsplätze. Allerdings scheinen die Jobs weniger einem Kostensenkungsprogramm zum Opfer zu fallen als zunächst einer schlichten Drosselung der Produktion. Und tatsächlich schloss der Aktienkurs an der New Yorker Börse 2,2 Prozent im Plus bei 12,12 Dollar.
Börse nicht so zynisch wie gedacht
Allerdings ist die Börse in diesem Fall nicht so zynisch, wie den Marktteilnehmern ansonsten gerne nachgesagt wird. Denn Alcoa gab die Mitteilung erst nach dem Ende der offiziellen Börsensitzung bekannt, und im nachbörslichen Aktienhandel in New York fiel der Kurs um 3,6 Prozent auf 11,69 Dollar.
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An der Wall Street verpuffen 7 Billionen Dollar Anleger ignorieren schlechte Nachrichten bei Auto-Aktien BHP Billiton: Eine schwere Last fällt von der Aktie Autozulieferer am Abgrund Schraubverschluss schlägt Naturkorken Der Rechnung „Stellenabbau stützt Aktienkurs“ liegt die Erwartung zugrunde, ein beherztes Programm zur Kostensenkung werde das betreffende Unternehmen vor schlimmeren Folgen bewahren und in die Gewinnzone zurückführen - und nicht nur die restlichen Arbeitsplätze sicherer machen, sondern auch den Aktienkurs wieder nach oben bringen.
In diesem Fall gehen die Marktakteure offenbar nicht davon aus, dass diese Rechnung bei Alcoa aufgehen wird. Selbst Kleinfeld musste einräumen: „Dies sind außerordentliche Zeiten, die Schnelligkeit und Entschiedenheit verlangen, um gegen die gegenwärtige Wirtschaftskrise vorzugehen“, wird er in der Mitteilung von Alcoa zitiert.
Kann Kleinfeld sein Kostenziel erreichen?
Auch an den Aktienmärkten scheinen viele Marktteilnehmer daran zu zweifeln, dass Kleinfeld Alcoa in diesem knapp bemessenen Zeitrahmen aus der Krise herausführen kann und dass der Aktienkurs noch längere Zeit unter der mangelnden Nachfrage nach Rohstoffen leiden wird, wenn die Weltwirtschaft tatsächlich so heftig einbricht, wie es viele befürchten.
Zunächst werden wohl die Aktionäre der deutschen Konzerne leiden müssen, die vom Verkauf von Industrierohstoffen leben. Dies sind vor allem die beiden Stahlkonzerne Thyssen-Krupp und Salzgitter. Dabei hatte sich Thyssen-Krupp über die Presse bemüht, Optimismus zu verbreiten: Der Finanzvorstand der Stahlsparte, Peter Urban“, sagte in der heutigen Ausgabe des „Handelsblatts“, dass er trotz des zurückliegenden schwachen Quartals mit einem Anstieg des Auftragseingangs Anfang 2009 rechnen, auch wenn sich die Zahlen weiter auf insgesamt niedrigem Niveau bewegten. Die Monate Oktober und November seien allerdings „extrem mies“ ausgefallen. Ein ungenannter Händler kommentierte diese Aussage laut Nachrichtenagentur dpa-AFX mit den Worten: „Das Fünkchen Hoffnung aus dem Interview sollte reichen, um die Aktien weiter anzutreiben.“ Seit Ende November bewege sich der Kurs ohnehin solide aufwärts.
Am Mittwoch lag die Aktie von Thyssen-Krupp im frühen Handel 1,7 Prozent im Minus bei 20,15 Euro, während Salzgitter um 0,8 Prozent auf 60,74 Euro nachgaben.
Jahreshoch in weiter Ferne
Der Aktienkurs von Alcoa hat sich in den vergangenen Wochen ebenfalls stabilisiert. Seit dem Oktober pendeln die Notierungen um die Marke von 10 Dollar und haben sich zuletzt von dem Jahrestief von 6,80 Dollar entfernt. Das klingt auf den ersten Blick hervorragend: Ein Plus von 78 Prozent in wenigen Wochen verzeichnet die Aktie. Doch aufs Jahr gesehen liest sich das anders: Da hat der Titel 64 Prozent an Wert verloren. Das Jahreshoch von 44 Dollar ist damit in weite Ferne gerückt.
Wichtiger als die Charttechnik dürften derzeit wohl die fundamentalen Aspekte wiegen. Und die sehen für Alcoa nicht gut aus. Die schwache Nachfrage nach Industrierohstoffen wird den Aktienkurs weiterhin belasten. Es sei denn, Kleinfeld sollte es tatsächlich gelingen, die Kosten schneller zu drücken als der Umsatz sinkt. Für spekulativ eingestellte Anleger mag diese Wette klingen. Allen anderen Anlegern könnte ein Einstieg in die Alcoa-Aktie zum jetzigen Zeitpunkt noch arg riskant erscheinen. |