Gründe, die für die Abschaffung der Todesstrafe sprechen Warum sind Mitglieder von ai gegen die Todesstrafe? Die britische Sektion hat die Gründe für unsere Ablehnung gegen diese Strafe zusammengefaßt. Sie haben an Aktualität nichts verloren.
Grausamkeit:
Die Todesstrafe ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Form der Bestrafung. Sie ist die Verweigerung des Rechts auf Leben, das in der internationalen Menschenrechts-Konvention festgelegt und von vielen Staaten anerkannt ist.
Keine Hinrichtung kann völlig schmerzlos durchgeführt werden und bei allen verfügbaren Methoden wie elektrischer Stuhl, tödliche Injektionen, Hängen usw. kann es Minuten dauern, bis der Delinquent wirklich tot ist.
Joh. Gewiss Evas wurde im April 1983 in Alabama auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet, nachdem er 1977 des Mordes schuldig gesprochen worden war. Nach Augenzeugenberichten brauchte es 3 Stromstöße von 1900 Volt, und das 14 Minuten lang, bis er offiziell für tot erklärt werden konnte. Während des ersten Stromstoßes brannte die Elektrode an seinem Fuß durch und fiel herunter. Nachdem die Ärzte feststellten, daß er noch nicht tot sei, wurde sie vom Gefängniswärter repariert. Während des zweiten Stromstoßes kamen aus seiner Schläfe und seinem Bein Flammen. Den dritten Stromstoß erhielt er, nachdem Ärzte seine Brust mit einem Stethoskop untersucht hatten und noch immer Unsicher waren, ob er wirklich tot sei.
Das Strafgesetzbuch im Iran legt fest: "Bei einer Steinigung dürfen die Steine nicht zu groß sein, damit der Verurteilte nicht schon vom ersten oder zweiten Stein getötet wird; sie sollen aber auch nicht so klein sein, daß man sie nicht mehr als Steine bezeichnen kann."
Die Todesstrafe ist "der vorsätzlichste Mord, mit dem kein geplantes Verbrechen verglichen werden kann. Um einen Vergleich zu ziehen: Die Todesstrafe müßte einen Verbrecher bestrafen, der sein Opfer vorher genau über den Zeitpunkt seines Todes informieren würde und es von diesem Zeitpunkt an auf Gnade und Ungnade ausgeliefert wäre. Im gewöhnlichen Leben aber findet man eine solche Bestie nicht." - Albert Camus (franz. Philosoph und Dichter)
Unwiderruflichkeit:
Jede Hinrichtung ist unwiderruflich und kann auch einen Unschuldigen treffen. Es gab schon viele Fälle, in denen Unschuldige verurteilt worden sind. In den letzten Jahren wurden in Großbritannien verurteilte "Mörder" freigelassen, die jahrelang im Gefängnis verbracht hatten. Man fand nämlich heraus, daß die Beweise, die bei Gericht vorgelegt wurden, zweifelhaft waren. Sie wären aber gehängt worden, falls die Todesstrafe zur Zeit ihrer Verurteilung in Kraft gewesen wäre:
Patrick Meehan erreichte 1976 seinen Freispruch, nachdem er 6 Jahre einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Mordes an einer alten Dame verbüßt hatte. Ihr Mörder war zur Tatzeit maskiert und Meehan wurde bei einem Lokalaugenschein aufgrund seiner Stimme als Täter identifiziert. Er wurde erst freigelassen, nachdem ein anderer Mann diesen Mord gestanden hatte. Wäre sein Fall einige Jahre früher vor Gericht gekommen, wäre Meehan vielleicht hingerichtet worden.
Timothy Evans wurde 1950 wegen Mordes an seiner Tochter gehängt. Wahrscheinlich aber wurde dieser Mord von John Christie begangen, der 1952 wegen Mordes an 7 Personen gehängt worden war. Man vermutet, daß Christie die Tochter Evans in dem Haus, das er mit Evans gemeinsam bewohnte, ermordete. Weil jedoch beide Männer tot sind, kann nun nicht mehr herausgefunden werden, ob es sich dabei um einen Justizirrtum handelt. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich. Die Königin begnadigte deshalb Evans posthum; dies wurde auch im Parlament verlautbart.
Es besteht auch die Gefahr, daß jemand hingerichtet wird, der für seine Taten nicht verantwortlich gemacht werden kann. Auf Jamaika und in den USA wurden ( und werden immer noch! Anm. d. Übers.) Häftlinge zum Tod verurteilt, obwohl sie für geisteskrank erklärt wurden oder Zeichen von Geisteskrankheit gezeigt hatten.
Diskriminierung:
An Armen und Angehörigen von Minderheiten wird die Todesstrafe unverhältnismäßig oft angewendet. Augenscheinlich wird dies in den USA. Statistiken aus dem Jahr 1980 zeigen, daß in Kalifornien 42% des Mordes angeklagte arbeiter zum Tod verurteilt wurden. Unter gleichen Anschuldigungen wurden jedoch nur 5% Angestellte hingerichtet.
"Weil ich kein Geld habe, gibt es keine Gerechtigkeit für mich, und deshalb werde ich auch hingerichtet", sagte Neville Carter kurz bevor er 1987 auf Jamaika gehängt wurde.
Eine Untersuchung von Prof. Barend van Niekerk von der Natal Universität in Südafrika in den späten 60er Jahren weist mit Nachdruck darauf hin, daß bei schwarzen Angeklagten die Wahrscheinlichkeit eines Todesurteils viel höher ist als bei weißen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn auch das Opfer weiß ist. Er wurde wegen der Veröffentlichung seiner Untersuchungsergebnisse verurteilt, 1970 jedoch wieder freigesprochen. In seinem Prozeß wies er auf die Tatsache hin, daß zwischen 1947 und 1966 288 Weiße wegen Raubes an Schwarzen überführt wurden, jedoch 844 Schwarze wegen Raubes an Weißen. Keiner der Weißen wurde zum Tod verurteilt, aber die 844 Anklagen gegen die Schwarzen führten zu 121 Todesurteilen.
Abschreckung:
Die Todesstrafe hat niemals eine abschreckende Wirkung gezeigt. Statistische Untersuchungen und deren wissenschaftliche Auswertung konnten keine Beweise über die abschreckende Wirkung der Todesstrafe erbringen.
Es gibt auch keine Beweise dafür, daß durch die Abschaffung der Todesstrafe die Zahl der Gewaltverbrechen und Morde ansteigen würden. Aus einer Untersuchung der Vereinten Nationen, die 1980 veröffentlicht wurde, ergibt sich kein stichhaltiger Beweis, der für die Beibehaltung der Todesstrafe gesprochen hätte.
Unter dem Deckmantel der Todesstrafe werden in scheinbar zivilisierter Form oft Rache und Vergeltung geübt.
Es ist moralisch verwerflich, wenn man argumentiert, der Gesellschaft stünde aus grundsätzlichen Überlegungen das Recht zu, eine Person zu töten, um damit das Verhalten der anderen zu beeinflussen.
Albert Pierrepoint, der in Großbritannien 25 Jahre lang 1. Henker war, sagte: "All die Männer und Frauen, denen ich in ihrem letzten Augenblick gegenüberstand, haben mich davon überzeugt, daß ich mit meiner Tätigkeit keinen einzigen Mord verhindern konnte."
In Ländern, in denen die Todesstrafe abgeschafft wurde, konnte man keinen Anstieg von Gewaltverbrechen feststellen. Im Gegenteil: In einer Studie aus dem Jahr 1983 wird die Anzahl der Morde in 14 Ländern nach der Abschaffung der Todesstrafe untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß nach der Abschaffung die Morde um die Hälfte abnahmen. Eine New Yorker Studie über Morde aus dem Jahr 1980 zeigt auf, daß zwischen 1903 und 1963 nach nach jeder Hinrichtung eine Zunahme um zwei Morde pro Monat erfolgte.
Die Todesstrafe schreckt auch potentielle Terroristen von ihrem Vorhaben nicht ab. Psychiater, die eine Studie über Flugzeugentführungen gemacht haben, empfehlen dringend, die Todesstrafe in solchen Fällen nicht anzuwenden, da dadurch das Verbrechen noch spektakulärer erscheint. In einer ausweglosen Situation wird ein Terrorist eher alles blindlings zerstören, wenn er weiß, daß ihm die Todesstrafe droht. Die Todesstrafe kann sogar zu solchen Verbrechen ermutigen, die sie zu verhindern versucht. So wurden 1975 in Spanien 5 Terroristen hingerichtet, woraufhin in den 2 folgenden Wochen 9 Polizisten erschossen wurden.
Öffentliche Meinung:
Die öffentliche Meinung über die Todesstrafe ist geteilt; größtenteils wissen die Bürger auch über die wahren Tatsachen kaum Bescheid. Studien über die Todesstrafe von Kriminologen, Soziologen und Psychologen fordern deren Abschaffung. Deshalb muß die öffentliche Meinung von der Gesetzgebung beeinflußt werden.
Die Anwendung der Todesstrafe kann sogar den Schutz der Bevölkerung vermindern, weil durch ihre Verhängung die ganze Problematik vereinfacht dargestellt wird; diese beruht jedoch auf einer Vielzahl von Faktoren.
Alternative Möglichkeiten:
Eine Langzeitinhaftierung wird gewöhnlich als Alternative zur Todesstrafe gesehen. Es weist nichts darauf hin, daß eine lange Haft geringere Abschreckung für Gewaltverbrecher haben könnte. Diese hat auch zu keiner größeren Gefährdung des Gefängnispersonals oder der Bevölkerung geführt. Unter diesen Umständen ist es sehr wahrscheinlich, daß ein potentieller Mörder sein Verbrechen verübt, gleich ob ihm die Todesstrafe angedroht wird oder nicht.
Moralische Argumente:
Der Rachegedanke sollte in einem zivilisierten Strafrecht nicht vorkommen. Die Strafe ist bereits in sich ein Übel, das nur unter Bedachtnahme auf das Wohl der zu bestrafenden Person oder zur Förderung der sozialen Wohlfahrt gerechtfertigt ist. Keines von beiden profitiert aber von der Vollstreckung der Todesstrafe. Die Hinrichtung macht das Leben wertlos.
"Ich betrachte die Todesstrafe als eine barbarische und unmoralische Einrichtung, die die Moral und die gesetzlichen Fundamente einer Gesellschaft aushöhlt. Ferner weise ich die Ansicht zurück, daß die Todesstrafe irgendeine gewichtige Abschreckungswirkung auf mögliche Verbrecher hat. Ich bin überzeugt, daß genau das Gegenteil wahr ist: Grausamkeit gebiert nur wieder Grausamkeit." - Andrej Sacharow
Quelle: amnesty international - Britische Sektion
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