I m Hamburger Terrorprozess hat der Angeklagte Mounir El Motassadek über die Finanzströme innerhalb der Atta-Gruppe ausgesagt. Dabei nahm er am Mittwoch, dem zweiten Prozesstag, zu den Geldflüssen zwischen den Konten Stellung, über die möglicherweise die Vorbereitung der Taten am 11. September finanziert worden war.
Der 28-Jährige erzählte vor Gericht, wie er im Jahr 2000 auf Grund einer geheimnisvollen Anweisung 5000 Mark vom deutschen Konto des späteren Todespiloten Marwan Al Shehhi auf das Konto des mutmaßlichen Helfers von Mohammed Atta, Ramzi Binalshibh, überwies. Laut Motassadek bekam er im August 2000 während der Abwesenheit Al Shehhis, dessen Konto er verwaltete, einen Anruf. Eine arabische Stimme forderte ihn auf, sein Telefon auf Faxbetrieb zu schalten. Dann sei ein Fax von Binalshibh eingegangen, mit der Aufforderung, die 5000 Mark von Al Shehhis Konto auf das Konto von Binalshibh zu überweisen. Das Fax sei aus Jemen gekommen. Er habe die Anweisung befolgt, „was daraus wurde, weiß ich nicht“, so Motassadek.
Zuvor hatte er berichtet, dass er dem gesuchten mutmaßliche Gruppenmitglied Said Bahaji 1050 Mark geliehen habe, die später zurücküberwiesen worden seien.
Die Bundesanwaltschaft wirft Motassadek vor, unter anderem durch die Finanztransaktionen die Umsetzung der Anschläge unterstützt zu haben. Im weltweit ersten Terrorprozesses um die Attentate vom 11. September muss sich der Marokkaner seit Dienstag vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht verantworten. Die Bundesanwaltschaft beschuldigt den Familienvater, als Mitglied einer terroristischen Vereinigung um den Todespiloten Atta Beihilfe zum Mord in 3045 Fällen geleistet zu haben. Er soll sich um den Geldfluss zu den Todespiloten um Atta gekümmert haben, sowie ihre Abwesenheit aus Hamburg verschleiert haben.
Ausbildung in bin-Laden-Lager
Zu Beginn des Prozesses hatte Motassadek am Dienstag seine umfassende militärische Ausbildung in einem El-Kaida-Trainingslager gestanden. Der Angeklagte erklärte laut Medienberichten, sich im Jahr 2000 mehrere Wochen in Afghanistan aufgehalten zu haben. In einem Ausbildungslager von El Kaida bei Kandahar habe er eine „militärische Grundausbildung“ absolviert und dabei den Umgang mit einem Kalaschnikow-Maschinengewehr erlernt. „Es ist im Islam erwünscht, dass man das Schießen lernt“, begründete der Student seine Reise. Den Terrorpaten Osama bin Laden habe er nicht gesehen. Er habe die Reise bislang aus Angst vor dem Gefängnis bestritten.
Er sei Ende 1993 nach Deutschland gekommen und habe seit 1995 Elektrotechnik an der TU Hamburg-Harburg studiert, erklärte der 28-jährige Marokkaner in fließendem Deutsch.
Treffen mit Atta in der Moschee
Weil er sehr viele Leute in Hamburg gekannt habe, habe Atta ihm bei der Suche nach einer Wohnung geholfen, sagte der Angeklagte. Atta habe er bei regelmäßigen Gebeten in der Moschee 1996 näher kennen gelernt. Dabei sei über „religiöse und politische Themen“ gesprochen worden. Atta habe „besonders viel über die Religion gewusst“. Macht über andere habe er keine gehabt. „Er wurde aber durch sein Verhalten respektiert, nicht durch seine Meinung“, betonte Motassadek. „Er überzeugte uns als Person, war sehr ruhig und betete sehr regelmäßig.“
Motassadek bestritt alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe. „Gewalt kann nie etwas lösen“, beteuerte der Angeklagte. Auch bei seinen Gesprächen mit Atta hätten Gewalt oder Terror als Durchsetzung politischer Ziele nie eine Rolle gespielt.
Scharfe Sicherheitsvorkehrungen
Die Polizei hatte die Straßen vor Hanseatischen Oberlandesgericht zum Prozessauftakt für den Durchgangsverkehr gesperrt. Der Angeklagte wurde durch einen unterirdischen Gang aus dem benachbarten Untersuchungsgefängnis ins Gericht geführt und betrat den Verhandlungssaal durch eine zusätzlich gesicherte Stahltür. Äußerlich ruhig und gelassen begrüßte er seine Anwälte und nahm neben einem Dolmetscher für Arabisch Platz, der zuvor vereidigt worden war.
Die Vorwürfe der Anklage
Bundesanwalt Walter Hemberger bezeichnete Motassadek bei der Verlesung einer Kurzfassung der 90-seitigen Anklageschrift als „Statthalter“ der Hamburger Terrorzelle um Atta. „Er wirkte an den Plänen der Attentäter mit“, sagte er.
Motassadek sei als Helfer der Gruppe um Atta bis zuletzt in die Vorbereitung der Anschläge von New York und Washington eingebunden gewesen. Spätestens im Sommer 1999 habe er sich mit sechs weiteren muslimischen Studenten zu einer Terrorzelle um den späteren Todespiloten Atta zusammengeschlossen, aus der heraus die Anschläge des 11. September geplant und ausgeführt wurden, sagte Hemberger. Dabei sei das Ziel gewesen, „aus niedrigen Beweggründen“ Menschen zu töten. 23.10.02, 13:38 Uhr (Quelle: ap/dpa) |