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Erste Resultate der Phase IIb/III mit dem potenziellen Coronamedikament RLF-100 (Aviptadil) dürften ums Jahresende bekannt werden. Das teilt Verwaltungsratspräsident Ram Selvaraju auf Anfrage von «Finanz und Wirtschaft» mit. Sie werden Aufschluss über die Wirksamkeit und allfällige Nebenwirkungen geben.
Im August hatte Selvaraju noch auf Resultate im Oktober gehofft. Verzögerungen bei Medikamentenstudien sind nicht unüblich. Die Dauer hängt davon ab, wie schnell die vorgesehene Anzahl Patienten rekrutiert werden kann. Im Falle der Relief-Studie wurde die angepeilte Teilnehmerzahl ausserdem von 144 auf 165 erhöht.
Studie fortführen oder abbrechen
Schon demnächst erwartet Selvaraju aber Neuigkeiten. «Die zweite Interimsanalyse sollte in den nächsten Tagen folgen.» Dabei wird das Überwachungskomitee, das sogenannte Data Safety Monitoring Board, die bereits vorliegenden Daten untersuchen und eine Empfehlung aussprechen. Das liefert einen wichtigen Hinweis, ob die Studie gut unterwegs ist.
Sieht das Board eine realistische Chance, dass RLF-100 die Ziele erreicht, wird es die Fortsetzung der Studie empfehlen. Es kann auch den Abbruch fordern, entweder weil es keine Erfolgsaussichten sieht oder weil die Daten dermassen gut aussehen, dass bereits auf dieser Basis ein Zulassungsantrag sinnvoll erscheint.
Details würden später folgen
Relief Therapeutics (RLF 0.448 -3.45%) will in jedem Fall über den Entscheid des Überwachungskomitees informieren. Selvaraju erklärt jedoch, dass im Fall eines Studienabbruchs wegen überragender Resultate die Daten nicht umgehend kommuniziert werden können. «Wir müssten die Details in dem Fall zurückhalten, bis sie von Wissenschaftlern überprüft und in einer Fachzeitschrift publiziert werden.»
Einen Antrag auf Notfallzulassung hat Reliefs Partnerunternehmen NeuroRx bereits Ende September eingereicht. Dies, weil der Wirkstoff Patienten offenbar half, die den Entzündungshemmer im Rahmen eines sogenannten Compassionate-Use-Programms erhalten hatten. Die übrigen Behandlungsalternativen waren ausgeschöpft, und die Patienten waren so schwer krank, dass sie nicht in eine reguläre Studie aufgenommen werden konnten. Die 21 mit RLF-100 behandelten Menschen hatten eine dreimal höhere Überlebenschance als die dreissig, die die Standardtherapie erhielten.
Neue Daten unterstreichen Wirksamkeit
Erst vor drei Wochen hat Relief weitere Daten publiziert. Inzwischen war die Zahl der unter diesem Programm behandelten Patienten auf 45 gewachsen. Vier von fünf hatten mit dem Relief-Wirkstoff überlebt, bei der Standardtherapie waren es nur 17%. Zwei Bankanalysten hatten bei früherer Gelegenheit jedoch gemahnt, dass solche Resultate mit relativ wenigen Teilnehmern oft trügerisch seien. Einer von ihnen, Olav Zilian von Mirabaud Securities, hat die Aktien am Montag gar zum Verkauf empfohlen.
Der Grund ist, dass eine Phase-II-Studie für ein Konkurrenzprodukt abgebrochen wird. Pemziviptadil von PhaseBio habe bei den ersten 25 Patienten keine Wirksamkeit erkennen lassen. «Basierend auf dem molekularen Profil der beiden Wirkstoffe scheint es uns wahrscheinlich, dass der Wirkstoff von Relief Therapeutics ebenfalls Mühe haben wird, Wirksamkeit zu zeigen», schreibt Zilian im Newsletter der Bank.
Im Erfolgsfall Hunderte Millionen Umsatz möglich
Sollte der Relief-Wirkstoff RLF-100 sich am Ende aber als wirksamer erweisen als das zugelassene Remdesivir von Gilead (GILD 58.53 0.65%), dann könnte er durchaus einen bedeutenden Marktanteil gewinnen, räumt Zilian ein. Remdesivir wird für die kommenden Jahre ein Milliardenumsatz vorausgesagt. Für RLF-100 führt Bloomberg keine Konsensschätzung.
Zilian geht davon aus, dass Relief im Erfolgsfall noch einen grösseren Player an Board holen müsste als NeuroRx, mit der sie nicht nur für die klinischen Studien zusammenarbeitet, sondern auch eine Vereinbarung über den Vertrieb geschlossen hat. Denn: «Sollte RLF-100 wirklich auf der Ebene der Entwicklung erfolgreich sein und zugelassen werden, ist damit noch lange kein kommerzieller Erfolg garantiert», sagt er aus Erfahrung.
Schlanke Struktur maximiert Gewinnpotenzial
Unklar ist auch, in welchem Ausmass Relief profitieren würde. Das Unternehmen müsste sicher einen substanziellen Teil des allfälligen Umsatzes an die Vertriebspartner abgeben. Immerhin sollte aufgrund der sehr schlanken Struktur von Relief – sie beschäftigt nur eine Handvoll Mitarbeiter – eine Umsatzbeteiligung überwiegend als Gewinn ausgewiesen werden können.
Auf jeden Fall ist ein Engagement in den Aktien von Relief Therapeutics zum jetzigen Zeitpunkt hoch riskant. Anleger müssen mit einem Totalausfall rechnen und auch bedenken, dass die Papiere schon massiv zugelegt haben. Das Unternehmen wird an der Börse zurzeit mit 1,2 Mrd. Fr. bewertet.
Studie mit inhalierbarem RLF-100 startet bald
Theoretisch könnte die US-Gesundheitsbehörde FDA dennoch jederzeit über den Antrag auf Notfallzulassung entscheiden. «Möglicherweise wartet die FDA auf die Interimsanalyse. Sie könnte auch das Endresultat abwarten», sagt Selvaraju. «Selbstverständlich erwarten wir eine rasche Notfallzulassung für den Fall, dass die Phase-III-Studie wegen überragender Daten frühzeitig abgebrochen würde.»
Das Unternehmen plant weitere Studien, zum einen mit einer inhalierbaren Form von RLF-100. Sie soll laut Selvaraju in den nächsten Wochen mit der Patientenrekrutierung beginnen und sie noch im ersten Quartal des kommenden Jahres abschliessen.
Zum anderen soll auch in Europa eine Studie mit dem intravenös verabreichten Wirkstoff starten, wie es in den USA mit der erwähnten Phase-IIb/III-Studie bereits der Fall ist. Der Start der klinischen Entwicklung in Europa sei für das erste Quartal 2021 geplant. Relief zieht ausserdem weitere Studien in Betracht, möglicherweise in Kombination mit anderen Medikamenten. |