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Frischer Wind für die Energiewende "Strohgäu Extra", vom 20.09.2011 02:41 Uhr Leonberg Der Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises Böblingen will für acht Millionen Euro zwei Windräder aufstellen. Von Arnold Einholz
Baden-Württemberg ist nicht gern Schlusslicht. Doch bei der Windenergie ist dies der Fall. Jetzt will die grün-rote Landesregierung gegensteuern und ein Gesetz zum beschleunigten Ausbau der Windenergie auf den Weg bringen. Das Gesetz sollte eigentlich heute verabschiedet werden, doch nun ist der Akt verschoben worden.
Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzes ist die Neuregelung der so genannten Vorrangflächen. Bislang durften nur auf jenen Flächen Windräder aufgestellt werden. "Diese Regelung wird aufgehoben", erläuterte Bruno Lorinser, der stellvertretende Leiter des Referats "Regenerative Energien und rationelle Energieanwendung" im Umweltministerium des Landes.
Der Leonberger Landtagsabgeordnete der Grünen, Bernd Murschel, hatte den Fachmann als einen der drei Referenten für die Informationsveranstaltung "Windenergie in Leonberg" eingeladen. Die Vorrangflächen sollen ausgeweitet werden, zudem werde es keine Gebiete mehr geben, die tabu für Windräder seien. Zu den bisherigen Vorrangflächen meinte Lorinser: "Weil Windenergie hierzulande nicht so en vogue war, wurden auch dort Vorrangflächen ausgewiesen, wo normalerweise niemand mit einer Anlage hingehen würde", sagte Lorinser: "Die Windräder müssen aber dort gebaut werden, wo der Wind weht."
Ein wichtiges Orientierungsmittel sei der neue Windatlas. Doch bevor ein Windrad aufgestellt werde, sei es wichtig, gründlich die Windgeschwindigkeiten zu messen. Das nehme mindestens ein Jahr in Anspruch. Um Ansiedlungen von Windrädern zu erleichtern, solle auch das Planungsrecht geändert werden, erläuterte der Experte. Die Kommunen selbst bekämen die Möglichkeit, in ihren Flächennutzungsplänen auch Areale für die Nutzung von Windkraftanlagen auszuweisen. "Das macht lokale Modelle möglich." Aber auch in Zukunft werde es strenge Auflagen geben zum Schutz der Bürger und der Umwelt, schränkt Lorinser ein.
Damit der von der Landesregierung geforderte Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung auf zehn Prozent ansteige, müssten landesweit etwa 1200 Anlagen gebaut werden, wie sie der Landkreis Böblingen auf der Erddeponie plant, rechnete Lorinser vor: "Das ist ein anspruchvolles Ziel und ein langer Weg."
Die Pläne des Landkreises, in die Gewinnung von Windenergie einzusteigen, stellte in Eltingen Wolf Eisenmann den mehr als 50 Interessierten vor. Der stellvertretende Landrat ist der Umweltdezernent und gleichzeitig auch der Chef des kreiseigenen Abfallwirtschaftsbetriebes, dem auch die ehemaligen Deponien unterstehen. Aus den Rücklagen, die der Landkreis für Nachsorgemaßnahmen auf den Deponien bilden muss, sollen die acht Millionen Euro entnommen werden, mit denen die zwei Windräder finanziert werden.
Ein vom Landkreis in Auftrag gegebenes Gutachten bewertet die ehemalige Erddeponie, die fast fünf Kilometer von Leonberg entfernt liegt, als einen besonders geeigneten Standort für Windkraft. Hier kann mit Windgeschwindigkeiten von 5,5 bis 5,75 Metern pro Sekunde gerechnet werden. Geplant sind zwei Windräder, die im Abstand von etwa 300 Metern voneinander errichtet werden. Die Nabenhöhe, also die Höhe des Mastes, liegt bei 140 Metern, der Rotor hat einen Durchmesser von 100 Metern. Der Strom soll den Verbrauch von etwa 10 000 Personen im Jahr decken.
Insgesamt gebe es neun sehr günstige Standorte im Landkreis, darunter auch den Eltinger Kopf, doch von dieser exponierten Stelle habe man Abstand genommen, beruhigte Eisenmann die Anwesenden. Der Kreis selbst wolle künftig keine weiteren Windkraftanlagen mehr errichten, aber für andere solche Vorhaben als Koordinierungsstelle fungieren. Die Windräder könnten im Jahr 2012 ans Netz gehen, so Eisenmann. Noch müsse eine etwa 100 000 Euro teure Windmessung vorgenommen, eine Umweltverträglichkeitsstudie erstellt sowie ein Bodengutachten beauftragt werden. Die Stadt Leonberg kann sich finanziell an dem Projekt beteiligen. Die Verwaltung muss aber noch durchrechnen, ob es wirtschaftlich vernünftig ist, dafür Kredite aufzunehmen. Eine weitere Bürgerbeteiligung sei nicht vorgesehen. "Über den Abfallwirtschaftsbetrieb sind die rund 160 000 Gebührenzahler ja schon an dem Vorhaben beteiligt", meinte Eisenmann. |