30.09.2008 , 08:09 Uhr Lungenkrebs Atem signalisiert die Tumorgefahrvon von Thomas Matsche Wissenschaftler der Uni Leipzig haben eine Technik entwickelt, die die Früherkennung von Lungenkrebs drastisch vereinfachen soll. Statt aufwendiger Computertomografie reicht eine simple Atemanalyse aus. Die Geräte könnten bald in jeder Hausarztpraxis stehen. Damit würde auch das wochenlange Warten auf Diagnoseergebnisse der Vergangenheit angehören. Das neue Verfahren soll die Lungenkrebs-Diagnose radikal vereinfachen. Foto: dpa LEIPZIG. „Unser Verfahren ist treffsicherer und angenehmer für den Patienten“, sagt Hubert Wirtz, Leiter der Pneumologie an der Uniklinik Leipzig. Mit der gemeinsam mit dem Immunologieinstitut und dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie entwickelten Methode gehen die Forscher eines der größten Probleme bei der Behandlung von Lungenkrebs an: Oft kommt die Diagnose zu spät, weil die Betroffenen nicht rechtzeitig zum Arzt gehen. Das Karzinom ist deshalb oft sehr weit ausgebildet – und eine Operation nicht mehr möglich. Die letzte Chance ist dann eine Bestrahlung oder Chemotherapie. Jährlich erkranken 50000 Menschen in Deutschland an Lungenkrebs. Viele Risikopatienten trauen sich nicht zum Arzt, weil sie sich vor der langwierigen Diagnose und Behandlung fürchten. Das neue Gerät soll diese Hemmschwelle senken: Patienten müssen nur zehn Minuten hinein blasen. Anschließend wird die Atemluft auf bestimmte Eiweißmoleküle untersucht, die Hinweise auf den Tumor geben. Der Nachweis erfolgt durch Antikörper. Bei diesem Verfahren wird die Atemluft im Testgerät stark abgekühlt, so dass sie an der Wand anfriert. Die festgefrorene Probe wird entnommen, aufgetaut und für die Untersuchung gesammelt. Lediglich ein Prozent der Probe besteht aus dem Aerosol, in dem alle Eiweiße enthalten sind, die ein Abbild des Gesundheitszustands der Lunge widerspiegeln. Um diese geringe Konzentration an Eiweißen im Atem auffangen und mehrere Faktoren gleichzeitig messen zu können, haben die Leipziger die sogenannte „Elisa“-Technik umgearbeitet, ein gängiges Verfahren zum Nachweis von Antikörpern. Die ersten Ergebnisse stimmen die Forscher optimistisch: „Wir haben jetzt in einer kleinen Serie Personen getestet, bei denen bereits Lungenkrebs festgestellt wurde. Hier konnten wir die Eiweiße zu hundert Prozent nachweisen“, sagt Uniklinik-Abteilungsleiter Wirtz. Er geht daher nun davon aus, dass man Lungenkrebs schon bald auch in einem frühen Stadium diagnostizieren kann. Seit zehn Jahren forschen die Wissenschaftler an geeigneten Früherkennungsverfahren. Vor drei Jahren sahen sich die Leipziger dem Ziel schon nahe, als sie ihr eiweißbasiertes Diagnoseverfahren auf einem Kongress in den USA vorstellten. Doch die Apparatur arbeitete noch nicht zuverlässig genug. Auch hatten sie zunächst mit einem anderen Verfahren versucht, Lungenkrebs anhand von DNA-Mutationen von bestimmten Lungenzellen zu diagnostizieren. Dabei mussten sie aber feststellen, dass es nicht bei allen Tumoren Veränderungen gab und zudem der methodische Aufwand immens war. Das neue Testverfahren hat diese Probleme nicht. Neben der sinkenden Hemmschwelle für die Patienten hat die Atemanalysetechnik noch den Vorteil, dass ungenaue Computertomografie-Ergebnisse entfallen. Denn es besteht immer wieder die Gefahr, dass Ärzte kleine Flecken auf den Bildern als Lungenkrebs diagnostizieren, obwohl sie das gar nicht sind. „In der Frühphase der Erkrankung lässt sich nur schwer zwischen chronisch-entzündlichen und tumorbedingten Beschwerden unterscheiden“, sagt Wirtz. In rund 50 Prozent aller Fälle werde deshalb fälschlicherweise an gesundem Gewebe operiert. Das neue Verfahren bewahrt Patienten allerdings nicht vor einer konventionellen Behandlung. Bildgebende Verfahren wie Röntgen werde es nach wie vor geben, um die genaue Ausbreitung des Karzinoms zu erkennen und die konventionellen Behandlungsmethoden darauf abzustimmen, sagt Wirtz. Andernorts setzt man ebenfalls auf die Atemluft als Diagnoseinstrument. In den USA haben Wissenschaftler ein gaschromatographisches Atemanalyse-Verfahren zur Diagnose von Brustkrebs entwickelt. In einem anderen chemischen Testverfahren kann bei Anwesenheit von Helicobacter-Bakterien im Magen Kohlendioxid im Atem nachgewiesen werden. Auch Tuberkulose oder Lungenentzündung lassen sich so diagnostizieren. Mediziner können inzwischen sogar Aussagen darüber treffen, ob eine transplantierte Lunge von Abstoßung bedroht ist. Die Verfahren sind so zahlreich wie unterschiedlich. Eine Kombination der verschiedenen Messmethoden ist allerdings schwierig. Die Leipziger Spezialisten sind daher zuversichtlich, dass sich ihr Ansatz durchsetzen wird. Die Industrie zeige bereits Interesse, sagt Jörg Lehmann, Wissenschaftler beim Fraunhofer-Institut: „Immerhin stehen wir bereits mit interessierten Unternehmen aus Brandenburg und Mitteldeutschland in Kontakt, die sowohl die Methodik als auch die Technik in ein marktreifes Produkt umwandeln wollen.“ In der Fachwelt aber muss sich das neue Messverfahren erst noch beweisen. Zunächst müssen die Forscher den Nachweis erbringen, dass der Test auch bei einer sehr großen Patientengruppe funktioniert – und das kann noch einige Jahre dauern. Link zum Artikel: http://www.handelsblatt.com/technologie/medizin/atem-signalisiert-die-tumorgefahr;2051272 |