Rohstoffmärkte Energie-Aktien sind günstig zu haben Viele Titel swie BP und Royal Durch shell sind inzwischen niedrig bewertet - und Analysten erhöhen ihre Gewinnwachstums-Prognosen. London - Energie-Titel gehören an den europäischen Aktienmärkten in diesem Quartal zu den Gewinnern. Weder der fallende Ölpreis noch schlechtere Aussichten für das Ergebnis konnte Titeln wie BP und Royal Dutch Shell schaden. Hauptgrund: Die Ölgesellschaften sind im Vergleich zum Marktdurchschnitt so günstig bewertet wie zuletzt 1994. Die Mitglieder des Dow Jones Stoxx Oil & Gas Index kommen gemessen an ihren Gewinnprognosen auf ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,8. Im Stoxx 600 liegt das Verhältnis bei 13,9.
"Wir haben die Öl-Positionen in unserem Portfolio aufgestockt, da wir der Ansicht sind, dass sie überverkauft sind", sagt Robert Talbut, Chief Investment Officer bei Royal London Asset Management. "Die Nachfrage wird voraussichtlich robust bleiben, und die Ergebnisse der Energiekonzerne dürften auch ordentlich ausfallen."
In den ersten neun Monaten des Jahres hinkten die Energiewerte dem Markt hinterher und verzeichneten die zweitschlechteste Wertentwicklung nach den Technologieunternehmen. Seit zwei Wochen legen die Kurse der Ölkonzerne jedoch kontinuierlich zu, und sie haben in diesem Quartal bislang 4,7 Prozent gut gemacht. Der marktbreite Stoxx 600 notiert im Vergleich dazu 3,6 Prozent höher. Angeführt wurde die Rallye der vergangenen vierzehn Tage von norwegischen Unternehmen. So kletterte beispielsweise der Kurs von Aker Kvaerner, einem Ölfeld-Dienstleister aus Lysaker bei Oslo, seit Monatsbeginn zwölf Prozent. Heute legt BP den Ergebnisbericht für das dritte Quartal vor, zusammen mit Norsk Hydro, dem größten Energiekonzern Nordeuropas, und Neste Oil, Finnlands größtem Raffinerieunternehmen. Shell berichtet zwei Tage später.
Analysten gehen davon aus, dass der Gewinn bei BP und Shell wegen des niedrigeren Ölpreises um jeweils etwa acht Prozent gefallen ist. Die Veränderung von Lagerbeständen abgerechnet dürfte BP im abgelaufenen Quartal einen Gewinn von 4,86 Mrd. Dollar (3,87 Mrd. Euro) erzielt haben, prognostiziert Credit Suisse. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres verdiente Europas größter Ölkonzern 5,26 Mrd. Dollar. Bei Shell, der Nummer zwei in Europa, ist der Gewinn vor Sonderposten nach Schätzung der Analysten von 5,8 Mrd. Dollar auf 5,31 Mrd. Dollar abgesackt. Seit einem Jahrestief am 25. September hat der Kurs von BP 6,8 Prozent zugelegt; für Shell ging es in dem Zeitraum 4,4 Prozent aufwärts. Obwohl der Ölpreis seit dem Allzeithoch im Juli um 28 Prozent gefallen ist, liege er immer noch hoch genug, um den Kursen weiter Auftrieb zu geben, sagt Michael Hughes, Chief Investment Officer bei Baring Asset Management in London. "Diese Unternehmen werden in absehbarer Zukunft weiterhin sehr große Gewinne einfahren", erläutert Hughes. 29 - von der Nachrichtenagentur Bloomberg - befragte Analysten sehen den Ölpreis im kommenden Jahr bei durchschnittlich 64 Dollar je Barrel. Der Internationalen Energieagentur zufolge wird die Nachfrage nach dem Schwarzen Gold 2007 um 1,7 Prozent zulegen, nach einem Plus von 1,2 Prozent in diesem Jahr.
Analysten erwarten inzwischen bei den Energiekonzernen des Stoxx 600 ein höheres Gewinnwachstum. Vor drei Monaten rechneten sie für das laufende Jahr noch mit einem Zuwachs von 8,2 Prozent. Für 2007 prognostizierten sie einen Rückgang von 1,2 Prozent. Jetzt erwarten sie plus 8,6 Prozent für 2006 und plus 0,4 Prozent für kommendes Jahr. "Solange sich der Ölpreis um die Marke von 60 Dollar hält, bleibt eine Menge Raum, um die Gewinnprognosen für 2007 weiter heraufzusetzen", konstatiert Jason Kenney, Öl-Analyst bei ING Wholesale Bank in Edinburgh. "Die Gewinnaussichten für den gesamten Sektor sind bis ins nächste Jahr hinein positiv."
Bloomberg
Artikel erschienen am 24.10.2006
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