Krise auf der ganzen Linie 19.6.02
Doch auch diese Hoffnung ist verspielt. Enttäuscht senkten sich die Köpfe wieder, denn die argentinische Mannschaft schied zum ersten Mal seit 40 Jahren bereits nach der Vorrunde aus und flog zurück in die krisengeschüttelte Heimat. Argentinien rutschte im vergangenen Jahr in die Misere, nachdem die Regierung den ordnungspolitischen Grundsatz solider öffentlicher Finanzen aus dem Auge verlor.
Zweifellos geht die eigentliche Wurzel der Krise auf die Währungsreform von 1991 zurück, als das Land mit der Dollaranbindung vorschnell das Steuerungsinstrument einer eigenständigen Geldpolitik aufgab. Das marode Bankensystem und die ungelösten Probleme bei den mächtigen Provinzen sind dabei die vordergründigen Punkte, die die aktuelle Regierung nun beherzt anpacken muss.
Der IWF verfolgt seit dem vergangenem Herbst einen harten, aber durchaus fairen Kurs. Es liegt nun ganz alleine bei Argentinien, im ersten Schritt auf die finanzkräftigen Staaten zuzugehen. An der Wall-Street, an der etwa 100 Latino-Titel notiert sind, dokumentieren die um knapp ein Drittel zurückgegangenen tagtäglichen Umsatzzahlen gegenüber dem Vorjahr eine zunehmende Distanzierung. Der befürchtete Dominoeffekt auf andere Staaten der Region blieb bislang aber aus. Während beispielsweise nach der Asienkrise 1997 viele Anleger ihren gesamten Emerging Markets-Bestand aus ihren Depots verbannten, haben die Investoren mittlerweile ihr Anlageverhalten geändert. Obwohl im längerfristigen Vergleich die Latinos in der Performancebetrachtung deutlich die Nase vorn haben, gilt Lateinamerika nach wie vor als krisenanfälligste Region unter den Emerging Markets.
Im Nachbarstaat Brasilien wächst die Nervosität. Momentan schweift der Blick zwar eher nach Asien und die Frage tut sich auf: ''Kommt der 4-fache Weltmeister wieder ins Endspiel?'', doch lassen die eigenen Finanzprobleme auch keine allzu großen Atempausen zu. Die für Oktober anberaumte Präsidentschaftswahl schafft dabei alles andere als Ruhe. Drei Kandidaten treten an, wobei der Linke Luis Ignácio da Silva, genannt Lula, von der Arbeiterpartei PT nach aktuellen Umfragen einen deutlichen Vorsprung vor seinen Konkurrenten hat. Auf Lula fallen derzeit rund 40 Prozent der Wählerstimmen. Bewahrheitet sich im Herbst diese Hochrechnung des Wahlerfolgs von Lula, dann könnte sich die brasilianische Währung Real weiter abschwächen.
Dabei kämpft das Amazonasland bereits mit verschlechterten Inflations- und Wachstumserwartungen. Neben der Ansteckungsgefahr von Argentinien kommt der sich nach wie vor auf höherem Niveau bewegende Ölpreis hinzu, der Brasilien von der Importseite ordentlich zusetzt.
Ganz im Gegenteil zu Mexiko. Das Nafta-Land partizipierte bereits im vergangenen Jahr von dem Ölpreisanstieg und führte mit etwa 25 Prozent Indexsteigerung das Feld der Latino-Börsen an. Was des einen Glück, ist des anderen Leid – nur wie lange noch? Konnte sich Mexiko noch von der Rezession in den USA abkoppeln, ist es nur eine Frage der Zeit, wann ein rückläufiger Ölpreis die Abhängigkeit vom schwarzen Gold offenlegt und die weltweite Nachfrageschwäche auch Mexiko erreicht. Mexiko ist zwar reichhaltig mit Ölreserven ausgestattet, jedoch mangelt es dem Land an ausreichender Diversifikation der Staatseinnahmen.
Weitsichtig sind dabei die Bemühungen des Präsidenten Fox anzuerkennen, der gegen innerstaatlichen Druck versucht, sich von dieser langfristig drückenden Abhängigkeit durch weitreichende Liberalisierung zu lösen. Noch hat er nicht alle politischen Kräfte hinter sich versammelt, aber er sollte diesen Weg unbeirrt fortschreiten.
Insgesamt gibt es zwar Unwegbarkeiten, aber die Chancen, gerade im Bezug auf eine sich langsam wieder erholende Weltkonjunktur, lassen uns für die gesamte Region doch optimistisch stimmen.
mfg ath |