Risikoindikatoren, Ursachen und Maßnahmen eines Staatsbankrotts:
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Die Ursachen von Staatsbankrotten lassen sich in zwei Gruppen gliedern: Ein Staatsbankrott kann ausgelöst werden, wenn das Bedienen bestehender Verbindlichkeiten unmöglich wird (Überschuldung). Des Weiteren kann ein Staatsbankrott seine Ursache in der Weigerung einer Regierung haben, bestehende Verbindlichkeiten zu bedienen. Ökonomisch bedingter Staatsbankrott: Überschuldung[Bearbeiten] Ist ein Staat (z. B. auf Grund seiner gesamtwirtschaftlichen Situation) nicht mehr in der Lage, seine Staatsschulden vollständig zu bedienen, so tritt der Staatsbankrott ein. Eine Überschuldung stellt sich dann ein, wenn Gläubiger die Fähigkeit zur Bedienung der Verbindlichkeiten vermehrt anzweifeln. Dies wird häufig verursacht durch einen bestehenden hohen Schuldenstand und somit durch ein dauerhaftes Ungleichgewicht zwischen Staatseinnahmen und Staatsausgaben. Ursachen für zu hohe Staatsausgaben sind unter anderem hohe militärisch bedingte Ausgaben (Kriegsausgaben, Ausgaben für Aufrüstung, hohe Reparationszahlungen), ein allgemein schlechtes Wirtschaften des Staates (verbunden mit nicht nachhaltig finanzierten Sozialleistungen und Personalausgaben) sowie kurzfristig durch eine Wirtschafts- oder Finanzkrise verursachte hohe Ausgaben zur Sicherung des sozialen Friedens oder zur Unternehmens- bzw. Bankenrettung. Die Gefahr der Überschuldung eines Staates wird verstärkt, wenn neben einem hohen Länderrisiko auch ein hohes Währungsrisiko besteht. Ein Staat kann in der Folge gezwungen sein, seine Staatsverschuldung in Fremdwährung aufzunehmen (so genanntes Original Sin), wodurch seine Kreditwürdigkeit leidet. Eine Abwertung der Inlandswährung (und die damit verbundene Zunahme der Staatsschulden in inländischen Währungseinheiten) können den Prozess der Überschuldung erheblich beschleunigen. Umgekehrt kann ein Land, dessen Währung international als Reservewährung akzeptiert wird, eine bestehende Staatsverschuldung monetisieren. Politisch bedingter Staatsbankrott: Nichtbedienung von Verbindlichkeiten[Bearbeiten] In mehreren Fällen wurden Staatsbankrotte auch ausgelöst durch die Weigerung einer Regierung, bestehende Verbindlichkeiten zu bedienen (unabhängig davon, ob dies ökonomisch möglich gewesen wäre). Bedingt wird ein solches politisches Verhalten unter anderem durch Regimewechsel. Ein Regierungswechsel hat keinen Einfluss auf die Verpflichtungen, die ein Staat vor dem Regierungswechsel eingegangen ist. Gleichwohl kommt es gerade in revolutionären Situationen oder nach Regimewechseln vor, dass die neue Regierung die alte Regierung als illegitim o.ä. bezeichnet und mit dieser Begründung oder mit diesem Vorwand die Altschulden nicht mehr bedient. Beispiele hierfür sind die Nichtbedienung der Verbindlichkeiten des bourbonischen Frankreichs nach der Französischen Revolution, die Nichtbedienung der Anleihen der vom Deutschen Bund in Schleswig-Holstein eingesetzten Regierung durch Dänemark 1850 und die Nichtbedienung der Verbindlichkeiten des zaristischen Russlands durch die neue Sowjetregierung 1917 nach der Oktoberrevolution. Indikatoren[Bearbeiten] Die Gefahr einer Staatsinsolvenz kann durch verschiedene Indikatoren gemessen werden. Man unterscheidet ökonomische und Marktindikatoren. Ökonomische Indikatoren sind die aus einem Staatshaushalt und anderen Aggregaten ableitbaren Kennzahlen, Marktindikatoren sind aktuelle Kurs- und Zinsentwicklungen an Börsen/Märkten, die größere Abweichungen vom Standard aufweisen. Ökonomische Indikatoren[Bearbeiten] Grundlage hierfür sind der Staatshaushalt und das Bruttoinlandsprodukt. Aus ihnen können wichtige Kennzahlen abgeleitet werden. Ein Staat muss aus seinem Staatshaushalt soviele liquide Mittel generieren können, dass er Schulden hieraus jederzeit bedienen kann. Eine drohende Staatsinsolvenz ist nämlich ausschließlich mit drohender Zahlungsunfähigkeit verbunden, bei der ein Staat nicht mehr imstande ist, fällige Zahlungsverpflichtungen im Wesentlichen fristgerecht zu erfüllen. Das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab für die Wirtschaftskraft eines Staates wiederum sagt aus, welche Schuldenhöhe sich ein Staat aufgrund seiner Wirtschaftskraft überhaupt leisten kann. Ein ökonomisch wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Anzeichen einer drohenden Staatsinsolvenz ist die Schuldentragfähigkeit. Schuldentragfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage und Vermögenssituation imstande ist, dauerhaft ohne fremde Hilfe seine Schulden nebst Zinsen zurückzahlen zu können. Aus dem Staatshaushalt werden die Staatseinnahmen und der Primärsaldo, aus der Handelsbilanz die Exporterlöse jeweils den Staatsschulden und dem Bruttoinlandsprodukt gegenübergestellt. Kennzahlen[Bearbeiten] Diesen so genannten Schuldenkennzahlen liegen folgende Formeln zugrunde:
Bei steigenden Staatseinnahmen oder Exporterlösen und konstanter Schuldenlast wird es immer einfacher, die Staatsschulden zu begleichen und umgekehrt. Entscheidend ist auch die Struktur der Schulden. Hierbei wird untersucht, wie hoch der Anteil der Fremdwährungsschulden, der Auslandsverschuldung oder der kurzfristigen Schulden ist. Tendenziell ungünstig wirkt sich ein hoher Anteil dieser Schuldenarten aus. Die so ermittelten Kennzahlen sind dann kritisch, wenn sie bestimmte Grenzwerte überschreiten. Grenzwerte[Bearbeiten] Grenzwerte sind die Obergrenze, die eine der ermittelten Schuldenkennzahlen nur temporär und nur geringfügig überschreiten darf. Als Grenzwerte können die Stabilitätskriterien (Art. 126 AEUV) herangezogen werden, aber auch die von IWF und Weltbank ermittelten. EU-Staaten, die die Stabilitätskriterien verletzen, haben finanzielle Sanktionen zu erwarten. Staaten, die die IWF-/Weltbank-Grenzwerte überschreiten, können mit Hilfe rechnen. EU-Stabilitätskriterien: es gibt nur zwei, nämlich 60 % (Staatsverschuldung/BIP) und 3 % (Nettoneuverschuldung/BIP). IWF/Weltbank: 40 % (EDT/GNI), 150 % (EDT/XGS) und 15 % (TDS/XGS). Dabei sind: EDT=External Debts Total (Gesamte Auslandsverschuldung), BIP=Bruttoinlandsprodukt, GNI=General National Income (Staatseinnahmen), XGS=Export of Goods/Services (Exporterlöse), TDS= Total Debt Service (Zins und Tilgung auf Kredite), INT=Schuldzinsen. Schuldentragfähigkeit („debt sustainability“) kann anhand verschiedener Schuldenkennzahlen gemessen werden. Sie ist für einen Staat gerade noch vorhanden, wenn eine Schuldenquote unterhalb von 200-250 % (bei Barwertkalkulation (Net Present Value; NPV)) der Staatseinnahmen, ein Schuldendienstdeckungsgrad unter 20-25 % der Staatseinnahmen, ein Verhältnis der Schulden (NPV) zu den Staatseinnahmen von 280 % und zusätzlich hohe Steueraufbringungsbemühungen (nur bei Staaten mit hoher Weltmarktintegration: Exporterlöse/BIP > 40 %, Steuereinnahmen/BIP > 20 %) nachgewiesen werden kann[22] und der Grenzwert aus dem Verhältnis Staatsverschuldung/Exporterlöse 150 % nicht überschritten wird. Die genannten Grenzwerte sind für HIPC- (Heavily Indebted Poor Countries) und MDRI- (Multilateral Debt Relief Initiative) Staaten gedacht; IWF und Weltbank wenden im Rahmen der Entschuldungsinitiativen diese Grenzwerte an (40 % Schulden/BIP, 150 % Schulden/Exporteinnahmen, 15 % Schuldendienst/Exporteinnahmen). Die Grenzwerte sind nicht von allgemeingültiger Natur, sondern können im Einzelfall bereits zu hoch angesetzt sein. Die Weltbank hatte 4 Grenzwerte verwendet. EDT/BIP (30 %), EDT/XGS (165 %), TDS/XGS (18 %) und INT/XGS (12 %). Ein Staat galt demnach als hochverschuldet, wenn drei der vier Grenzwerte überschritten wurden.[23] Ende 2001 erreichten die Staatsschulden Argentiniens 64,1 % des BIP (Grenzwert: 60 %), die Auslandsschulden überschritten mit 383 % der Exporterlöse den Grenzwert um mehr als das Doppelte (Grenzwert: 150 %).[24] Das sind Kennzahlen, die aus Sicht der Schuldenkennzahlen alarmierend waren. Zudem wirkte sich die starke Verschuldung in Auslandswährung nachteilig aus (original sin). Die obigen Kennzahlen stellen jedoch globale Grenzwerte dar und müssen individuell gewertet werden. Es gibt jedoch keine allgemein gültigen und feststehenden Grenzwerte, die im Einzelfall eine kritische Marke darstellen und bei Überschreitung einen Gefahrenpunkt signalisieren würden.[25] Werden mindestens zwei dieser Grenzwerte nicht nur temporär und nicht nur geringfügig überschritten, kann dies als Indikator für einen drohenden Staatsbankrott gewertet werden. Marktindikatoren[Bearbeiten] Als sensible Marktindikatoren gelten die Kurse von Staatsanleihen, aus denen deren aktuelle Rendite ablesbar ist, die Kursentwicklung von Credit Default Swaps (mit einer Staatsanleihe als Basiswert) und Ratings. Die Abweichung der Anleiherendite eines bestimmten Staates von einer ausfallrisikoarmen Referenz-Anleihe (etwa Anleihen der Bundesrepublik) wird Credit Spread genannt. Ein großer Credit Spread kann Indikator sein für ausfallrisikobehaftete Staatsanleihen. Das trifft auch zu auf die Kursentwicklung von Credit Default Swaps. Deren Kurse, die CDS-Spreads, sind regelmäßig höher als die Credit Spreads einer ausfallrisikofreien Referenzanleihe eines Staates. Überhöhte CDS-Spreads können darauf hindeuten, dass bei Staatsanleihen ein erhöhtes Ausfallrisiko vorliegt. Ratings sind von Ratingagenturen erstellte Bonitätsbewertungen von Schuldnern („issuer-rating“) und Anleihen („issue-rating“). Die Ratings von Staaten beinhalten sowohl fundamentalanalytische Daten (Staatshaushalt, Bruttosozialprodukt) als auch die Entwicklung der übrigen Marktindikatoren. Die Migration eines Ratings in den „Sub-Investment-Grade“ kann ein Signal für die akute Ausfallgefährdung eines Schuldnerstaates sein. Staaten mit einer schlechten Bonität zahlen an den Kapitalmärkten einen deutlichen Zinsaufschlag im Vergleich zu Nationen mit bester Bonität. Die Zinsdifferenz (Credit Spread) wird in Basispunkten gemessen (100 Basispunkte = 1 %). So zahlte beispielsweise Argentinien kurz vor seinem Ausfall einen Spread von über 4.000 Basispunkten, was einem Aufschlag in Höhe von 40 Prozentpunkten entspricht (z. B. AAA-Land 4 % ⇒ Argentinien 44 % oder AAA-Land 3 % ⇒ Argentinien 43 % p.a.). Abwehrmaßnahmen[Bearbeiten] Haushaltskonsolidierung[Bearbeiten] → Hauptartikel: Haushaltskonsolidierung Der Staat kann über eine solide Haushaltspolitik dem Staatsbankrott vorbeugen. Eine Möglichkeit, einen Staatsbankrott zu verhindern, besteht in einer Erhöhung des laufenden realen Haushaltssaldos. Das kann geschehen durch: Erhöhen der Staatseinnahmen, insbesondere durch Verkauf von Staatsvermögen Erhöhen bestehender und Einführen neuer Steuern Reduktion von Steuereinsparmöglichkeiten Verringerung der Steuerhinterziehungsquote und/oder Senken der Staatsausgaben, insbesondere durch Verschieben, Einstellen oder Reduzieren von diskretionären Investitions- und Subventionsmaßnahmen Verzicht auf etwaige geplante Verstaatlichungsprojekte Verlagern des Angebots von Infrastrukturfunktionen auf den privaten Sektor, wie z. B. der Bau und den Betrieb von Autobahnen Senkung und Verschiebung laufender Ausgaben, z. B. Wartungs- und Erhaltungsausgaben für die staatliche Infrastruktur, laufende Zuschüsse zu Sozial- und Versicherungsträgern, regelmäßige Subventionen. Sofern dabei neben Sachkosten auch Personal- und Personalnebenkosten gesenkt werden sollen, werden bestimmte Gruppen zumeist nicht oder weniger in Kostensenkungsprogramme einbezogen. Zu diesen Gruppen zählen insbesondere die öffentlich Bediensteten und Beamten, für die in der Regel hohe Bestandschutzregularien existieren. Gleichwohl werden diese hohen Hürden für öffentliche Bedienstete in Extremsituationen auch reduziert, wie z. B. in Griechenland (siehe Griechische Finanzkrise).
Monetarisierung der Staatsverschuldung[Bearbeiten] → Hauptartikel: Monetarisierung Münzverschlechterung[Bearbeiten] Offizielle oder heimliche Verminderung des Münzfußes (Edelmetallgehalt); echter Münzbetrug, wie bei den sog. Ephraimiten; Scheidemünzen- und Papiergeldinflationen und damit entstehende Kurse zwischen den verschiedenen Geldsorten, deren Wertrelationen zueinander durch Gesetze praktisch nicht mehr durchsetzbar waren (Kipper- und Wipperzeit um 1622); offizielle oder inoffizielle Abwertung der Währung oder eine sonstwie geartete Währungsreform, die dann bei den Nachbarstaaten ähnliche währungspolitische Maßnahmen erzwang (meist Münzflussabsenkung), da sie häufig in Münzkonventionen untereinander wirtschaftlich verbunden waren. Kapitalverkehrsbeschränkungen[Bearbeiten] Hierzu zählen alle dirigistischen Maßnahmen einer Regierung zur Kontrolle des Zahlungsverkehrs, insbesondere Devisenverkehrsbeschränkungen, aber auch Einschränkungen des Handels oder Besitzes von Edelmetallen. Hieraus folgt eine eingeschränkte oder fehlenden Konvertierbarkeit der betroffenen Währung. Die Bürger sollen so gezwungen werden, ihr Geld in der Landeswährung anzulegen, um eine Kapitalflucht zu verhindern. Weitere Ziele solcher Maßnahmen sind zumeist die Stabilisierung des Wechselkurses, die Verbesserung der Zahlungsbilanz und die Verhinderung von Währungsspekulationen. In der Geschichte wurden beispielsweise Papiergeld und Scheidemünzen plötzlich nicht mehr vollwertig oder gar nicht mehr in Kurantmünzen eingelöst und zum Zwangskurs im Umlauf gehalten, wie z. B. die französischen Assignaten (= Papiergeld) ab 1789. Hierzu mussten dann oft kreative, dem Volk einsichtige Begründungen herhalten, die gelegentlich mit drakonischen Strafen untermauert wurden. So war es z. B. während der französischen Revolutionszeit für den einfachen Bürger bei hoher Strafe verboten (sechs Jahre in Eisen gelegt), mit Gold- oder Silbergeld zu bezahlen oder zu handeln. Es sollte vielmehr an den Staat gegen sogenannte Assignaten abgeliefert werden. Ein weiteres Beispiel ist die Abkehr vom Goldstandard infolge der Weltwirtschaftskrise. „Kreative“ Geldbeschaffung[Bearbeiten] Staaten in Geldnot erfanden eine Vielzahl von Maßnahmen, um Gelder aufzunehmen, ohne dass dies als Kreditaufnahme erkennbar war. Beispiele sind Verkauf von Staatsvermögen oder -rechten (z. B. das Zündholzmonopol), Mefo-Wechsel im Dritten Reich, nur Dritteldeckung der Banknoten in Gold zur Zeit der Goldmark. Diese Maßnahmen führten häufig zur Inflation, sofern nicht andere Maßnahmen wie Warenbezugsscheinsysteme, staatlicher Preisstopp o.a., verordnet wurden, da schließlich die Geldmenge im Verhältnis zur verfügbaren Gütermenge anstieg. Letztendlich bedeutete das aber eine rückgestaute Inflation, die man in ihrer extremen Ausbildung auch als aufgeschobenen Staatsbankrott bezeichnen kann. |