Von Thomas Scheen, Abidjan
27. Juli 2004 Die Frage kam unerwartet. „Sag' mal, wollt ihr eigentlich kein Geld verdienen?“ raunzte Mamoun Sulieman in Richtung des deutschen Journalisten und zeigte auf das Foyer des Hilton-Hotels in Khartum: „Schau' dich um, die ganze Welt ist hier."
Tatsächlich war die Lobby des Hotels trotz fortgeschrittener Stunde voll von Geschäftsleuten, die Kellner kamen mit den Bestellungen des alkoholfreien Biers kaum hinterher, und Mamoun, der Wirtschaftsanwalt, war sehr sauer. Sauer auf deutsche Unternehmer und die Abfuhren, die er sich dort eingeholt hatte. „Ihr spinnt", sagte er, „jetzt machen die Inder das Rennen", dann warf er theatralisch die Arme in die Luft und rief: „Kannst du dir das vorstellen: indische Produkte!"
Der Rest der Welt verkauft munter weiter
Was er meinte, war sein vergeblicher Versuch, deutsche Unternehmen für den boomenden sudanesischen Kommunikationsmarkt zu begeistern. Dabei tat Mamoun "den Deutschen" ein wenig unrecht. Denn viele Ausrüstungsgegenstände, speziell für die Kommunikationsbranche, dürfen nicht nach Sudan geliefert werden, weil die amerikanischen Sanktionen das so wollen, die im Gegensatz zu den Sanktionen der Vereinten Nationen nicht aufgehoben wurden.
Interessant daran ist aber, daß sich anscheinend nur Deutschland darum schert. Der Rest der Welt verkauft munter nach Sudan, was wiederum erklärt, warum die europäische Drohung gegen Khartum, neue Sanktionen zu verhängen, windelweich ausfiel. Darfur hin oder her, in Sudan ist Geld zu verdienen.
Riesige Ölreserven
Grund sind die Ölvorkommen des Landes und damit seine potentielle Zahlungsfähigkeit. Die Ölreserven Sudans belaufen sich nach vorsichtigen Schätzungen auf zwei Milliarden Faß, von denen wiederum 700 Millionen nachgewiesen sind. Die maßgeblichen Akteure im sudanesischen Ölgeschäft sind neben der chinesischen "China National Petroleum Corporation" der malaysische Konzern "Petronas", die kanadische "Talisman Energy Inc.", "Gulf Petroleum Corporation" aus Qatar, "Lundin Oil AB" aus Schweden und die Franzosen von "TotalFinaElf".
Die tägliche Fördermenge in Sudan liegt gegenwärtig bei rund 312.000 Faß Rohöl, Tendenz steigend. Bis Ende 2005 soll die Fördermenge auf 500.000 Faß erhöht werden, wobei die Steigerung alleine einer verstärkten Ausbeute dreier Ölfelder geschuldet ist: Mellut, westlicher oberer Nil und Ost-Kordofan. Die großen Felder im Süden, darunter der sogenannte Block 5, für den die französische TotalFinaElf die Konzession hält, liegen brach.
Aufbau nach 30 Jahren Bürgerkrieg
Mit dem Friedensschluß zwischen Khartum und dem rebellischen Süden Sudans ist der "Anstich" dieser Felder nur noch eine Frage der Zeit, und es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, wie die sudanesischen Staatseinnahmen anschließend aussehen werden. Schon heute belaufen sich die Einnahmen aus der Ölförderung auf 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr und stellen damit 45 Prozent der Gesamtstaatseinnahmen dar. Alleine im Jahr 2002 betrugen die sudanesischen Importe 2,1 Milliarden Dollar, wobei die wichtigsten Importgüter Maschinen, Ausrüstung und Industrieerzeugnisse waren. Die Direktinvestitionen in Sudan stiegen von 600.000 Dollar im Jahr 2002 auf über eine Milliarde Dollar 2003.
Der Grund ist einfach: Nach 30 Jahren Bürgerkrieg muß das Land regelrecht neu errichtet werden. Banken, Hotels, Verwaltungsgebäude, Straßen, Brücken, Kanalisationen, Kraftwerke, Raffinerien, Telekommunikation; die Liste ist endlos und die Öffnung Sudans in Richtung Westen nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 hat die europäischen Baukonzerne ebenso elektrisiert wie die asiatischen.
Investitionen in Infrastruktur
Der französische Energiekonzern Alstom baut für knapp 260 Millionen Euro einen Staudamm in Meroe, rund 500 Kilometer nördlich von Khartum. Die indische "Oil and Natural Gas Corporation" hat vor wenigen Tagen den Zuschlag für den Bau einer Ölleitung von Khartum nach Al Khair am Roten Meer erhalten. Kostenpunkt: 200 Millionen Dollar. Die deutsche Spezialbaufirma Bauer AG rammt gegenwärtig in Khartum neue Brückenfundamente in den Schlamm des Nils. Der koreanische Autohersteller Hyundai kommt mit den Lieferungen nicht nach, während die Vertreter von Mercedes über hohe Importzölle stöhnen.
Die Konkurrenz von MAN scheint einen Weg gefunden zu haben: Auf nahezu allen der zahlreichen Straßenbaustellen in und um Khartum sind neue Schwerlaster aus Ulm im Einsatz. Der französische Lastwagenhersteller Renault hat sich derweil ein Quasi-Monopol für Fernreisebusse gesichert; bei der Größe des Landes ein Geschäft mit Zukunft.
Viel Geld also, das in Sudan zu verdienen ist. Bislang wird zwar ein großer Teil der Öleinnahmen in Waffengeschäfte und Kriegsanstrengungen investiert. So soll Sudan mehrere moderne Kampfflugzeuge vom Typ MIG 29 bestellt haben, wobei nicht klar ist, ob die Flugzeuge schon geliefert wurden. Gleichzeitig aber muß das Regime in Khartum in die Infrastruktur investieren, um dem wirtschaftlichen Aufschwung, der sich vor allem in Khartum zeigt, Nachhaltigkeit zu sichern. Das ist schon deshalb geboten, weil der politische Fundamentalismus der Vergangenheit massive Unzufriedenheit in der Bevölkerung hervorgerufen hat und die Regierung nun versucht, sich als Garant bescheidener Prosperität anzudienen.
Wer partizipiert an den Ölvorkommen?
Vor dem Hintergrund immer neuer Ölfunde, die sich von den bekannten Feldern in Zentralsudan in Richtung Westen verschieben, bekommt auch die Darfur-Krise eine zusätzliche Dramatik. Die UN schätzen, daß dort bis zu 50.000 Menschen wegen der Folgen des Konfliktes ums Leben gekommen sind. Zudem haben nach diesen Angaben Milizen wohl mehr als eine Million Angehörige der schwarzafrikanischen Bevölkerungsgruppe vertrieben.
Die Felder des sogenannten Block 6 erstrecken sich mittlerweile von West-Kordofan durch den Süden Darfurs bis knapp an die Grenze zur Zentralafrikanischen Republik. Den Zuschlag für Block 6 erhielt die chinesische China National Petroleum Corporation. Vor einigen Monaten waren für kurze Zeit zwei ihrer Ingenieure in Darfur von Djandjawid entführt worden. Nach Intervention aus Khartum kamen sie nach wenigen Tagen unbeschädigt wieder frei.
Ob in Darfur ähnlich große Ölvorkommen liegen wie in Zentralsudan, ist dabei ein ebenso heiß diskutiertes Thema, wie die Angaben darüber schwammig sind. Indes zeigen sich zwischen den Vorkommnissen in Zentralsudan und denen in Darfur auffällige Parallelen. In Zentralsudan wurde die einheimische Bevölkerung brutal vertrieben, um eventuelle Forderungen nach Partizipation an den Öleinnahmen von vorneherein auszuschließen. Aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist eine der Forderungen der Rebellen in Darfur: Neben der Entwaffnung der Djandjawid und der Schaffung eines Rechtsstaates verlangen sie dreizehn Prozent der künftigen Öleinnahmen.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.07.2004, Nr. 172 / Seite 2
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