Die Verhältnisse bei dem Unternehmen werden zunehmend abenteuerlich: Eine Fusion mit Talkline oder ein Verkauf des Mobilfunkgeschäfts widerspräche allen bisher verkündeten Plänen. Das Unternehmen war erst im März durch die Fusion des Mobilfunkproviders Mobilcom mit seiner Internettochter Freenet.de entstanden. Der Zusammenschluss sollte dem neuen Konzern mehr Möglichkeiten eröffnen, Kombiprodukte aus Festnetz, DSL-Zugang und Mobilfunk anzubieten. Freenet lehnte ab, die Gespräche mit Talkline zu kommentieren; Talkline, indirekt im Besitz des Finanzinvestors Permira, reagierte nicht auf eine Anfrage.
Ein rascher Verkauf könnte ganz nach dem Geschmack der frisch bei Freenet eingestiegenen Finanzinvestoren Vatas und Florian Homm sein: Eine Zerschlagung von Freenet würde weitere Ausschüttungen an die Aktionäre ermöglichen. "Die Einzelteile sind mehr wert als die Summe. Die Bereitschaft, für DSL-Kunden einen guten Preis zu zahlen, hat sich zuletzt deutlich erhöht", sagte Homm der FTD. Wer Freenet übernehme, werde zur Nummer zwei hinter der Telekom - dieses verspreche einen attraktiven Verkaufspreis.
Geschäfte gehen schlecht
Vorstand Spoerr steht unter Druck: Die Freenet-Geschäfte laufen derzeit schlecht. Die Verkaufszahlen der Einzel- und Kombiprodukte bleiben weiter hinter den Erwartungen zurück. "Wir haben einen strategischen Nachteil durch die Hängepartie mit der Fusion", sagte eine Firmensprecherin, ohne Details zu nennen. Die durch Aktionärsklagen lange verzögerte Fusion laste auf dem Geschäft. Vorstand Spoerr hatte jüngst gegenüber Investoren bereits eingestanden, dass Freenet als Nachzügler agiere: "Wer seine Sonntagsbrötchen erst am Mittwoch verkaufen will, hat ein Problem."
Der Konzern stehe vor einem Scherbenhaufen, urteilen Branchenkenner. Weder online noch im stationären Vertrieb halte Freenet mit dem Marktwachstum mit. "Beide Segmente stehen stärker unter Druck als je zuvor: Zum einen wird (...) die Mobilfunksparte durch die Mobilfunkstrategie von United Internet, die aggressiven Produkte von E-Plus und die Zweitmarke der Telekom (...) geradezu torpediert", krittelt Joeri Sels, Analyst der DZ Bank, in einer aktuellen Studie. Zudem werde "die Festnetzsparte durch die überlegene Strategie von United Internet (...) bei gleichzeitig beschleunigter Umsatzerosion im schmalbandigen Internetzugang belastet."
Aktionärsstruktur von FreenetInsider vermuten, Homm handele mit dem Vorschlag, Firmenteile zu verkaufen, im stillschweigenden Einvernehmen mit dem neuen Freenet-Großaktionär Vatas, der vom Londoner Investor Rob Hersov kontrolliert wird. Dieser hatte vergangene Woche ein Paket von 18,67 Prozent der Anteile von dem US-Investor TPG übernommen - kurz vor Ausschüttung einer Sonderdividende in Höhe von 576 Mio. Euro. Diese war von TPG gefordert worden, da bei der Fusion Bilanzreserven gehoben wurden.
Der Ausstieg hat sich für die Amerikaner gelohnt: Sie waren vor zwei Jahren für nur 265 Mio. Euro eingestiegen, jetzt verkauften sie für etwa 420 Mio. Euro. Die Auszahlung der Sonderdividende mussten sie nicht mehr abwarten - sie war zuletzt bereits im Aktienkurs eingepreist.
Der TPG-Ausstieg hatte sich bereits zu Jahresbeginn angedeutet: Die Amerikaner waren erbost über Spoerrs Verzögerungstaktik, keinen Beschluss über die Gewinnverwendung zu fassen, behaupten Beteiligte. Mitte April habe TPG dann Spoerr die "Pistole auf die Brust gesetzt": Binnen vier Wochen solle er einen Käufer für den TPG-Anteil finden - oder das Aktienpaket werde an der Börse platziert.
Geschäftsführer von Vatas ist der einst hochgejubelte und von Ex-Kanzler Kohl protegierte Unternehmer Lars Windhorst. Er war jüngst eher unrühmlich aufgefallen. Im August 2004 war die letzte seiner Firmen pleitegegangen, vier Monate später beantragte der 30-Jährige die Privatinsolvenz - mit 81 Mio. Euro Schulden. Windhorst ist bei der Justiz kein Unbekannter. Gegen ihn laufen noch zwei Ermittlungsverfahren, etwa wegen Betrugs. Anklage wird bisher nicht erhoben, Windhorst bestreitet die Vorwürfe.
Windhorst und Homm kennen sich gut - Vatas und Homm sind bei dem strauchelnden Handy-Zulieferer Balda engagiert. Von dort kommt auch einer der neuen Aufsichtsräte von Freenet: Richard Roy. Der Balda-Aufsichtsratschef soll mit dem Kölner Thorsten Krämer sowie dem Bonner Anwalt Dieter Leuering als Ersatz für die TPG-Vertreter gewählt werden. Damit gewinnt Vatas wohl direkte Kontrolle: Leuerings Kanzlei Flick Gocke Schaumburg soll regelmäßige Vertreterin Vatas' sein. |