In letzter Zeit mehren sich die Anzeichen häufen, dass der Präsident im "kollektiven Westen" bald in Ungnade fallen könnte.
Dafür spricht etwa die Tatsache, dass quasi die westlichen Staaten, allen voran die USA, zum ersten Mal seit Kriegsbeginn die Ukraine für ihr Vorgehen öffentlich gerügt haben. Laut Angaben der "Jungen Welt" hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International der ukrainischen Armee in einem am 4. August veröffentlichten Report vorgeworfen, durch verbotene Militärtaktik unnötig Zivilisten gefährdet zu haben. Unter Verweis auf eigene Untersuchungen im Kriegsgebiet hieß es aus der US-nahen Nichtregierungsorganisation, dass Kiews Truppen "wiederholt aus Wohngebieten heraus operiert" hätten, was ein "Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht" sei, der durch nichts gerechtfertigt werde.
Auch die Invasion Russlands entbände die ukrainische Armee "nicht von ihrer Pflicht", sich an völkerrechtliche Regelungen zu halten, so Amnesty International. Die NGO verweist diesbezüglich auf ein von ihr dokumentiertes Muster des ukrainischen Militärs, das Zivilisten in Gefahr bringen und Kriegsrecht verletzen soll. Demnach hätte es zu den meisten dokumentierten Einsätzen in Wohngebieten mögliche alternative Standorte gegeben – etwa Militärstützpunkte oder dicht bewaldetes Gebiet.
Selenskij hat den Bericht aufs Schärfste kritisiert und Amnesty International vorgeworfen, "die Verantwortung vom Angreifer auf das Opfer zu verlagern", schreibt die Süddeutsche Zeitung. Das ukrainische Verteidigungsministerium hingegen soll sich zu den Vorwürfen der Organisation bislang nicht geäußert haben.
Dass das ukrainische Militär sich in dieser Frage also zurückhält und allem Anschein nicht bereit ist, ihrem Chef den Rücken zu stärken, deutet darauf hin, dass der bestehende Konflikt zwischen Selenskij und dem Generalstab inzwischen seinem Siedepunkt erreicht hat. Diversen Berichten nach soll es heftige Auseinandersetzungen mit Selenskij gegeben haben, etwa als ukrainische Truppen in Severodonetsk und Lissitschansk kurz davor standen, eingekreist zu werden, und das Oberkommando sie zurückziehen wollte. Selenskij und die politische Führung der Ukraine entschieden jedoch, den westlichen Medien eine weitere Heldensaga zu liefern, anstatt die Soldaten rechtzeitig zurückzuziehen.
[siehe dazu mein Post # 382 über die Notwendigkeit von Erfolg für "nachhaltiges" Heroentum]
Ebenfalls sehr unerfreulich für Selenskij sind die Leaks aus der ukrainischen Verteidigungsbehörde, die kürzlich im Netz aufgetaucht waren. Aus diesen Leaks, die russischen Medien zufolge aus einem Bericht des ukrainischen Oberkommandos stammen, geht hervor, dass "191.000 ukrainische Soldaten" im Krieg bereits getötet bzw. verletzt wurden, dass die ukrainische Armee sich in einem desolaten Zustand befindet und dass die Truppenstärke um mehr als die Hälfte abgenommen hat. Zudem ist die medizinische Versorgung am Limit und es fehlt an Schusswaffen und kugelsicheren Westen, ebenso wie an qualifiziertem Personal, um das westliche Kriegsgerät zu bedienen.
Zu allem Übel soll sich die Kampfmoral der Ukrainer praktisch auf dem Tiefpunkt befinden, trotz der vielen "Siegesmeldungen" im Netz und der zahlreichen Kampagnen zur Unterstützung der Soldaten.
Ob diese Informationen der Wahrheit entsprechen, kann man nicht genau feststellen. Es sieht aber ganz danach aus, als ob der ukrainische Generalstab damit im Grunde eine kommende Niederlage einräumen und die Schuld dafür der politischen Führung des Landes, Selenskij und dessen Team, in die Schuhe schieben will.
Angesichts dessen könnte der ukrainische Staatschef bald womöglich auch die Zustimmung seiner westlichen Partner verlieren. Denn die aktuelle Entwicklung im Ukraine-Konflikt zeigt, dass der kollektive Westen sich in diesem Zusammenhang nicht mehr einig ist und dass die Zeit nun gegen ihn und Kiew läuft. Die Europäische Union etwa pocht nicht mehr auf eine Niederlage Russlands und geht bestimmt auch nicht mehr davon aus, dass die Macht im Kreml zusammenbrechen wird.
Stattdessen wird in einigen europäischen Staaten bereits über die Notwendigkeit von Verhandlungen diskutiert, damit die Spannungen mit Russland angesichts der Energiekrise nicht noch weiter verschärft werden. Von einem Sieg über die russischen Truppen redet zumindest in Europa offenbar kaum noch jemand. Dieses Schicksal steht wahrscheinlich auch Selenskij bevor...
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