Der berühmte italienische Bildhauer Michelangelo wurde einst gefragt, wie er die herrliche Statue von David erschaffen habe. Er erwiderte: „Ganz einfach - ich musste nur wegnehmen, was nicht David war.“ Hätte Michelangelo mit 3D-Druck gearbeitet, dann hätte er seinen David voll und ganz erschaffen können - ohne etwas weghauen zu müssen.
Diese Analogie macht deutlich, worin der Unterschied zwischen konventioneller Bearbeitung und dem 3D-Druck besteht. Bei der erstgenannten werden Teile hergestellt, indem alle nicht erwünschten Materialien durch Fräsen, Schleifen, Hobeln oder Bohren entfernt werden. Bis zu 98 Prozent des Materials können dabei im schlechtesten Fall verloren gehen – bares Geld. Beim 3D-Druck hingegen entstehen die Teile nach den genauen Vorgaben des digitalen Entwurfs, und werden ohne Ausschuss und Abfälle in einem einzigen Arbeitsschritt hergestellt. Allein dadurch rechnet sich der Einsatz der Maschinen schon.
Zwar machte die Drucktechnik, die Fachleute auch als additive Fertigungsmethode bezeichnen, ihre Schlagzeilen bislang vor allem mit Produkten für den Privatmann – doch viel größeren Einfluss wird sie allem Anschein nach in der Industrie nehmen. Der 3D-Druck eröffnet hier nahezu unbegrenzte individuelle Anpassungsmöglichkeiten. Auf der Grundlage praktisch jeden digitalen Modells entstehen dreidimensionale Objekte. Dem Produktdesign stehen dadurch völlig neue Wege offen. Die Komplexität eines Teils ist kein Faktor mehr für seinen Preis, weil die Vielzahl einzelner Arbeitsschritte wegfällt. Außerdem eignen sich bestimmte Arten von 3D-Druckern auch zur Herstellung von Metallteilen, die unter anderem im Maschinenbau vonnöten sind – egal ob Aluminium, Nickel oder Stahl.
Einige Unternehmen haben mit der Serienproduktion von Hightech-Teilen bereits begonnen. Prädestiniert ist die additive Fertigung vor allem für solche Bereiche, in denen jedes Gramm weniger an Gewicht große Vorteile bringt – so zum Beispiel im Flugzeugbau. Dass einige Unternehmen hier schon aktiv sind, beweist, für wie zuverlässig sie die 3D-Drucktechnik halten. Denn die Belastungstests, die die Bauteile vor ihrem tatsächlichen Einsatz bestehen müssen, sind besonders streng. Ohne das entsprechende Vertrauen wären Hersteller deutlich weniger engagiert.
Auch im Bau von Flugzeugtriebwerken hat die 3D-Fertigung enorme Vorteile. Am weitesten unter den Herstellern in diesem Bereich ist GE. Dessen neue LEAP-Triebwerke, die unter anderem für den Airbus A320neo eingesetzt werden sollen, werden mit 19 per 3D-Druck gefertigte Brennerdüsen ausgestattet. Mit der traditionellen Fertigungsweise mussten sie bislang aus 20 Einzelteilen zusammengebastelt werden. Dieser Schritt fällt künftig ersatzlos weg. Und nicht nur das: Die neuen Triebwerke mit den 3D-Düsen sind durch die Verwendung von Keramikfaser-Verbundwerkstoffen auch leichter, stabiler und halten höhere Temperaturen von bis zu 1.315 Grad Celsius aus. Durch das geringere Gewicht sollen die LEAP-Triebwerke 15 Prozent Treibstoff einsparen.
Ab 2016 sollen die Triebwerke in den Flugzeugen eingesetzt werden. Ihr Erfolg zeigt sich aber schon jetzt: Aus über 20 Ländern wurden schon mehr als 6.000 Bestellungen entgegengenommen. Produziert wird es von CFM International, einem Joint Venture zwischen Snecma und GE.
Das Unternehmen erwartet, dass bis 2020 über 100.000 Teile im Aviation-Bereich aus dem 3D-Druck stammen werden. Bis dahin müssen die Geräte noch um einiges schneller sein – doch Forscher halten das für absolut realistisch. Und Zeit spart die Fertigungsmethode auch jetzt schon, da die umständliche Montage aus Einzelteilen wegfällt.
Innerhalb des Konzerns ist die Turbinensparte allerdings bei weitem nicht die einzige, die mit dem additiven Fertigungsverfahren arbeitet. Neben der Gasmotorensparte in Jenbach hat sich auch die Erneuerbare-Energien-Sparte in Salzbergen einen 3D-Drucker angeschafft, um damit maßgeschneiderte Werkzeuge und Komponenten herstellen zu können. Einer der Erfolge in der Anwendung ist ein automatisches Schmiersystem, mit dem das Unternehmen einige Arbeitsstunden einsparen kann. Dieses System besteht hauptsächlich aus dem sogenannten Getrieberitzel, durch das das Schmiermittel hindurchgepumpt und direkt auf die Blattlager der Windenergieanlage aufgetragen wird. Letztere sind ein wesentlicher Bestandteil der Windkraftanlage, denn sie drehen die Blätter in den und aus dem Wind. Bislang muss das Schmieren der Blattlager von Hand vorgenommen werden. Das neue Teil spart also in der Produktion Zeit und Geld.
Der 3D-Druck ist für solch komplexen Arbeiten ideal geeignet, denn die Löcher werden hier direkt auf das Teil „gedruckt“. Im Vergleich zu den traditionellen Fertigungsmethoden wie Guss und maschineller Bearbeitung, die größtenteils auf dem Entfernen von Material beruhen, müssen hier nicht erst entsprechende Werkzeuge bereitgestellt werden. Zudem entfallen weitere Bearbeitungsschritte wie das Bohren der insgesamt 134 Löcher pro Getrieberitzel.
Ein immenser Vorteil ist auch die Geschwindigkeit, in der solche neuen Teile umgesetzt werden können. Vom Entwurf bis zum Zusammenbau und Test vergingen im Falle des Schmiersystems nur vier Tage. In der traditionellen Fertigung hätte der Prozess alleine für die Werkzeugbereitstellung Wochen erfordert, und anschließend hätte das Teil noch bearbeitet und gebohrt werden müssen. Kein Wunder also, dass in Forschungsabteilungen überall auf der Welt derzeit untersucht wird, wo das Verfahren sich noch gewinnbringend einsetzen lässt. Beim 3D-Druck entsteht aus einer Idee schnell ein Design und daraus ein fertiges Produkt – ein Prozess, den auch Michelangelo vielleicht zu schätzen gewusst hätte. |