ISRAEL
Massive Drohungen aus Syrien und Iran
Acht Menschen wurden beim Angriff auf die israelische Stadt Haifa getötet. Laut Vize-Ministerpräsident Mofas wurden die Geschosse in Syrien angefertigt. Damaskus droht: Im Falle eines Angriffs müsse Israel mit "harten Reaktionen" rechnen. Iran warnte vor "unvorstellbaren Verlusten".
Damaskus/Jerusalem/St. Petersburg - Die syrische und die iranische Regierung drohten Israel mit ernsten Konsequenzen, sollte die israelische Armee Syrien angreifen. "Unsere Antwort wird direkt, hart und grenzenlos sein", sagte der syrische Informationsminister Mohsen Bilal heute der staatlichen Nachrichtenagentur. Gestern Abend hatte Israel einen Ort nahe der Grenze zwischen Libanon und Syrien beschossen. Nach libanesischen Angaben trafen die Raketen das sogenannte Niemandsland jenseits des libanesischen Grenzpostens. Israel stellte klar: Syrisches Gebiet sei nicht unter Feuer genommen worden.
Die Raketen, die heute Morgen in der israelischen Hafenstadt Haifa einschlugen, sind nach Einschätzung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Schaul Mofas in Syrien hergestellt worden. "Das sind syrische Waffen", sagte der frühere Verteidigungsminister bei einem Rundgang durch das Bahndepot in Haifa, in dem bei dem Raketenangriff acht Menschen ums Leben kamen. Aus israelischen Sicherheitskreisen hatte es zuvor geheißen, die Hisbollah habe für den Angriff Raketen aus dem Iran eingesetzt.
Drohungen gen Jerusalem kamen heute auch aus Teheran: Die iranische Führung kündigte für den Fall einer israelischen Attacke auf Syrien mit "unvorstellbaren Verlusten". "Wir hoffen, dass die zionistische Regierung nicht den Fehler begehen wird, Syrien anzugreifen", sagte Außenamtssprecher Hamid Resa Asefi heute. Eine Ausweitung des Konflikts werde für Israel unabsehbare Folge haben. Iran stehe "an der Seite des syrischen Volkes". Syrien und der Libanon könnten auf den "geistlichen und humanitären Beistand" des Iran rechnen.
Im Libanon gehen derweilen die Kampfhandlungen weiter: Die israelische Luftwaffe setzte am späten Vormittag ungeachtet internationaler Aufrufe zur Mäßigung ihre Luftangriffe auf die libanesische Hauptstadt Beirut fort. Bei den Angriffen wurde laut einem israelischen Fernsehbericht Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah verletzt. Einzelheiten nannte der private Fernsehsender heute Morgen nicht. Von der Hisbollah gab es zunächst keine Reaktion. Nasrallah hatte Israel am Freitag den offenen Krieg erklärt. Gestern zerstörte die israelische Luftwaffe Nasrallas Hauptquartier im Süden Beiruts.
Nach Angaben einer ihrer Generäle sind im Libanon auch Sonderkommandos an Bodeneinsätzen beteiligt. "Ich lehne es natürlich ab, Einzelheiten über die Operationen, ihren Umfang und ihre Aufgaben preiszugeben", sagte General Gadi Eisenkraut heute im Hörfunk. Die auflagenstärkste Zeitung Israels, die "Jediot Ahronot", meldete heute: "Kämpfer von israelischen Sondereinheiten sind zu gezielten Bodenoperationen in den Libanon eingedrungen."
Weiter israelische Luftangriffe auf Beirut
Der israelische Militärhörfunk berichtete unterdessen, sämtliche Radarstationen der libanesischen Armee seien zerstört worden. Dies sei geschehen, weil die Radarstationen dazu gedient hätten, Raketen auf israelisches Territorium zu steuern.
Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert kündigte nach dem Angriff auf Haifa "langfristige Konsequenzen" an. Dies beziehe sich auf die Grenze im Norden, den Libanon und die gesamte Region. Seine Regierung sei entschlossen, "alles zu tun, was zur Verwirklichung unserer Ziele erforderlich ist", sagte der Regierungschef zu Beginn einer Kabinettssitzung in Jerusalem.
Die Hisbollah-Miliz hatte sich zuvor gerühmt, neuartige Raketen mit größerer Reichweite zu besitzen. "Unsere Kämpfer haben Raketen vom Typ Raad 2 und Raad 3 auf Haifa gefeuert", hieß es in einer in Beirut verbreiteten Erklärung der Hisbollah. Die ersten Raketen vom Typ Raad ("Donner") wurden 2004 im Iran hergestellt. Auf Expertenseiten im Internet wird ihre Reichweite auf 120 bis 350 Kilometer geschätzt. Die Hisbollah drohte Israel mit weiteren Angriffen auf Haifa.
60 Sekunden Zeit, sich in Sicherheit zu bringen
Israels Armee rief die Einwohner Tel Avivs und der weiter nördlich gelegenen Landesteile nach den Raketenangriffen zur erhöhten Alarmbereitschaft auf. Auch die Bewohner der zentraleren Gebiete Israels müssten im Falle von Warnsirenen darauf vorbereitet sein, Schutzräume aufzusuchen, sagte die höchste Armeesprecherin Miri Regev. Die Menschen hätten dann etwa 60 Sekunden Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.
Die libanesische Regierung brachte ihre "Enttäuschung und Frustration" über das Schweigen des Weltsicherheitsrates zur Eskalation im Nahen Osten zum Ausdruck. Beiruts diplomatischer Vertreter bei den Vereinten Nationen, Nouhad Mahmoud, forderte in New York eine Waffenstillstands-Resolution vom Rat.
Nach Ansicht von US-Außenministerin Condoleezza Rice reicht ein Waffenstillstand nicht aus. Es wäre ein falsches Signal an die extremistischen Gruppen Hisbollah und Hamas, wenn sie nach einem vorübergehenden Schweigen der Waffen weiterhin in der Lage wären, ihre Raketenangriffe auf Israel fortzusetzen, sagte Rice heute beim G8-Gipfel in St. Petersburg. Notwendig sei eine nachhaltige Lösung der Probleme, die die moderaten Kräfte im Nahen Osten stärke.
Leichen israelischer Soldaten gefunden
Angesichts der anhaltenden Kämpfe im Libanon bereitet Großbritannien eine Evakuierungsaktion für mehrere Tausend seiner Bürger mit Kriegsschiffen vor. Die Marine sei angewiesen worden, dafür zunächst zwei Schiffe bereit zu halten, berichtete die BBC heute. Zuvor waren die 20.000 britischen Staatsbürger im Libanon aufgerufen worden, mit ihrer Botschaft in Beirut Kontakt aufzunehmen. Außenministerin Margaret Beckett sagte, die Briten sollten sich möglichst bedeckt halten und sich auf eine Evakuierung einstellen.
Die Leichen dreier israelischer Soldaten, die nach einem Angriff der Hisbollah auf ein Kriegsschiff vor der libanesischen Küste vermisst worden waren, wurden heute gefunden. Eine Armeesprecherin bestätigte, die sterblichen Überreste der Männer seien auf See ausfindig gemacht und identifiziert worden. Die Leiche eines vierten Soldaten war bereits kurz nach dem Angriff gefunden worden.
Auch im Gazastreifen gab es heute wieder Gefechte. Bei einem israelischen Luftangriff im Norden des Gebietes wurden drei Palästinenser getötet und acht weitere verletzt. Nach Angaben von Rettungskräften schoss eine israelische Drohne im Gebiet der Stadt Beit Hanun eine Rakete auf eine Gruppe von bewaffneten Palästinensern ab. Israelische Panzer drangen mehrere hundert Meter weit in Beit Hanun ein.
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