"Vorbehalte aufgeben" Chirac wendet sich an USA
Der französische Präsident Jacques Chirac hat am Mittwoch die USA aufgerufen, "Vorbehalte" gegen die libanesischen Forderungen nach sofortiger Waffenruhe und Abzug der Israelis aus dem Südlibanon aufzugeben. Der Krieg bedrohe das Gleichgewicht im Nahen Osten, sagte Chirac in Toulon. Es wäre "die unmoralischste aller Lösungen", die "derzeitige Lage hinzunehmen und auf eine sofortige Waffenruhe zu verzichten". Jede Lösung müsse durch eine politische Einigung kommen, betonte Chirac." Wenn es keine Einigung mit Washington gebe, werde Paris notfalls eine eigene Resolution in den UN-Sicherheitsrat einbringen. Der mit den USA erarbeitete Entwurf sei eine Arbeitsgrundlage. Chirac begrüßte den libanesischen Vorschlag, 15.000 Soldaten in den Süden des Landes zu schicken. Bevor dort eine internationale Truppe stationiert wird, müsse es "ein politisches Abkommen beider Parteien geben". Frankreich sei bereit, sich an einer solchen Truppe zu beteiligen, wenn der Anteil anderer Staaten daran ausgewogen sei und ein klares Mandat vorliege. Trotz seiner Kritik an den USA äußerte sich Chirac zuversichtlich, dass Washington Änderungen am Entwurf für eine UN-Resolution zum Krieg im Libanon zustimmen werde. Er könne sich nicht vorstellen, dass wegen der Vorbehalte letztlich die Verabschiedung einer Friedensresolution scheitere.Denn dies würde bedeuten, dass die Weltgemeinschaft die Forderung nach einem Waffenstillstand fallen lassen würde. "Das kann ich mir weder von den Amerikanern noch jemand anderem vorstellen", sagte Chirac nach Beratungen mit Kabinettsmitgliedern. Kein Erfolg bei der UNO Die seit Wochen andauernden diplomatischen Bemühungen um eine Resolution der Vereinten Nationen sind bislang ohne Erfolg geblieben. Mit einer Verabschiedung wird nun frühestens für Donnerstag gerechnet. Die USA und Frankreich haben gemeinsam einen Entwurf ausgearbeitet. Der Libanon und die Arabische Liga lehnen ihn ab, weil darin nicht die Forderung nach einem sofortigen Abzug der Israelis aus dem umkämpften Süden des Landes enthalten ist. Nach dem Ende der Kämpfe soll eine mit einem robusten Mandat ausgestattete internationale Schutztruppe in die Region einziehen, um die Entwaffnung der von Israel bekämpften Hisbollah-Miliz durchzusetzen. Der Libanon hat die Stationierung von 15.000 Regierungssoldaten im Süden vorgeschlagen. Die libanesische Armee verfügt jedoch nur über geringe Kampferfahrung, und ihre Bewaffnung ist veraltet. Israel beschloss unterdessen eine Ausweitung seiner Bodenoffensive im Südlibanon. Der Beschluss des Sicherheitskabinetts könnte bedeuten, dass Israel 20 Kilometer tief bis zum Litani-Fluss vordringt. Derzeit stehen 10.000 Soldaten im Südlibanon, die eine bis zu sieben Kilometer tiefe Zone besetzt halten. Seit Beginn des Krieges vor vier Wochen sind im Libanon mehr als 1.000 und auf israelischer Seite etwa 100 Menschen ums Leben gekommen. UN-Menschenrechtsrat tagt Der UN-Menschenrechtsrat kommt am Freitag zu einer Sondersitzung zur Lage in Nahost zusammen. Dies teilte UN-Sprecherin Marie Heuzé in Genf mit. Arabische und islamische Mitgliedsländer hatten das Treffen beantragt und Israel schwere Menschenrechtsverletzungen im Libanon vorgeworfen. Auch China, Russland, Kuba und Südafrika unterzeichneten das Schreiben. Europäische Diplomaten waren gegen die Sitzung, weil sich schon der UN-Sicherheitsrat in New York mit dem Thema beschäftigt. Israel und die USA sind im Menschenrechtsrat nicht vertreten. Siniora sieht keine Fortschritte Der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora geht nach einem Treffen mit dem US-Nahostbeauftragten David Welch davon aus, dass ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah nicht unmittelbar bevorsteht. Siniora sagte: "Es gibt bislang keinen Fortschritt, (...) ich erwarte nicht, dass eine UN-Resolution die Gewalt heute oder morgen beenden wird." Es seien noch einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Welch war am Mittwoch zu einem vorab nicht bekannt gegebenen Besuch in Beirut eingetroffen, um mit der libanesischen Führung über den Entwurf einer UN-Resolution zur Beendigung des Konflikts zu sprechen. Er wollte in Beirut auch erneut mit dem schiitischen Parlamentspräsidenten Nabih Berri zusammentreffen, der derzeit als eine Art Vermittler zwischen der Hisbollah und den anderen Regierungsparteien agiert.
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