hab im Internet mal nachgeforcht, was eine Insolvenz nach Chapter 11 in Amerika bedeutet. Nach mehreren Interessanten Artikeln fand ich diesen besonders lesenswert. Quelle: http://www.der-syndikus.de/briefings/in/in_027.htm Jeder der diesen Artikel aufmerksam gelesen hat, sollte sich seine eigene Meinung bezüglich Intertainment, Franchise Picture bilden.
Unterschiede zwischen dem Chapter 11-Verfahren und dem deutschen Insolvenzplanverfahren
In Zeiten zunehmender Insolvenzen wird in Deutschland und den USA unterschiedlich mit der Unternehmenskrise umgegangen. Im folgenden Artikel schildert der Autor seine Erfahrungen als Vertreter des Schuldners in einem Chapter 11-Verfahren.
Die vereinfachende Charakterisierung des deutschen Insolvenzplanverfahrens beschreibt dieses Verfahren oft als ein dem Chapter 11-Verfahren vergleichbares Instrument. Zwar hat auch das Chapter 11-Verfahren einen Planteil, den die Insolvenzordnung in den §§ 328 ff. in weiten Teilen übernommen hat, gleichwohl sind die Unterschiede zum Chapter 11-Verfahren sehr deutlich. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, wo diese Unterschiede liegen und sie sollen die „Popularität" des Chapter 11-Verfahrens in den USA verdeutlichen.
Unterschiede zwischen Chapter 11-Verfahren und Planverfahren
Kontrolle des Verfahrens
Der wohl wichtigste Unterschied zwischen dem Chapter 11-Verfahren und dem Planverfahren ist das Maß an Kontrolle, das die bisherige Geschäftsleitung in den beiden Verfahren behält. Während es nach dem Planverfahren nach deutschem Recht üblich ist, dass zumindest ein Sachwalter benannt wird, so bleibt im Chapter 11-Verfahren in aller Regel die bisherige Geschäftsleitung im Amt. Zwar bietet auch das Chapter 11-Verfahren die Möglichkeit, einen sog. „Chapter 11 Trustee" zu ernennen, diese Möglichkeit wird allerdings nur dann genutzt, wenn starke Zweifel an der Ehrlichkeit oder den Fähigkeiten der Geschäftsleitung bestehen. In aller Regel bleibt die bisherige Geschäftsleitung im Amt und begibt sich unter die Kontrolle des Gerichts. Dies wird zumeist auch von den Gläubigern akzeptiert, denn die Chapter 11 Trustees genießen in den USA keinen guten Ruf bei den Kreditgebern. Die Trustees werden normalerweise von öffentlichen Trustee Offices entsandt und versuchen häufig über Anfechtung, die Insolvenzmasse zulasten der gesicherten Gläubiger zu mehren.
Trustees erscheinen auch deshalb als entbehrlich, weil das amerikanische Insolvenzgericht in weit höherem Maße in das Verfahren eingreift, als dies etwa bei einem deutschen Insolvenzgericht der Fall ist. Beide Rechtsordnungen stellen das Verfahren unter eine neutrale Kontrolle. Während die Insolvenzordnung diese neutrale Kontrolle beim Insolvenzverwalter oder Sachwalter verwirklicht sieht, der nach § 28 InsO unabhängig und fachlich geeignet sein muss, führt die Einleitung eines Insolvenzverfahrens in den USA zu einem kontradiktorischen Verfahren, bei dem Argumente für Maßnahmen der Geschäftsleitung vor dem Gericht ausgetauscht werden.
Einflussnahme des Gerichts
Ein weiterer Hauptunterschied liegt in der Funktion des Insolvenzgerichts. Während in Deutschland der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter Entscheidungen genehmigt oder selbst trifft, bleibt in den USA die Kompetenz der Geschäftsleitung weitgehend erhalten. Allerdings müssen alle Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs durch das Insolvenzgericht genehmigt werden. Hierbei kommt es zum Austausch von Informationen und Argumenten vor dem Gericht und schließlich zu einer richterlichen Entscheidung. Diese Entscheidung entlastet die Geschäftsführung, so dass keine weiteren Haftungsansprüche drohen.
Vertretung des Schuldners
Während das deutsche Insolvenzverfahren den Schuldner eher als Objekt des Verfahrens sieht, der durch den neutralen Insolvenzverwalter kontrolliert wird und dann eigentlich keine eigenständige Rolle mehr spielt, ist dies beim Chapter 11-Verfahren ganz anders. Hier hat der Schuldner seine eigene Rechtsvertretung und das oben beschriebene kontradiktorische Verfahren findet unter reger Beteiligung und Mitwirkung des Schuldners statt. Er ist deshalb nicht Objekt des Verfahrens, sondern aktiver Teilnehmer. Die Insolvenzordnung bietet zwar über die Eigenverwaltung diese Möglichkeit ebenfalls. Sie wird aber in Deutschland bislang kaum genutzt, sieht man von der jüngsten Tendenz ab, Insolvenzverwalter in die Geschäftsleitung zu berufen, um das Gericht zur Anordnung der Eigenverwaltung zu bewegen.
Finanzierung des Verfahrens
Die Möglichkeit, dem Schuldner seine eigene Rechtsvertretung zu gewähren, setzt voraus, dass dies finanziert wird. Hierzu gewähren die Gerichte sog. „Carve-outs". Dies bedeutet, dass die Vertreter der Gläubiger bzw. des Gläubigerausschusses sowie des Schuldnerunternehmens vom Gericht die Genehmigung erhalten, Gebühren gegenüber der Insolvenzmasse als Massekosten abzurechnen. Sämtliche Gebührennoten der beteiligten Anwälte oder wirtschaftlichen Berater bedürfen ebenfalls der Genehmigung des Gerichts.
Ein weiterer Hauptunterschied, was die Finanzierung des Verfahrens anbelangt ist das sog. „Debtor in Possession (DiP) Financing". In den USA gibt es Bankinstitute, die auf Finanzierung dieser Art spezialisiert sind. Die stark formalistische Struktur des amerikanischen Rechts, was Sicherheitenbestellungen anbelangt, führt sehr häufig dazu, dass Vermögenswerte der Schuldnerunternehmen nicht als Sicherungsgut verpfändet sind. Ein Bankinstitut, das sich auf DiP Financing spezialisiert hat, würde diese unbelasteten Vermögenswerte als Sicherheit für ein Massedarlehen verwenden. Während es nach deutschem Recht üblich ist, dass allenfalls Banken, die bereits beim Schuldner engagiert sind, sich an einem Massedarlehen beteiligen, hat sich in den USA eine spezielle Industrie herausgebildet, die derartige Finanzierungen übernimmt. Da auch diese Verträge nicht als dem ordentlichen Geschäftsbetrieb des Schuldners zugehörig aufgefasst werden, bedürfen auch die DiP Finanzierungen der Genehmigung des Gerichts. Für den Darlehensgeber hat dies die Folge, dass sein Ranganspruch an den gewährten Sicherheiten durch Gerichtsentscheid bestätigt ist und dadurch unanfechtbar wird.
Umgang mit Arbeitnehmerrechten
Ein weiterer Unterschied, der das Chapter 11-Verfahren so populär macht, ist sicher auch die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmerrechten. Jedem, der in Deutschland mit Reorganisation und Insolvenz zu tun hat, ist bekannt, dass es häufig die Ansprüche der Arbeitnehmer sind, die eine Reorganisation in der Insolvenz verhindern oder erschweren. Zwar gibt es keine Vorrechte, aber der Verwalter muss Kündigungsfristen beachten und es entstehen hierdurch und durch eventuell abzuschließende Sozialpläne umfangreiche Masseverbindlichkeiten. Das amerikanische Recht bietet die Möglichkeit, die Erfüllung sämtlicher Arbeitnehmerverträge abzulehnen und dann neu abzuschließen. Zwar ist auch die personelle Umstrukturierung in den USA manchmal teuer, da insbesondere leitende Mitarbeiter über sog. „Severance Agreements" einen sehr weitgehenden Kündigungsschutz erreichen. Auch diese Verträge können allerdings in der Insolvenz abgelehnt werden, was dazu führt, dass die Arbeitnehmer mit ihren Schadensersatzforderungen Insolvenzgläubiger sind. Die Möglichkeit der Vertragsablehnung besteht auch für andere Dauerschuldverhältnisse - hier liegt allerdings kein wesentlicher Unterschied zum Verfahren in Deutschland vor.
Gesamtwürdigung
Fasst man die Charakteristika des Chapter 11-Verfahrens zusammen, so zeigt sich, dass es sich um ein Verfahren handelt, bei dem die Geschäftsleitung im Amt bleibt, aber auch der Anteilseigner die Chance hat, nach Abschluss des Verfahrens die Kontrolle über sein Unternehmen wieder zu erlangen. Der Preis dafür liegt sicherlich in der mit dem Insolvenzverfahren einhergehenden Rufschädigung und in der Tatsache, dass sich die Geschäftsleitung unter die Kontrolle des Gerichts begeben muß. Die Kontrolle ist dabei sicher oftmals lästig, da sie mit Kosten verbunden ist und auch äußerst zeitaufwendig sein kann, da jeweils Entscheidungen des Gerichts eingeholt werden müssen. Sie hat allerdings für die Geschäftsleitung den eindeutigen Vorteil, dass die persönliche Haftung durch den Gerichtsbeschluss ausgeschlossen wird.
Alles in allem zeigt sich, dass das Chapter 11-Verfahren insbesondere für den Schuldner äußerst attraktiv ist. Er kann sich unter die Kontrolle des Gerichts begeben und die „Wohltaten" des Insolvenzverfahrens wie Trennung zwischen Altforderungen und Masseverbindlichkeiten in Anspruch nehmen. Ein weitgehendes Maß an Kontrolle über das Verfahren bleibt dem Schuldner erhalten und er kann einen Neuanfang versuchen. Betrachtet man das Verfahren aus der Sicht der Gläubiger, so wird ein Insolvenzverfahren die Gläubiger nie sonderlich glücklich stimmen, da das Verfahren immer dazu führt, dass Verbindlichkeiten nicht bezahlt werden.
Allerdings gibt es in den USA keinerlei ernsthafte Bestrebungen, das Chapter 11-Verfahren abzuschaffen. Alles in allem scheint man auch von Gläubigerseite die Vorteile des Verfahrens zu sehen, dass nämlich der Schuldner über weitreichende Offenlegungspflichten Informationen weitergibt und man im Gerichtsverfahren ein Forum findet, bei dem Gläubiger wie auch Schuldner Argumente austauschen können und eine richterliche Entscheidung herbeigeführt werden kann. Während bei einem deutschen Verfahren die Wahl des Insolvenzverwalters und die Ungewissheit über die Person des Insolvenzverwalters sowohl für Gläubiger wie für Schuldner sicher eine abschreckende Wirkung hat, ist dies in den USA nur eingeschränkt der Fall, da das Management den Banken in aller Regel bekannt ist. Wo Gläubiger ernsthafte Zweifel an der Lauterkeit oder an den Fähigkeiten des Managements haben, bietet die Ernennung eines Chapter 11 Trustee einen entsprechenden Ausgleich.
Sieht man diese Grundcharakteristika des Chapter 11-Verfahrens, so wird deutlich, warum es in den USA weit populärer ist als das deutsche Planverfahren hierzulande. Es bietet dem Eigentümer der Unternehmung wie auch der Geschäftsleitung die Möglichkeit, einen Reorganisationsversuch durchzuführen, der zwar unter der Aufsicht des Gerichts stattfindet, der aber weitgehend die Kontrolle des Verfahrens der bisherigen Geschäftsleitung bzw. dem Anteilseigner überlässt, während das deutsche Planverfahren aufgrund der Schwierigkeiten in der Finanzierung und der Entscheidung des Gerichts über die Person des Sachwalters deutlich unberechenbarer ist.
Autor: Dr. Christof Schiller
|