Erste Reaktorgebäude in Lubmin stehen vor dem Abriss. Die Energiewerke Nord haben die entscheidenden Anträge beim Land gestellt. Dies ist bisher einmalig in der Bundesrepublik Deutschland und Lubmin ist der Vorreiter.
Quelle: www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/Wirtschaft/...stehen-vor-dem-Abriss Lubmin AKW-Rückbau in der Endphase
Lubmin. Die bundeseigenen Atommüllentsorger Energiewerke Nord (EWN) stehen vor einem Umbruch. Mit dem letzten von 30 Dampferzeugern wurde im Februar rund 23 Jahre nach Abschaltung der DDR-Kernreaktoren das letzte radioaktiv belastete Großteil in das atomare Zwischenlager Nord in Lubmin gebracht. Jetzt geht es dem Beton am einst größten DDR-Kraftwerk in Lubmin an die Substanz. Die ersten Gebäude — ein 100 Meter hoher radioaktiv verseuchter Schornstein sowie ein zu den Reaktorblöcken 1 und 2 gehörendes Spezialgebäude — stehen vor dem Abriss.
Die Anträge dafür haben die EWN beim Land gestellt oder sind in Vorbereitung, wie EWN-Chef Henry Cordes sagt.
Die kontaminierten Reaktorgebäude selbst sollen in „Langzeitverwahrung“ gehen. Rund 50 Jahre — so die Planung — sollen die radioaktiv verseuchten Gebäude stehen bleiben, um sie nach einem natürlichen radioaktiven Zerfall mit deutlich geringerem technischen Aufwand und geringeren Kosten abreißen zu können. Der Antrag dafür ist bislang nicht entschieden. Im Jahr 1990 nach Abschaltung der ostdeutschen AKW Lubmin und Rheinsberg gehen die Rückbauarbeiten an dem Kraftwerk in Vorpommern mit einst fünf Reaktorblöcken in die Endphase. Rund 83 Prozent der kontaminierten und 95 Prozent der kerntechnischen Nebenanlagen seien zurückgebaut, sagt Cordes. „Was jetzt kommt, ist aufwendige und zeitraubende Kleinarbeit. Der Teufel steckt im Detail.“ Nach den Großkomponenten müssen radioaktiv belastete Rohre, Elektrokabel und Versorgungssysteme aus dem Beton geschnitten, dekontaminiert oder sicher zwischengelagert werden. Rund 4,2 Milliarden Euro kostet den Bund die Entsorgung der atomaren Hinterlassenschaften der DDR. Ob das Geld ausreichen wird, ist nicht absehbar. Bis 2015 sollen zumindest die kontaminierten Teile zwischengelagert sein. Mit jedem Meter Rohr, das die EWN-Leute aus dem Beton schneiden, drängt sich die Frage auf: Was passiert mit dem Unternehmen, wenn die Demontage abgeschlossen ist? Fakt ist: Die Lichter werden in Lubmin nicht ausgehen. Schon allein deswegen, weil nach dem Streit über das Atomendlager der vergangenen Jahre absehbar ist, dass das Zwischenlager länger als bis 2039 hochradioaktiven Müll beherbergen wird. Bund und Länder hatten sich im Sommer auf einen Neustart der Endlagersuche geeinigt. „Wir werden wahrscheinlich um 2030 einen Antrag auf Verlängerung der Aufbewahrungsgenehmigung stellen müssen“, sagt Cordes. Auch der schwachradioaktive Abfall geht nicht vor 2020 in das Endlager Schacht Konrad. Das sorgt für Beschäftigung im Zwischenlager Nord — zumindest für einen Teil der Belegschaft.
Die EWN definieren ihre Rolle neu, sehen sich nach Atomausstieg und Energiewende auf dem Weg zu „dem nuklearen Entsorgungsdienstleister des Bundes“. Kündigungen von 20 Mitarbeitern im Jahr 2012 haben aber Unruhe ins Unternehmen gebracht. „Wir sind dabei, die Mitarbeiterstruktur deutlich zu verjüngen“, sagt Cordes. Die EWN, einziger bundeseigener Atommüllentsorger, beschäftigen 51 Azubis und finanzieren sechs Studenten ein Studium. Die EWN-Führung ist zuversichtlich, den Stamm von 800 Mitarbeitern langfristig halten zu können.
Zustimmung kommt von ungewohnter Seite: „Das Knowhow der EWN-Mitarbeiter sollte in diesem sensiblen Bereich wie dem Atomrückbau weiter genutzt werden“, sagt Grünen-Fraktionschef Jürgen Suhr.
Kategorisch schließen die Grünen im Land aber aus, dass das am Standort Lubmin geschieht. „Wir brauchen bundesweit einen Ausstiegskorridor mit ausreichenden Zwischenlager- und Rückbaukapazitäten an den betroffenen Standorten“, sagt Suhr. Bedingung: keine Atomtransporte mehr durch das Land nach Lubmin.
Die Atommüllentsorger des Bundes Die bundeseigenen Energiewerke Nord sind Rechtsnachfolger der stillgelegten Ost-Atomkraftwerke Lubmin und Rheinsberg. Sie verantworten den 4,2 Milliarden Euro schweren Rückbau der atomaren DDR-Hinterlassenschaften bis zur Überführung in ein Endlager. In der EWN-Gruppe arbeiten 1600 Mitarbeiter, davon 714 in Lubmin, 112 in Rheinsberg, 560 in Karlsruhe und 130 in Jülich. Die Zuwendung vom Bund betrugen 2013 rund 87,5 Millionen Euro. 40,5 Millionen Euro wurden aus Drittprojekten erwirtschaftet. |