HANDELSBLATT, Donnerstag, 16. August 2007, 20:21 Uhr Sarkozy fordert Eingreifen
Finanzkrise alarmiert Staatschefs
Die Politik ist aufgerüttelt. Die Staats- und Regierungschefs zeigen sich zunehmend besorgt über den Ausverkauf an den Börsen durch die US-Hypothekenkrise. Präsident Nicolas Sarkozy fordert, die G7-Finanzminister sollen das Thema auf die Tagesordnung setzen. Denn was zuvor immer dementiert worden war, scheint nun nicht mehr unmöglich.
HB CRAWFORD/PARIS. Der Grund ist stets derselbe: Die Hypothekenkrise in den USA sorgt weltweit für Verluste an den Finanzmärkten. Weil sich Banken und Hedgefonds mit schlechten Krediten übernommen haben, droht der gesamten Finanzbranche ein Abwärtsstrudel.
Die Entwicklung alarmiert nun auch die Politik. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs versuchten am Donnerstag erneut zu beruhigen. Die Fundamentaldaten der US-Wirtschaft seien stark, und das Wachstum halte an, sagte ein Sprecher des US-Präsidenten George W. Bush an dessen Urlaubsort in Texas.
Auch die französische Wirtschaft dürfte unbeschadet aus der Krise hervorgehen, sagte die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde. Falls nötig, könnten jedoch die G-7-Finanzminister noch vor ihrem nächsten regulären Treffen im Oktober über notwendige Schritte beraten.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mahnte zuvor in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich beim G-7-Treffen für mehr Transparenz an den Finanzmärkten stark zu machen. Die Freiheit an den Märkten bedeute nicht, dass das „Gesetz des Dschungels“ herrsche, sagte er später im Rundfunksender RTL. Die Regierungen seien an dieser Stelle nicht machtlos.
Grund für die zunehmende Aufregung in der Politik dürften auch Warnungen sein, dass die Krise sich doch auf das Wirtschaftswachstum auswirken könnte. Dies war zuvor von den meisten Ökonomen für unwahrscheinlich gehalten worden. US-Finanzminister Henry Paulson erklärte dagegen am Donnerstag, er erwarte Wachstumseinbußen durch die weltweite Krise an den Kreditmärkten. Die Neubewertung von Risiken am Finanzmarkt sei kaum eine Überraschung und unvermeidlich, sagte Paulson dem „Wall Street Journal“.
Das Eingreifen der Notenbanken stieß indes auf Zustimmung. Die Geldspritzen der Europäischen Zentralbank seien Schritte in die richtige Richtung, sagte Italiens Ministerpräsident Romano Prodi an seinem Urlaubsort an der Mittelmeerküste. In den nächsten Tagen werde sich zeigen, ob sie ausreichten. Der kanadische Finanzminister Jim Flaherty lobte eine Vereinbarung der Marktteilnehmer zum Handel mit Kreditderivaten. Er sei weiterhin in engem Kontakt mit der Bank von Kanada und Marktteilnehmern, fügte er an.
Die jüngsten Spekulationen um eine Ausweitung der Kreditkrise hatten zu einem Ausverkauf an den Börsen geführt. Der deutsche Leitindex Dax gab 2,36 Prozent nach auf 7270 Punkte, der Stoxx50-Index der 50 größten börsennotierten europäischen Unternehmen brach um 2,9 Prozent auf 4062 Zähler ein.
Auch die US-Börsen notierten um mehr als zwei Prozent im Minus. Viele Investoren flüchteten nach Angaben von Händlern aus Aktien und kauften vermehrt weniger riskante Papiere wie Staatsanleihen. Zunehmend infiziert die Krise einem Händler zufolge auch Märkte und Sektoren, die eigentlich nicht direkt betroffen sind.
Nach den Hypothekenfinanzierern gerieten Händlern zufolge nun Hedgefonds stärker unter Druck. Die Ratingagentur Moody's warnte vor dem möglichen Kollaps eines großen Hedgefonds. Börsianer erklärten, Hedgefonds hätten in den USA Schwierigkeiten, Kredite zu bekommen, und müssten daher Aktien verkaufen. Die US-Hypothekenkrise brachte auch den größten US-Anbieter von Baufinanzierungen, Countrywide, in Bedrängnis. |