Ich finde es schon hoch interessant was die Commerzbank am Freitag in ihrem Nordex-Rating geschrieben hat:
"Der Windkraftanlagenbauer habe unglaublich schnell einen Fortschritt bei der Verbesserung seiner operativen Gewinne gemacht. .... das Produktportfolio sieht gut aus. Das ist auch für die Bruttomargen von Vorteil. Die Analysten halten es nicht für ausgeschlossen, dass das Nordex-Ziel für 2015 schon im kommenden Jahr Realität wird. Angestrebt ist ein operativer Gewinn von 75 Millionen Euro. Der verhaltene Free Cashflow aus dem Betrieb heraus verhindere aber eine Hochstufung."
Den einzigen Kritikpunkt von der Commerzbank gegenüber Nordex war der operative Cash Flow und der ist der Grund dafür, dass das Kursziel nicht noch weiter erhöht wurde und aktuell "nur" bei 11 € liegt. Das kann ich einigermaßen nachvollziehen, denn der operative Cash Flow lag in den ersten 9 Monaten deutlich im Minus mit 58 Mio. €. Jedoch ist es halt mal so, dass wenn ein Unternehmen in einem Jahr gegenüber dem Vorjahr schnell wächst, dann sind zu 90% die Cash Flows negativ, denn ganz automatisch geht halt das Working Capital in die Höhe z.B. durch eine hohen Lageraufbau. Bei Nordex ist das Working Capital in diesem Jahr von 93,5 auf 158,2 Mio. € bzw. um 64,7 Mio. € deutlich gestiegen und genau deshalb ist der operative Cash Flow mit 58,5 Mio. € bis Ende September in diesem Jahr deutlich im Minus. Bei großen Umsatzsteigerungen (+ 336 Mio. € gg. Vorjahrszeitraum) bzw. bei dem hohen Wachstum (Umsatz + 47% und Auftragseingang + 85% gg. Vorjahreszeitraum) ist das allemal nachzuvollziehen. Jedoch habe ich vollste Verständnis zur Skepsis der Commerzbank bezüglich des "verhaltenen Free Cashflow aus dem Betrieb heraus." Nordex sagte aber, dass bis Jahresende ein hoher Cashzufluss zu erwarten ist.
Die Commerzbank geht in ihrem Best Case für 2014 (EBIT 2014e: 75 Mio. €) von einem Gewinn je Aktie von etwa 0,53 € aus (Finanzergebnis: - 24 Mio. €/Steuerquote: 24% - 12,2 Mio. €) !!! Das ist doch jetzt mal eine richtig positive Ansage, die von der Commerzbank gekommen ist. Zumal ja die Nord LB (Kursziel von 6,50 auf 9 € angehoben) nur einen Gewinn je Aktie für 2014 von 0,34 € prognostiziert wie auch Independent Research (Kursziel von 9 auf 13 € angehoben). Somit steht die Commerzbank Nordex ein 2014er KGV von 20,8 zu, während Independent Research ein 2014er KGV von 38,2 für akzeptabel hält und die Nord LB ein 2014er KGV von 28,5 als ok ansieht. Die KGV-Bandbreite (20,8 bis 38,2) der Analysten, die sie als fair ansehen, ist also riesig. Genau das zeigt wie schwierig es ist Nordex überhaupt zu prognostizieren und deshalb muss man sich dann schon die Frage stellen welche Relevanz die KGV-Bewertung nach den durchschnittlichen Analystenschätzungen überhaupt hat.
Im Laufe des Jahres mussten alle Nordex-Analysten ihre 2013er und 2014er Schätzungen deutlich nach oben anpassen und zwar mehrmals. Vor den Q1-Zahlen im April lagen die Konsens-Schätzungen für den 2014er Umsatz bei 1,28 Mrd. € und beim Gewinn je Aktie bei 0,19 €. Jetzt nach den Q3-Zahlen liegen die durchschnittlichen 2014er Umsatzschätzungen bei 1,45 Mrd. € und beim Gewinn je Aktie bei 0,37 €. Damit mussten die Analysten binnen 6 Monaten ihre Umsatzschätzungen um 13% erhöhen und ihre Schätzungen beim Gewinn je Aktie um 95% !! Soviel zu Nordex und KGV, denn ich kann es wirklich nicht mehr lesen, wenn immer und immer wieder Nordex-Poster irgendetwas von einem hohen KGV faseln.
Das immer wieder erwähnte KGV, das ja abgeleitet ist von den aktuellen durchschnittlichen Analystenschätzungen beim EPS, ist kein statischer Wert, denn der verändert sich doch andauernd nicht nur wegen des Kurs und das sieht man doch durch meine Ausführungen hervorragend. Würde man das KGV mit den EPS-Schätzungen vom April hernehmen, dann hätte Nordex ein 2014er KGV von 55,8, nimmt man die aktuelle durchschnittliche EPS-Schätzung, dann liegt das 2014er KGV bei 28,6, nimmt man jetzt den Commerzbank Best Case, dann hätte man ein 2014er KGV von 20 und nimmt man meine EPS-Schätzung, dann hätte man ein 2014er KGV von 17,4 (das KGV ist bezogen auf den heutigen XETRA-Schlusskurs von 10,60 €). Soviel zum KGV. Meine Schätzung sieht so aus: Umsatz: 1,48 Mrd. €, EBIT 82,9 Mio. € (Marge 5,6%), EBT: 58,9 Mio. €, Nettoergebnis: 44,8 Mio. €, Gewinn je Aktie: 0,61 €. Die durchschnittlichen 2014er Gewinnschätzungen sehen so aus: Umsatz: 1,45 Mrd. €, EBIT 64 Mio. € (Marge 4,4%), EBT: 39 Mio. €, Nettoergebnis: 27,2 Mio. €, Gewinn je Aktie: 0,37 €.
Außerdem kann man ein Kursziel bzw. eine Aktien-Bewertung nicht einzig und alleine auf das simple KGV beschränken, denn neben dem KGV gibt es noch unzählige Aktienbewertungskriterien wie das KUV, KCV oder die Enterprise Value Multiple (EV/EBITA, EV/EBIT, EV/Umsatz). Die EV-Multiple sind ohnehin wesentlich aussagekräftiger wie das KGV. Es ist ohnehin Blödsinn ein KGV isoliert zu betrachten, denn man muss schon auch schauen wie die Peer Group am Markt bewertet wird.
Hier mal die aktuellen 2014er Bewertungen für die Nordex-Peer Group:
Nordex: KGV: 28,6 KUV 0,54, KCV 10,2 EV/EBIT: 11,8, EV/Umsatz: 0,52 Vestas: KGV: 29,1 KUV 0,68, KCV 10,9 EV/EBIT: 16,9, EV/Umsatz: 0,76 Gamesa: KGV: 25,8 KUV 0,70, KCV 6,7 EV/EBIT: 15,0, EV/Umsatz: 0,87
Diese Aktienbewertungskennziffern sind aus den Konsensschätzungen der Thomson Reuters-Datenbank berechnet und zu folgenden Kursen: Nordex 10,60 €, Vestas 20,40 € und Gamesa 6,96 €.
Beim Vergleich dieser kleinen Peer Group kann wohl niemand behaupten, dass Nordex fundamental überbewertet ist gegenüber ihrer Peer Group. Bei den Enterprise Value-Mutiple ist Nordex sogar eindeutig unterbewertet gegenüber Vestas und Gamesa. Der Grund ist eigentlich recht einfach, denn Vestas und Gamesa haben jeweils eine relativ hohe Nettofinanzverschuldung, die mit 512 Mio. € bzw. 462 Mio. € von den Analysten für Ende 2014 geschätzt wird. Bei Nordex wird sogar für Ende 2014 eine Nettoliquidität von 28,8 Mio. € prognostiziert.
Da Vestas wie auch Gamesa in den letzten Tagen ebenfalls nachgegeben haben, hat also nicht nur Nordex ein (kleines) Kursproblem, sondern ganz offensichtlich auch die Peer Group. Vestas hat gegenüber ihrem Höchstkurs der letzten 2 Wochen (22,82 € vom 6.11.) um 11% nachgegeben, Gamesa (7,70 € vom 8.11.) um 10%, während Nordex dann doch deutlich mehr Federn lassen musste mit Minus 26% (14,42 € vom 7.11.). Heute haben aber Nordex, Vestas und auch Gamesa in fast der gleichen Größenordnung kursseitig verloren. Jetzt muss man sich halt fragen ist die Fantasie bei den Windwerten generell raus oder ist das was gerade läuft nur eine Konsolidierung auf hohen Niveau um die exorbitanten Kursgewinne der letzten 12 Monate zu verarbeiten ? Immerhin hat Nordex in den letzten 12 Monaten um 262% zugelegt, Vestas um 514% und Gamesa um 352%. Alles ganz schwer einzuschätzen wie es weiter geht, aber ich bin absolut der Meinung, dass man die Kursverläufe von Nordex, Vestas und Gamesa sich gemeinsam anschauen muss und nicht eine isoliert. Bei Nordex wurde die 38-Tageslinie schon vor ein paar Tagen nach unten durchbrochen, heute ist das bei Gamesa passiert und Vestas notiert noch ganz knapp oberhalb der 38-Tageslinie. Wenn morgen Vestas ebenfalls die 38-Tageslinie nicht halten kann, dann wirds hochproblematisch und meiner Meinung nach für alle der drei Windaktien, denn dann besteht meiner Meinung nach höchste Gefahr einer größeren Korrektur..
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