Lithium ist unverzichtbar für die Produktion von Batterien in E-Autos. Darauf setzt Rock-Tech-Geschäftsführer Dirk Harbecke. Im Interview erzählt er, wie sein Unternehmen den großen Hunger nach dem "weißen Gold" stillen und Deutschland unabhängiger von China machen will.
ntv.de: Deutschland spielt bislang weder beim Abbau noch bei der Veredelung von Lithium eine große Rolle. Wieso sind solche Projekte hierzulande so rar?
Dirk Harbecke: Das liegt vor allem daran, dass Lithium sehr schwer zu fördern ist. Theoretisch liegt Lithium überall im Boden. Wir brauchen es aber in einer ausreichenden Konzentration im Gestein, um es extrahieren zu können. Projekte mit einem Prozent Lithiumgehalt im Boden sind sehr gut förderbar. Alles deutlich unter der Ein-Prozent-Grenze ist technisch zwar möglich, aber äußerst kompliziert und in der Regel nicht wirtschaftlich. Solche Projekte rechnen sich nicht. Bolivien beispielsweise hat theoretisch riesige Ressourcen. Durch die geringe Konzentration, dazu noch in Verbindung mit Metallen in der Sole wie Magnesium, ist der Abbau aber alles andere als leicht. Und das gilt auch für einige der Projekte in Europa, die planen, Lithium aus Wasser zu fördern. Außerdem hat Deutschland lange geglaubt, dass der Weltmarkt für Rohstoffe immer ausreichend bedient sein wird. Dass das ein Irrglaube gewesen ist, sehen wir jetzt bei der Elektroautoindustrie.
Ihr Unternehmen Rock Tech Lithium baut im brandenburgischen Guben Europas ersten Lithiumkonverter. Darin wird das Metall so aufbereitet und veredelt, dass es für die Batterieproduktion verwendet werden kann. Ab wann wird batteriefertiges Lithiumhydroxid produziert werden?
Dirk Harbecke ist Geschäftsführer von Rock Tech Lithium.
Die Bauarbeiten sollen bis Mitte 2025 beendet sein. Mit Prognosen, wie schnell wir die Anlage dann hochfahren können, sind wir vorsichtig. Wir erwarten allerdings, dass wir Ende des ersten Quartals 2026 das erste batteriefähige Lithiumhydroxid herstellen können, das in Batteriezellen verwendet wird.
In China ist die Produktion deutlich günstiger. Wieso hat sich Ihr Unternehmen trotzdem für Deutschland als Standort entschieden?
Die tatsächlichen Preisvorteile sind nur schwer einzuschätzen. Sein Rohmaterial bezieht China nämlich zu den gleichen Preisen wie wir. Unterm Strich profitieren die Chinesen von billiger Energie und günstigen Arbeitskräften, so viel ist sicher. Unser Vorteil allerdings ist, dass wir gar nicht so viele Arbeitskräfte brauchen. Wir sind davon überzeugt, dass wir von dem Erfahrungsschatz der Chemieindustrie profitieren können und unser Know-how zu einer höheren Effizienz in der Produktion führt.
Was macht Sie da so sicher?
Die Chinesen haben in ihrer Produktion im Moment die Herausforderung, ein batteriefähiges, hochqualitatives Lithiumprodukt herzustellen. Das ist sehr kompliziert. Eine effizientere Produktion macht uns wettbewerbsfähig mit den Preisen, die die Chinesen auf dem Markt anbieten. Wenn man sich den chinesischen Elektroautomarkt anschaut, dann sollte man wissen: Ein Großteil des chinesischen Lithiums wird für den eigenen Markt benötigt und steht gar nicht zum Export zur Verfügung.
Ein Großteil des lithiumhaltigen Gesteins für den Konverter in Brandenburg soll aus einer Mine in der kanadischen Provinz Ontario kommen, die Rock Tech 2010 erworben hat. Wieso soll das Lithiumerz aus Kanada in Deutschland verwertet werden und nicht gleich vor Ort?
Wir haben uns entschieden, den ersten Konverter in Deutschland aufzusetzen, weil wir sehen: Der europäische Elektroautomarkt ist dem in Nordamerika um zwei bis drei Jahre voraus. Das heißt, die Nachfrage in Europa wird einige Zeit noch höher sein. Unseren zweiten Konverter planen wir aber in der Tat für Nordamerika, weil unsere Mine näher und die Energiekosten niedriger sind als im Moment in Europa.
Deckt das Material aus Kanada denn den Bedarf des Konverters in Deutschland?
Um die Abhängigkeit so gering wie möglich zu halten, planen wir momentan unser Lithium noch von einer zweiten Quelle zu beziehen. Unsere Verhandlungen dazu mit kanadischen und australischen Unternehmen sind schon weit fortgeschritten.
Der größte Treiber des Lithiummarktes ist mit großem Abstand die E-Mobilität. Lithium ist unverzichtbar für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien. Wie groß ist das Interesse der Automobilindustrie an Ihrem Unternehmen?
Also die Nachfrage nach unserem Produkt ist kein Problem, weil die Regionalisierung der Lieferketten das zentrale Thema im Moment in den neuen Industrien und der Elektroautoindustrie ist. Wir konnten Mercedes-Benz bereits als unseren Kernkunden gewinnen. Der Autobauer erhält 40 Prozent unserer Jahresproduktion. Momentan laufen nicht nur Gespräche, um diese Menge noch weiter aufzustocken, sondern auch mit anderen Autobauern. Auch Batteriezellenhersteller haben sich bei uns gemeldet. Sie sind in der Wertschöpfungskette eigentlich unsere direkten Kunden. Die agieren in Europa aber noch langsamer als die Autoindustrie. Zwar kaufen die Autobauer das Lithium direkt, liefern werden sie es aber an mehrere Batteriezellenproduzenten.
Noch steht die Finanzierung nicht. Kostenpunkt des Konverters: 730 Millionen Euro. Wie schwer ist es, Investoren und Partner von Ihrem Vorhaben zu überzeugen?
Unsere Aktionäre waren sofort Feuer und Flamme und von unserem Geschäftsmodell überzeugt. Die massiven Wachstumsraten sprechen für sich. Wir sind die ersten in Europa und wollen mit mehreren Konvertern in Europa einen Marktanteil von bis zu 30 Prozent erreichen. Als First Mover wollen wir zusammen mit unseren Kunden wachsen. Im Moment sind wir dabei, gemeinsam mit der Deutschen Bank die komplette Finanzierung für den Konverter sicherzustellen.
"Lithium-Batterien sind das neue Öl", twitterte Tesla-Chef Elon Musk im Sommer 2022. Kurz zuvor hatte er Lithiumminen als "Gelddruckmaschinen" bezeichnet und Lithium eine "Lizenz zum Gelddrucken" genannt. Hat er recht?
Ja, wir erwarten in der Tat für die nächsten zehn Jahre sehr hohe Margen. Danach wird der Wettbewerb zunehmen und Druck auf die Margen ausüben. Die Laufzeit unserer Konverter ist auf 25 Jahre angesetzt – und so lange rechnen wir auch mindestens mit sehr guten Margen. Eine komplexe Wirtschaftlichkeitsstudie hat zuletzt ergeben, dass sich unser Konverter in Guben bereits nach 3,6 Jahren amortisiert hat. Das ist ein extrem kurzer Zeitraum.
Die EU will 40 Prozent der Verarbeitung von kritischen Rohstoffen nach Europa holen. Wie viele Lithium-Konverter sind notwendig, um das zu realisieren?
Um die Vorgaben der EU einzuhalten, bräuchten wir je nach Größe der Konverter im Jahr 2030 zwischen 10 und 15 Stück. Im Moment sind mehrere Projekte in Planung. Das des niederländischen Unternehmens AMG und unseres sind am weitesten fortgeschritten. Damit hätten wir in der EU zwei Konverter, die so ab 2024, 2025, 2026 in Produktion gehen. Stand jetzt müssen wir davon ausgehen, dass Europa es bis 2030 nicht schafft, die Vorgaben der EU einzuhalten. Realistischer ist Mitte der 30er Jahre. Sobald wir die kritische Masse an Lithium erreicht haben, muss Europa massiv auf Recycling setzen und eine Kreislaufwirtschaft aufbauen. Von vielen Konzernen weiß ich: Sie sind nicht mehr weit davon entfernt, Lithium kostengünstig und wettbewerbsfähig zu recyceln. Das wird schon sehr bald möglich sein.
Angebot und Nachfrage drohen dramatisch auseinanderzudriften. Prognosen zufolge soll die weltweite Nachfrage das Angebot im Jahr 2030 um 500.000 Tonnen übersteigen. Was muss jetzt passieren?
Wir müssen die Investitionen insbesondere in Europa für die Batterierohstoffe deutlich erhöhen. Daran geht kein Weg vorbei. Was wir im Moment in Nordamerika sehen, sind zwei sehr wichtige Entwicklungen. Einerseits hat die Einführung des IRA, ein Subventionsprogramm für grüne Industrien, dafür gesorgt, dass insbesondere asiatische Unternehmen sehr stark nach Nordamerika streben und dort Verarbeitungsanlagen aufbauen. Gleichzeitig kommen auch die australischen Minengesellschaften nach Kanada, um dort wirklich in einem hohen Tempo neue Minen aufzubauen. Andererseits beobachten wir gerade massive Investition der Autoindustrie.
Die Investition, die Ford und General Motors im Moment im Bereich Elektromobilität tätigen, gehen deutlich über das hinaus, was zurzeit die europäische Autoindustrie macht. Die europäische Autoindustrie investiert zwar für ihre Verhältnisse auch schon sehr viel in die Batteriezelle, aber sie geht in der Wertschöpfungskette noch nicht bis an den Anfang. Während General Motors und Ford sich direkt an Lithiumkonsortien beteiligen, ist das in Europa im Moment noch nicht der Fall. Aber wir sehen: Das Interesse der Autoindustrie ist groß. Deshalb bin ich da sehr zuversichtlich, dass wir auch schnell Investitionen der Autobauer in unsere Industrien in Europa sehen werden.
Mit Dirk Harbecke sprach Juliane Kipper
https://www.n-tv.de/wirtschaft/...um-Gelddrucken-article24301373.html
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