Ich erwarte die lang ersehnten Rencarex Ergebnisse zur Phase III ab jetzt jederzeit und hier nochmals ein wenig Hintergrund:
24.11.2006
"Krebs wie eine chronische Krankheit behandeln"
Insight: Olaf G. Wilhelm, Chef der Wilex AG, über neue Wege in der Krebstherapie, Vermarktungspartner und Konkurrenten
VDI nachrichten, München, 24. 11. 06, ps - Holprig, aber erfolgreich. So lässt sich der Börsengang der Biotech-Schmiede Wilex vor knapp zwei Wochen beschreiben. Das Münchner Unternehmen, das noch kein Geld verdient, hat sich auf die Entwicklung von Medikamenten gegen Krebs spezialisiert. Neuerdings will CEO Olaf G. Wilhelm auch mit Diagnoseverfahren Geld verdienen.
VDI nachrichten: Haben Sie sich schon von den Strapazen des Börsengangs erholt?
Wilhelm: Ich brauche mich nicht groß zu erholen. Der Börsengang hat viel Arbeit gemacht. Aber eine Woche Nachtdienst in der Klinik ist stressiger... VDI nachrichten: Notierungen von Biotechfirmen sind problematisch. Wie Wilex können die meisten noch kein Produkt vorweisen. Entsprechend schwierig ist es, Käufer für Biotech-Aktien zu finden. Warum sind Sie das Risiko eingegangen?
Wilhelm: Das Produktportfolio von Wilex ist jetzt so weit entwickelt und so ausgewogen, dass wir in den nächsten 24 Monaten einen signifikanten Nachrichtenfluss generieren können. Unser Hauptprodukt Rencarex, eine Substanz gegen klarzelligen Nierenzellkrebs, befindet sich in der letzten Phase der klinischen Tests. 2007 werden wir erste Zwischenergebnisse vorlegen und frühestens Ende 2008 den Zulassungsantrag stellen.
Gleiches gilt für das Diagnostikum CA9-SCAN, ein neues bildgebendes Verfahren, mit dem sich Nierenkrebs schneller und sicherer erkennen lässt. Eine dritte Substanz, WX-671, wollen wir ebenfalls weiterentwickeln. VDI nachrichten: Wie viel frisches Kapital steht Wilex nach Abzug der IPO- Kosten zur Verfügung?
Wilhelm: Zusätzlich zu dem, was wir haben, sind es über 50 Mio. €. Unser Ziel ist es, damit Rencarex und CA9-SCAN zur Marktreife zu bringen und die nächste klinische Studie mit WX-671 abzuschließen.
VDI nachrichten: Das Hauptprodukt Rencarex soll bei Nierenkrebspatienten, die noch keine Metastasen haben, eingesetzt werden. Warum fokussiert sich Wilex auf diese so genannte adjuvante Indikation? Wilhelm: Weil es medizinisch sinnvoll ist. Wenn man aus ärztlicher Perspektive einen Unterschied machen will, muss man eingreifen, bevor sich die Krankheit weiter verbreitet hat.
Normalerweise werden die Patienten operiert und dann - sofern keine Metastasen vorhanden sind - als gesund entlassen. Aber viele von ihnen sind es nicht. Bei den meisten treten irgendwann Tochtergeschwüre auf, an denen die Erkrankten mit Sicherheit früher oder später sterben. Das liegt daran, dass die Metastasen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose so klein sind, dass sie nicht gefunden werden. Derzeit ist kein Medikament zugelassen, dass diesen Patienten helfen könnte.
VDI nachrichten: Das heißt, das Produkt wird derzeit an formal gesunden Personen getestet? Wilhelm: Bei allen Probanden wurde ein klarzelliges Nierenzellkarzinom diagnostiziert. In der Folge wurde ihnen das Organ ganz oder teilweise entnommen. Sie haben keine Metastasen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie welche bekommen, ist hoch. Wir dürfen sie im Rahmen der Studie mit Rencarex behandeln, weil die Substanz sehr sicher und verträglich ist. Vorhergegangene Tests haben gezeigt, dass sie keine allergischen oder immunologischen Reaktionen hervorruft und auch keine Nebenwirkungen hat. Außerdem wirkt der Antikörper WX-G250, auf dem das Medikament beruht, hoch spezifisch. Er bindet fast ausschließlich an die Krebszellen und veranlasst das Immunsystem, nur den Tumor anzugreifen - und nicht etwa gesundes Gewebe. Deshalb haben uns die Zulassungsbehörden in Europa und den USA erlaubt, Patienten sofort nach der Operation zu therapieren.
VDI nachrichten: Die adjuvante Indikation ist ja auch wirtschaftlich eine sehr attraktive Strategie...
Wilhelm: Richtig. Das Umsatzpotenzial ist groß. Rund 70 % der Patienten, bei denen erstmals ein klarzelliges Nierenzellkarzinom diagnostiziert wird, haben noch keine sichtbaren Metastasen.
Aber es existiert noch ein zweiter wirtschaftlicher Aspekt: Die Entwicklungskosten sind niedriger. Wenn man ein neues Medikament auf den Markt bringen will, muss man beweisen, dass es besser wirkt als die Standardtherapie. Deshalb bekommt die eine Hälfte der Teilnehmer das neue Produkt, die andere Hälfte die gängige Medikation. Im Fall der adjuvanten Therapie von Nierenzellenkrebs heißt die Standardtherapie: Beobachtung. Wir geben den Patienten also ein Placebo und müssen keine teure Krebsbehandlung bezahlen. Wir vergleichen die Wirkung von Rencarex mit der Wirkung von Abwarten.
VDI nachrichten: Wilex ist nicht die einzige Firma, die auf diesem Gebiet aktiv ist. Wie sieht die Konkurrenzsituation aus?
Wilhelm: Viel vorteilhafter als zu Beginn des Jahres. Das Produkt Oncophage der amerikanischen Firma Antigenics hat in der Zulassungsstudie nicht die gewünschten Ergebnisse gezeigt. Damit sind wir jetzt in einer Situation, wo wir noch zwei Wettbewerber haben. Nämlich Bayer und Pfizer. Beide haben kürzlich Mittel zur Behandlung von metastasierendem Nierenkrebs auf den Markt gebracht, die sie auch zur adjuvanten Therapie einsetzen wollen. Mit Ergebnissen ist laut Studienleitung voraussichtlich erst 2015 zu rechnen. Außerdem widmet sich die deutsche Liponova der adjuvanten Indikation, verfolgt aber einen anderen wissenschaftlichen Ansatz.
VDI nachrichten: Wie ist der Stand bei Ihrer eigenen Zulassungsstudie?
Wilhelm: Die Patientenrekrutierung läuft. Die Anzahl der Studienzentren wurde von zunächst geplanten 80 auf jetzt über 140 erhöht, da sich herausgestellt hat, dass weniger Patienten pro Zentrum rekrutiert werden konnten als angenommen. Wir brauchen für Europa die Daten von 612 Patienten, für die USA von 856 Patienten.
VDI nachrichten: Wie soll Rencarex vermarktet werden?
Wilhelm: Wir etablieren keine eigene Vermarktungsinfrastruktur, weil wir es auch finanziell als nicht sinnvoll erachten. Wir wollen Lizenzen vergeben und so Geld verdienen.
VDI nachrichten: Wie läuft die Suche nach einem Vermarktungspartner? Wilhelm: Wir reden kontinuierlich mit möglichen Partnern. Aber der ideale Zeitpunkt einen Vertrag zu schließen, wäre nach Bekanntgabe der Zwischenergebnisse und vor Einreichung des Zulassungsantrages. Das würde uns ermöglichen, den höchsten Wert für das Unternehmen zu generieren.
VDI nachrichten: Was machen Sie, wenn Sie keinen Vermarktungspartner finden? Wilhelm: Diese Disposition gibt es nicht.
VDI nachrichten: Neuerdings arbeitet Wilex auch an dem bildgebenden Diagnoseverfahren CA9-SCAN. Was ist der Hintergrund dafür?
Wilhelm: Unser Geschäftsmodell beruht ja auf dem Gedanken, dass wir unsere Pipeline mit Hilfe von akademischen Kooperationen füllen. Während der ersten Studien mit Rencarex haben wir auch Imaging-Studien gemacht, bei denen der Antikörper WX-G250 radioaktiv markiert war. Damals wollten wir wissen: Erkennt der Antikörper wirklich nur den Tumor? Und erkennt er den Tumor vollständig? Unser Kooperationspartner hat dann an der Idee weitergearbeitet.
VDI nachrichten: Welche Vorteile bietet CA9-SCAN für den Patienten? Wilhelm: Den ersten Hinweis auf einen Nierentumor liefert eine Computertomographie. Aber das Verfahren ist ungenau. Nur in 60 % der Fälle handelt es sich tatsächlich um ein klarzelliges Nierenzellkarzinom. Aber das kann man bei der Tomographie nicht erkennen. Sondern erst, wenn man die Niere entfernt und untersucht hat. Mehr als jeder dritte Patient verliert also, wahrscheinlich ohne Grund, ganz oder teilweise ein Organ. CA9-SCAN kann das bei bestimmten Patientengruppen verhindern.
VDI nachrichten: Welche strategische Bedeutung hat das Projekt für Wilex? Wilhelm: Es verbreitert die Produkt-Pipeline. Wir werden den Zulassungsantrag für CA9-SCAN möglicherweise zum selben Zeitpunkt stellen können wie den für Rencarex. Denn Entwicklungen im Diagnose-Bereich sind deutlich weniger aufwändig und auch günstiger.
VDI nachrichten: Wie soll CA9-SCAN vermarktet werden? Wilhelm: Das wollen wir auch mit einem Partner machen, aber nicht mit einer Pharmafirma, sondern mit einem Gerätehersteller, der auf bildgebende Verfahren spezialisiert ist.
VDI nachrichten: Wilex arbeitet auch an Therapien mit niedermolekularen Wirkstoffen. Welchen Stellenwert hat dieses Programm? Wilhelm: Die Substanz WX 671 soll demnächst an Patienten mit Bauchspeicheldrüsen- beziehungsweise Brustkrebs getestet werden. Dabei gehen wir einen ganz neuen Weg: Wir blockieren das uPA-System, ein Enzymsystem, das für Wachstum und Ausbreitung von Krebs wichtig ist, und verhindern so die Bildung von Metastasen.
VDI nachrichten: Wilex verfolgt parallel drei Programme. Welches ist Ihnen persönlich besonders wichtig?
Wilhelm: Alle drei sind meine Babys. Aber wenn der uPA-Ansatz funktioniert, wäre das wissenschaftlich etwas ganz Neues. Wilex könnte dann den ersten anti-metastatischen Ansatz in der Krebsbehandlung etablieren. Das wäre ein echter Durchbruch in der Onkologie. Wir wären dann ein ganzes Stück näher daran, Krebs wie eine chronische Krankheit behandeln zu können, deren Ausbreitung sich kontrollieren lässt. Die Patienten würden über Jahre hinweg Tabletten nehmen und könnten ein normales Leben führen.
VDI nachrichten: Wo steht Wilex in fünf Jahren?
Wilhelm: Wir sind weiter auf Onkologie fokussiert und planen heute, dann mindestens ein Produkt auf dem Markt zu haben.
VDI nachrichten: Und langfristig? Entwickelt sich die Firma zu einem wichtigen Player oder wird sie von Big Pharma geschluckt?
Wilhelm: Ersteres. Der Börsengang war der erste Schritt in diese Richtung.
SILKE LINNEWEBER
-------------------------------------------------- Das Unternehmen Die Münchner Wilex AG wurde 1997 von einem Team aus Ärzten und Krebsforschern der TU München gegründet. Das Unternehmen, das derzeit 44 Mitarbeiter beschäftigt, entwickelt Krebstherapien, die nachhaltiger wirken und gleichzeitig besser verträglich sein sollen.
Hauptprodukt der Firma ist Rencarex. Es dient zur Behandlung von Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom. Derzeit durchläuft das Mittel die letzte Phase der klinischen Studien. Der Zulassungsantrag soll frühestens 2008 gestellt werden.
Wilex verdient derzeit kein Geld. Größter Einzelaktionär der Gesellschaft ist SAP-Gründer Dietmar Hopp, der fast 30 % der Anteile hält. Seit dem 13. November ist Wilex im Prime Standard der Frankfurter Börse notiert. Die Aktien wurden zu einem Preis von 13,80 € ausgegeben. Trotz guter Börsenstimmung konnten sich die Papiere in den ersten Handelstagen nicht verbessern. Sie notieren derzeit (22.11.) bei 13,50 €.sli/ps Olaf G. Wilhelm Gynäkologe, Forscher und Unternehmer
Olaf G. Wilhelm, Ex-Leistungssportler und Gewinner des ersten Münchner Businessplan-Wettbewerbs, führt die Biotech-Schmiede Wilex seit der Gründung 1997. Der 47-jährige Deutsch-Amerikaner gilt als eigenwilliger und visionärer Unternehmer. Von 1990 bis 1997 war er als Oberarzt für Geburtshilfe und gynäkologische Onkologie an der Frauenklinik des Klinikums rechts der Isar der TU München tätig. Zuvor hatte Wilhelm als Wissenschaftler für den US-Pharmakonzern Lilly in Indianapolis gearbeitet. 2001 wurde er zum außerordentlichen Professor für Gynäkologie an der TU München ernannt.sli |