Geld oder Brief: Sicht auf Porsche-Aktie ist verschleiert Von Bernd Weber, Stuttgart
Börsen-Zeitung, 7.11.2008 Porsche bleibt Porsche, und VW bleibt VW. Diese Aussage vom obersten Sportwagenfahrer Wendelin Wiedeking stammt aus einer großformatigen Anzeige, die vor ziemlich genau einem Jahr von den Zuffenhausenern geschaltet wurde und bei VW für die Beruhigung der Arbeitnehmerseite sorgen sollte. Das Ergebnis ist bekannt. Aber auch in ganz anderer Weise trägt diese Aussage von Wiedeking Wahrheit in sich. Denn trotz eines Stimmrechtsanteils von 42,6 % und Optionen für weitere gut 30 % - im Aktienkurs der börsennotierten Porsche-Vorzüge ist quasi kein einziger VW-Anteilsschein eingepreist.
Porsche-Vorzüge notieren aktuell mit gut 63 Euro. Auf dieser Basis werden die 87,5 Mill. stimmrechtslosen Anteile an der Börse mit 5,25 Mrd. Euro bewertet. Werden die bei den Familien Porsche und Piëch liegenden 87,5 Mill. Porsche-Stämme auf Basis der Vorzüge einkalkuliert, ergibt sich für das gesamte Grundkapital von Porsche ein Wert von etwa 10,5 Mrd. Euro.
VW als Geschenk
Rechtfertigen lässt sich die These, wer eine Porsche-Vorzugsaktie kauft, bekommt die VW-Beteiligung als Geschenk obendrauf. Allein die 42,6 % der insgesamt rund 297 Millionen VW-Stämme aber, die sich derzeit im Besitz von Porsche befinden, repräsentieren auf Basis des derzeitigen Niveaus von rund 400 Euro einen Wert von etwa 50 Mrd. Euro. Nun ist der Kurs der VW-Stammaktie sicherlich alles andere als fundamental begründbar. Würden die VW-Stämme bei 100 Euro notieren, was einige Analysten als legitim ansehen, hätte das bei Porsche liegende VW-Stammaktienpaket immer noch einen Wert von 12,5 Mrd. Euro. Die 31,5 % VW-Optionen mit Barausgleich sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Allein diese Kalkulationen verdeutlichen, wie schwierig es derzeit ist, die Porsche-Aktie zu bewerten. Denn die Erträge und Aufwendungen im Zusammenhang mit den Transaktionen rund um die Beteiligung an VW sind kaum transparent und somit selbst für die Analystengilde nur grob abschätzbar.
Stochern im Nebel
Es gibt einfach zu viele Fragen, die von Porsche-Finanzchef Holger Härter zu Recht nicht beantwortet werden. So ist zum Beispiel offen, welche Ausstattung die Optionen mit Barausgleich haben, seien es nun Laufzeiten oder Basispreise. Adam Jonas, Analyst von Morgan Stanley, schrieb vor wenigen Tagen, es sei derzeit unmöglich, einen fairen Wert für den Porsche-Titel zu berechnen, ohne den genauen Wert der Derivate zu kennen. Porsche sei derzeit letztlich genauso wenig analysierbar wie Volkswagen. Kafka-Liebhaber Härter kann dennoch einiges dafür unternehmen, den Aktienkurs von Porsche wieder in die Erfolgsspur zu bringen, aus der er sich seit November 2007 und einem Kurs um 180 Euro doch deutlich entfernt hat. Macht Härter nun die VW-Optionen zu Geld, würde ihm das vermutlich eine Summe in die Kasse bringen, die deutlich über der gesamten Marktbewertung von Porsche liegt.
Eine Ankündigung in diesem Sinne dürfte ausreichen, um den Kurs explodieren zu lassen. Schließlich ist der Porsche-Finanzchef nicht gezwungen, die in einem solchen Fall eingenommenen Mittel in VW-Stammaktien zu investieren. Schon die Mitteilung vom Montag vergangener Woche, einen kleinen Teil der Optionen zu Geld zu machen, um den Markt zu beruhigen reichte aus, um den Kurs von Porsche von unter 40 auf rund 70 Euro zu hieven. Ein Kauf von VW-Aktien zum derzeitigen Zeitpunkt würde für Porsche jedenfalls keinen Sinn machen. Die Wolfsburger Stämme sind noch deutlich zu teuer, und Härter würde im Falle eines Erwerbs zum aktuellen Niveau umfangreiche Abschreibungen auf ihren Wert in der Zukunft und sogar Verluste riskieren. Da wäre es für die Porsche-Anteilseigner erheblich erfreulicher, Härter würde die Mittel zumindest zum Teil für Sonderausschüttungen einsetzen.
Zeiten werden härter
Operativ jedenfalls muss sich Porsche auf härtere Zeiten einstellen. Nachdem das Geschäftsjahr 2007/2008 erneut mit Rekorden bei Absatz und Umsatz abgeschlossen wurde, weht den erfolgsverwöhnten Zuffenhausenern nun der Wind ebenso ins Gesicht wie anderen Premiumherstellern. Die Finanzkrise hat besonders im Geldgewerbe eine Vielzahl von Stellen gekostet. Die Boni der Investmentbanker sprudeln nicht mehr wie bisher, mit der Folge, dass weniger Luxus- und Sportwagen gekauft werden. Die US-Wirtschaftskrise hat nun auch Porsche erfasst, musste der Sportwagenhersteller gerade konstatieren. Der Absatzrückgang in Nordamerika im Oktober um 50 % im Jahresvergleich zeige, dass sich auch Porsche den Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der damit einhergehenden Nachfrageschwäche in allen Bereichen nicht entziehen könne, erklärte die Gesellschaft. Als Reaktion schickt das Unternehmen die Beschäftigten seines Standortes in Zuffenhausen drei Tage länger in Weihnachtsferien als geplant. Und bei Bekanntgabe des Absatzeinbruchs in den USA im Oktober wurde angekündigt, die Stückzahlen der Nachfrage anzupassen, sollte es zu einem dauerhaften Rückgang der Bestellungen kommen.
Kompensation?
Bisher haben die aufstrebenden Märkte wie Russland und China Porsche einen Ausgleich für die schwächeren Märkte in den USA oder auch in Großbritannien beschert. Wird der Absturz der Börsenkurse in Moskau oder auch in China als Gradmesser genommen für die Bereitschaft, sich dort einen Cayenne oder einen Carrera zu kaufen, dann dürfte es für Porsche auch auf diesen Märkten künftig nicht unbedingt einfacher werden.
Die Rekordfahrt bei Absatz und Umsatz dürfte jedenfalls fürs Erste ihr Ende gefunden haben. Ob die Aktie dennoch zulegen kann, wird im Wesentlichen von Porsches VW-Strategie der kommenden Monate abhängen. Damit verbunden ist die Frage, ob Finanzchef Härter tatsächlich weitere VW-Optionen zu Geld macht, solange sich der Kurs der VW-Stämme auf dem aktuellen Niveau bewegt. Von den 30 von Bloomberg befragten 30 Analysten jedenfalls raten 22 zum Kauf der Porsche-Aktie, lediglich ein Analyst empfiehlt den Verkauf.
Börsen-Zeitung, 07.11.2008, Autor Bernd Weber, Stuttgart , Ausgabe Nr. 216 , Seite 17, 856 Worte |