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09.01.2017 Tankstellen suchen neue Rolle
Mit immer mehr Elektro-Autos wird der Bedarf an den Diensten von Shell, Total & Co. zurückgehen. An den neuen Ladestationen wollen viele mitverdienen. Doch noch gibt es kein Geschäftsmodell. Die Zukunft liegt in Rostock. Zumindest für den französischen Mineralölgiganten Total. In der Hansestadt will der Energie-Dino demonstrieren, wie das dreckige Tankgeschäft sauber werden kann. „Die Total-Multi-Energie-Tankstellen bieten unseren Kunden heute bereits alle verfügbaren Energieträger“, wirbt Guillaume Larroque, Tankstellen-Direktor von Total Deutschland. Der Konzern will so auch Autofahrer mit emissionsarmen Antrieben an die Zapf- und Ladesäule locken. Ab dem Frühjahr sollen nicht nur Autos mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor an dieser Multi-Energie-Tankstelle halten, sondern auch BMW i3- und Hyundai Fuel Cell-Fahrer. An der Tessiner Straße in Rostock stehen Autofahrern dann neben den Mineralöl-Kraftstoffen auch Wasserstoff, Strom aus Elektroladesäulen sowie Erdgas (CNG) und Autogas (LPG) zur Verfügung. Und das Tanken geht sogar ziemlich flott. Innerhalb von drei bis vier Minuten lässt sich der Wasserstofftank füllen, an der Schnellladesäule ist die Batterie nach 15 Minuten wieder fast vollständig geladen. Neun weitere Tankstellen wie die in Rostock betreibt der Mineralölriese schon, alle in Betrieb genommen während der vergangenen drei Jahre. Mit den Pilotprojekten will sich der Konzern für die Verkehrswende rüsten. Langsam dämmert auch den Vorständen der Autokonzerne in Wolfsburg und Stuttgart, dass sie den Trend nicht verschlafen dürfen: Sie haben eine ganze Reihe neuer E-Modelle angekündigt. In diesem Jahr sollen mit dem Opel Ampera e und der neuen Version des Renault Zoe erstmals batteriebetriebene Fahrzeuge mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern anstatt der üblichen 100 bis 200 Kilometer auf die Straße fahren. Erster SUV mit Brennstoffzelle Außerdem will Daimler im Herbst den ersten serienreifen SUV mit Brennstoffzelle präsentieren. Das Prinzip dabei: Eine Brennstoffzelle wandelt Wasserstoff in Strom um, der dann wiederum eine Batterie antreibt. Bislang haben nur asiatische Autohersteller wie Hyundai und Toyota Autos mit dieser Technik bis zur Serienreife gebracht. Deutschlandweit sind derzeit allerdings nur rund 250 Pkw mit Brennstoffzelle zugelassen. Mit Wasserstoff im Tank können Autos bis zu 700 Kilometer weit fahren. Das Tanken dauert nur so lange wie beim Benziner. Deswegen setzt die Regierung Merkel in ihrem aktuellen Bundesverkehrswegeplan insbesondere „für die Langstrecke, für große Autos und Busse“ auf die Brennstoffzellen-Technik. Die hat allerdings ihren Preis – der günstigste Brennstoffzellen-Pkw schlägt mit rund 65.000 Euro zu Buche. Zudem fehlt es vor allem an den entsprechenden Tankstellen. Solange Ladesäulen und Wasserstofftankstellen hierzulande rar sind, wollen die Konzerne nicht noch mehr Geld in die Forschung und Entwicklung von elektrischen Antrieben pumpen. Gleiches gilt umgekehrt. Tankstellenbetreiber und Energieversorger zögern beim Aufbau neuer Infrastrukturen. Von 20 auf 400 Wasserstofftankstellen Beim Ausbau des Ladenetzes für Wasserstofftankstellen liegt die Bundesregierung hinter den eigenen Plänen zurück. Bislang stehen nur 20 Zapfsäulen. Energieriese Total macht dafür „langwierige Genehmigungsprozesse“ verantwortlich. Verkehrsminister Dobrindt gelobt Besserung und nimmt dazu reichlich Steuergeld in die Hand. „Allein bis 2018 werden wir 160 Millionen Euro zusätzlich investieren, um die Wasserstofftechnologie weiter zu erforschen und zu fördern“, kündigt er an. „Dazu gehört, dass wir 400 Wasserstofftankstellen in Deutschland aufbauen werden.“ Die sollen bis 2024 an den bundesdeutschen Straßen stehen, mit einem Abstand von höchstens 90 Kilometern. Damit setzt Dobrindt eine entsprechende EU-Richtlinie in Deutschland um. Brüssel schreibt darin vor, dass Autofahrer schon 2020 alle 300 Kilometer an den Straßen der EU-Mitgliedsstaaten eine Wasserstofftankstelle anfahren können sollen. Doch selbst, wenn diese ehrgeizigen Pläne eingehalten werden, müssen Autofahrer minutiös planen, wann und wo sie als nächstes tanken. Zum Vergleich: Für Diesel und Benzin gibt es laut Statistik bundesweit 14.500 Zapfsäulen. Auf Plug-In-Hybride kommt es an Über die nötige Lade-Infrastruktur entscheidet aber nicht nur die Zahl der reinen Elektroautos, sondern vor allem die der Hybride mit ihren kleineren Batterien. „Wie viele Lademöglichkeiten man benötigt, hängt stark davon ab, wie groß die Rolle von Plug-In-Hybriden werden soll“, erklärt Tobias Kuhnimhof, der die Abteilung Personenverkehr am Institut für Verkehrsforschung des DLR leitet. „Wenn Plug-Ins einen elektrischen Anteil von über 50 Prozent erreichen sollen, müssen sie häufiger laden und man benötigt mehr Ladesäulen.“ Last but not least: Über die Zahl der benötigten Strom-Zapfsäulen entscheidet auch die Ladestrategie. Wichtig ist vor allem das Komfortgefühl, dass man jenen E-Auto-Besitzern geben möchte, die kein Eigenheim mit Stellplatz haben. „Wenn man Wohngebiete flächendeckend mit Lademöglichkeiten versorgen will, bräuchte man für eine Million Elektroautos 100.000 Ladepunkte“, sagt Kuhnimhof und schiebt gleich nach: „Das wäre aber nicht die schlaueste Strategie.“ Effizientes Laden vor Supermärkten und Kinos Ein Drittel der Fahrzeuge werde am Tag gar nicht bewegt. Laut Kuhnimhof blockieren die meisten Autos einen Parkplatz viel länger, als sie tatsächlich laden. Am effizientesten sei es deshalb, Orte wie Einkaufszentren oder Kinos mit Ladesäulen auszustatten. Dort wechseln die parkenden Fahrzeuge viel häufiger und bieten so vielen Kunden Zugang zu den teuren Ladeplätzen. „Für die große Mehrheit der Mieter wird das Laden an halb-öffentlichen Stellplätzen wahrscheinlich ausreichen“, sagt Kuhnimhof. Bei dieser Strategie würden schon 30.000 bis 50.000 Ladepunkte genügen, um eine Million Elektroautos zu versorgen. Bisher gibt es bundesweit nach einer Erhebung des Energieverbandes BDEW erst 6.500 öffentliche Anschlussmöglichkeiten. Am stärksten haben Ketten im hart umkämpften Handelsmarkt das imagefördernde Potenzial von Ladesäulen erkannt. Im Gegensatz zu Ikea, McDonald’s und Co. glauben deutsche Tankstellenbetreiber offenbar nicht an die Batterie. Von wenigen Ausnahmen abgesehen haben sie bislang keine Stromtankstelle aufgestellt. Mit Blick auf die von der Bundesregierung forcierte Umstellung auf emissionsarme Kraftstoffe bieten die Energie-Dinos an den Zapfsäulen vor allem Autogas und Erdgas. Seit drei Jahren treiben der zweitgrößte Branchenriese Shell und die viertplatzierte Total außerdem als Teil des Gemeinschaftsunternehmen H2Mobility den Ausbau eines Wasserstofftankstellennetzes voran. „Wir gehen davon aus, dass dieser alternative Antrieb ab den Zwanzigerjahren in Märkten wie Deutschland, England, Benelux und den USA eine immer größere Rolle spielt“, prognostiziert Shell-Deutschlandchef Stijn van Els. Die Strategie kommt nicht von ungefähr: Die Ölmultis können ihre Expertise aus dem Gasgeschäft einsetzen. Grünerer Diesel Konkurrent BP will zumindest die Produktion von Diesel grüner machen. Derzeit testet der Konzern ein Verfahren, bei dem das bei der Dieselherstellung verwendete Erdgas durch regenerativen Wasserstoff ersetzt wird. Das ist für Martin Robinius vom Forschungszentrum Jülich aber nur der Anfang einer Wasserstoffinfrastruktur. Sogar eine flächendeckende Versorgung von drei Vierteln des deutschen Straßenverkehrs mittels Brennstoffzellenfahrzeugen und einer Pipeline ist wirtschaftlich, wie Robinius in seiner Dissertation nachwies. Tankstellenbetreiber reagieren auf solche Visionen zurückhaltend – ebenso wie auf Ladesäulen für Batterie-Autos. Das Schnellladen ab 50 Kilowatt (kW) ist teuer. Ein Ladepunkt schlägt mit 35.000 Euro zu Buche, wogegen ein normaler Ladepunkt mit 22 kW nur 5.000 Euro kostet. Noch teurer – mehr als 100.000 Euro pro Säule – ist ultraschnelles Laden mit 150 kW für Elektroautos der nächsten Generation. Allego hat für dieses Jahr sogar erste Stationen mit 350 kW angekündigt. Um auf diese Leistungen zu kommen, müssen eigens Trafostationen gebaut werden. „Für das Schnellladen spricht die Industrie über Kosten von bis zu einem Euro pro getankter Kilowattstunde – allein, um die Ladesäulen zu refinanzieren“, berichtet Matthias Klötzke vom Institut für Fahrzeugkonzepte des DLR. „Bei Stromkosten in dieser Größenordnung wären Elektrofahrzeuge nicht nur in der Anschaffung, sondern auch im Betrieb teurer als Benziner oder Diesel.“ Schokoriegel finanzieren Ladestrom Die Betreiber sind deshalb noch dabei, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den Kunden das hochpreisige Schnellladen schmackhaft machen sollen. Forscher der Universität Stuttgart gehen davon aus, dass Stationen mit hoher Ladeleistung wohl durch andere Dienstleistungen querfinanziert werden müssen. „Es ist ähnlich wie bei einer klassischen Tankstelle: Die finanziert sich auch nicht alleine durch den Benzinverkauf, sondern durch Snacks und Autozubehör“, sagt Denis Horn vom Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement der Uni. Bei Ladestationen sind die Möglichkeiten noch größer. An Bahnhöfen, Einkaufszentren sowie Freizeiteinrichtungen können den Fahrern noch weitere Güter oder Dienstleistungen angeboten werden als das Laden des Elektroautos. Manuel Berkel Jana Kugoth
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