Nach monatelang stabilen Kursen legt die Gemeinschaftswährung deutlich zu – Anstieg bis 1,40 Dollar vorhergesagt
Euro nimmt Kurs auf Rekordhoch
Von Ulf Sommer, Handelsblatt
Der Euro steht nach Einschätzung von technischen Analysten vor einem massiven Kursanstieg. Erstmals seit acht Monaten kostet ein Euro wieder mehr als 1,25 Dollar. Damit hat er nach Ansicht von Charttechnikern, die ihre Prognosen aus Kursverläufen ableiten, eine wichtige Marke überschritten.
§ DÜSSELDORF/FRANKFURT/M. Der Ausbruch aus der monatelangen Handelsspanne scheine nachhaltig geglückt zu sein, hieß es am Vormittag aus dem Handel. Der Euro notierte gegen 11.30 Uhr bei 1,2576 Dollar. Der nächste Widerstand wird nun bei 1,2595 Dollar gesehen. Das Sentiment sei derzeit sehr bullish für den Euro, obwohl sich die Wirtschaftsdaten aus Euroland und den USA gegenseitig aufgehoben und nur für kurzzeitige Impulse gesorgt hätten. Jede noch so kleine negative Nachricht für den Dollar versuche der Markt derzeit in den Trend umzusetzen.
Der Markt warte nun mit Spannung auf die neuesten Daten zu den US-Öllagerbeständen.
UBS erhöhte auf Grund des Euro-Anstiegs ihre Prognosen für die Gemeinschaftswährung erhöht. Auf Monatssicht rechnen die UBS-Analysten nun mit einem Eurokurs von 1,27 Dollar, auf Sicht von drei Monaten erwarten sie sogar eine Befestigung bis 1,29 Dollar. Die Analysten verweisen unter anderem auf die wachsenden Sorgen bezüglich des US-Handelsbilanzdefizits. Zentralbanken dürften ihre Devisenreserven mehr und mehr diversifizieren, und der Euro dürfte daher für den Rest des Jahres in einer höheren Spanne notieren als bislang. Einige Fachleute erwarten nun Wechselkurse bis zu 1,40 Dollar je Euro. Sie stützen sich dabei auch auf Konjunkturdaten, die für einen schwächeren Dollar sprechen.
Der Grund für die einhelligen Prognosen der Charttechniker ist der Anstieg über die wichtige Marke von 1,245 Dollar – für die Fachleute die obere Begrenzung einer lange währenden Seitwärtsbewegung. Der Konjunkturaufschwung in den USA hatte den Euro-Anstieg Anfang des Jahres bei 1,29 Dollar stoppen lassen. Der Euro hatte bis dahin seit dem Herbst 2000 von einem Kurs von 82 US-Cent kontinuierlich zugelegt. Seit März dieses Jahres pendelte die Gemeinschaftswährung zwischen 1,18 und 1,24 Dollar. Neben der Konjunkturerholung trug die Erwartung höherer Zinsen in den USA zur Stabilisierung des Dollars bei. Die Aussicht auf steigende Zinsen lockte Kapital ins Land.
Jüngste Konjunkturdaten haben jedoch das monatelange Gleichgewicht zwischen den Währungen zerstört. Unerwartet wenig neu geschaffene Stellen in den USA und die plötzlich geringere Zuversicht der Verbraucher in die Wirtschaftskraft ihres Landes schüren Sorgen, dass die Konjunkturerholung schwächer und kürzer ausfällt als erwartet. Dies bringt Szenarien steigender Zinsen ins Wanken. Zusätzlichen Druck auf den Dollar übt das immer höhere Leistungsbilanzdefizit aus. Jeden Arbeitstag müssen die Amerikaner rund drei Milliarden Dollar Kapital anlocken, weil sie in diesem Umfang mehr importieren als exportieren. Sollten Ausländer künftig weniger investieren, weil sie schwächeres Wachstum fürchten, würde der Dollar fallen. Dieser ökonomische (fundamentale) Hintergrund bildet das Gerüst für den jüngsten Euro-Anstieg – und Charttechniker sehen dadurch ihren Euro-Optimismus untermauert. Sobald die obere Grenze der Seitwärtsbewegung durchbrochen war, lockte das plötzlich aufgehellte Chartbild neue Euro-Käufer an. „Idealtypisch stieg der Euro rasch über die Marke von 1,25 Dollar. Deshalb und vor dem Hintergrund freundlicher Indikatoren sehen wir den Euro nun in Richtung 1,32 Dollar marschieren“, sagt Thomas Amend von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Sein Kursziel errechnet der Experte aus der breit ausgeprägten umgekehrten Kopf-Schulter-Formation – eines der zuverlässigsten Chartbilder in der technischen Analyse. „Wird der jetzige Ausbruch nach oben verteidigt, sind die vier Cent bis zum alten Hoch von 1,29 Dollar keine große Entfernung. Das schafft eine Währung manchmal in einer Woche“, sagt Achim Matzke von der Commerzbank, der mit weiter steigenden Kursen rechnet .
Am stärksten sieht Marcus Metz von Staud-Research den Euro steigen. Der Experte macht den Abschluss einer Korrekturwelle innerhalb des langfristigen Aufwärtstrends aus. „Mit dem jetzigen Ausbruch beginnt die finale Aufwärtswelle“, sagt Metz. Sein „konservatives“ Kursziel für die nächsten sechs bis neun Monate sind Kurse von mindestens 1,40 Dollar. Erst nach Abschluss dieser letzten Welle erwartet Metz eine größere Korrektur.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 20. Oktober 2004, 11:54 Uhr |