Wirtschaftsexperte: Deutsche Bank
soll Politiker verklagen
Die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti hatte zum
Boykott des Unternehmens aufgerufen
Frankfurt a.M./Berlin - In der
Kontroverse um den Stellenabbau
bei der Deutschen Bank ist noch
kein Ende abzusehen. Der
Wirtschaftsprofessor Wolfgang
Gerke hat der Bank empfohlen,
Politiker wegen Ruf- und
Geschäftsschädigung zu
verklagen. „Die Politiker sollten
dafür in Haftung genommen
werden“, sagte Gerke der
Tageszeitung „News“ in
Frankfurt.
Die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti hatte zum
Boykott der Bank aufgerufen, andere Politiker schlossen sich
dem Aufruf an. Sie würden damit nur von eigenen Fehlern
ablenken wollen, sagte Börsenratsmitglied Gerke. Deutsche
Bank-Chef Josef Ackermann biete ein ideales Ziel, da sein
Ansehen durch den Mannesmann-Prozeß bereits beschädigt
sei. Außerdem schade die Debatte dem Bankenstandort
Frankfurt.
Er sei Ausdruck politischer Hilflosigkeit und kontraproduktiv,
weil er zu einem noch größeren Arbeitsplatzabbau führen
könnte, erklärte der Generalsekretär der hessischen CDU,
Michael Boddenberg, am Mittwoch in Wiesbaden. Der
FDP-Landtagsabgeordnete Michael Denzin betonte, Politik
dürfe sich nicht anmaßen, direkt oder indirekt auf die
Geschäftspolitik von Unternehmen einzuwirken.
Die politische Moraldebatte sei „verlogen und völlig
unberechtigt“, sagte der frühere Präsident des Bundesverbands
der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, am
Mittwoch dem „DeutschlandRadio Berlin“.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann versuche, über eine
Steigerung des Börsenwerts das Finanzhaus vor einer
Übernahme aus dem Ausland zu schützen.
Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer warf Ackermann
hingegen Verantwortungslosigkeit und Arroganz vor.
Ackermann tue so, als könne er von der Gesellschaft nur
fordern, sagte Bütikofer am Mittwoch in der ARD. Es sei
zynisch, nach einem Riesengewinn anzukündigen, man werde
die Arbeitslosigkeit noch etwas erhöhen, um noch mehr Profit
zu machen, sagte der Grünen-Chef.
Die Deutsche Bundesbank nahm das Kreditinstitut gegen
Kritik in Schutz. „Die Diskussion sollte rasch beendet
werden“, sagte Vorstandsmitglied Edgar Meister am Mittwoch
der „Financial Times Deutschland“. Es dürfe nicht verpönt
sein, wenn einzelne Banken Gewinne erzielten, die es ihnen
erlaubten, international wieder zur ersten Liga aufzuschließen.
Deutsche Kreditinstitute erzielten im internationalen Vergleich
immer noch unterdurchschnittliche Erträge.
Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter,
sagte in Frankfurt, die Debatte sei „etwas unglücklich“
gelaufen. Es werde so diskutiert, als ob es vor allem um einen
Abbau von Stellen in Deutschland ginge. Dabei entfielen zwei
Drittel der Jobkürzungen aufs Ausland. Der Personalabbau in
Deutschland sei „etwas, was uns wehtut“. Aber die Nachricht
könne man erklären. So seien viele der Arbeitsplätze, die bei
der Bank gestrichen worden seien, in andere Unternehmen
verlagert worden.
Bütikofer betonte, die Gesellschaft habe einen Anspruch an die
Unternehmen, daß sie am Gemeinwesen mitwirkten. Sie
könnten nicht so tun, als seien sie „selbstversorgende
Einheiten, die nur für die Steigerung des Shareholder-Value
arbeiten“. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im
Bundestag, Rainer Wend (SPD), sagte „NDR Info“, in dem
Aufruf seiner Parteigenossin Ypsilanti komme „ein Zorn zum
Ausdruck, den ich gut nachvollziehen kann“, in der Realität sei
ein Boykott aber abwegig. WELT.de
Artikel erschienen am Mi, 9. Februar 2005
http://www.welt.de/data/2005/02/09/461386.html